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Der ausgebrannte Hubschrauber auf dem Flughafen Fürstenfeldbruck, in dem einige der israelischen Geiseln getötet wurden.

© picture-alliance / dpa/dpaweb

Jahrestag des Olympia-Attentats von 1972: Einigung mit Hinterbliebenen über Entschädigung wendet Eklat ab

Die Angehörigen der ermordeten Israelis drohten mit Boykott der Gedenkveranstaltung. Die Bundesregierung bietet mehr Geld – und befriedet den Streit. 

Von Hans Monath

Die Witwe eines der Ermordeten sprach wohl für die meisten Angehörigen der Opfer: „Wie auch immer, ich denke, wir haben das Hindernis überwunden und wir werden vermutlich auch (nach München) fahren“, sagte Ilano Romano, deren Mann, der Gewichtheber Yossef Romano, wie zehn andere israelische Sportler von palästinensischen Terroristen während der Olympischen Spiele 1972 in München ermordet worden war. Romano reagierte damit auf ein neues Entschädigungsangebot der Bundesregierung an die Angehörigen – gerade noch rechtzeitig, bevor am kommenden Montag zum 50. Jahrestag des Attentats in der bayerischen Hauptstadt der Getöteten gedacht werden soll.

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Erst die Entscheidung der Bundesregierung, den Opferfamilien insgesamt 28 Millionen Euro an Entschädigungsleistung zuzusagen, hatte den Weg aus der Blockade ermöglicht. Diese Gesamtsumme, über die zuerst „Süddeutsche Zeitung“ und „Spiegel“ berichtet hatten, bestätigte der Anwalt der Opferfamilien, Gerhart Baum. Frühere deutsche Kompensationszahlungen von rund 4,5 Millionen Euro sollen angerechnet werden.

Beim Attentat der palästinensischen Terrorgruppe Schwarzer September waren bei den Olympischen Sommerspielen in München am 5. und 6. September 1972 elf israelische Sportler und Betreuer sowie ein deutscher Polizist getötet worden. Zunächst hatten die Attentäter im Olympischen Dorf der Athleten Geiseln genommen.

Bundesinnenminister Genscher bot sich als Ersatzgeisel an

Der damalige Innenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) bot sich als Ersatzgeisel an – vergeblich. Zwei Mitglieder des Teams aus Israel wurden im Olympischen Dorf ermordet, die anderen starben während einer missglückten Befreiungsaktion auf dem nahen Flugplatz Fürstenfeldbruck.

Ein maskiertes Mitglied der palästinensischen Terrorgruppe Schwarzer September im Olympischen Dorf, in dem diese Israelis als Geisel genommen hatte.
Ein maskiertes Mitglied der palästinensischen Terrorgruppe Schwarzer September im Olympischen Dorf, in dem diese Israelis als Geisel genommen hatte.

© imago/Sven Simon

Die deutschen Behörden, so stellte sich später heraus, hatten Warnungen vor einer möglichen Terrortat missachtet, waren auf die Herausforderung völlig unzureichend vorbereitet und begingen Fehler mit fatalen Folgen. Unter anderem sollten einfache Streifenpolizisten die Attentäter ausschalten. Erst nach den schrecklichen Erfahrungen von München wurde die deutsche Antiterroreinheit GSG9 der Bundespolizei gegründet.

Der Streit um die Entschädigung drohte einen dunklen Schatten auf die Veranstaltung zum Gedenken an die Terrortat zu werfen und damit das seit Jahren unverändert hohe Ansehen Deutschlands in Israel zu beschädigen.

Die Angehörigen jedenfalls hatten angekündigt, ohne Entgegenkommen der Bundesregierung und ohne eine Entschuldigung Deutschlands für die damaligen Versäumnisse die Gedenkfeier zu boykottieren. Es galt als sicher, dass dann auch Israels Präsident Izchak Herzog dem Gedenken in München ferngeblieben wäre.

Es wäre der zweite Eklat nach dem Abbas-Auftritt mit Scholz geworden

Allerdings hatten sich die politischen Spitzen beider Länder zuvor versichert, dass sie auch ohne eine Einigung eine Störung des Verhältnisses vermeiden wollten. So hatte sich Herzog, der am kommenden Dienstag im Bundestag spricht, die Forderung der Angehörigen nicht zu eigen gemacht. Trotzdem wäre es wohl als zweiter Eklat im deutsch-israelischen Verhältnis innerhalb kurzer Zeit wahrgenommen worden.

Denn zuvor hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eine Verstimmung mit Jerusalem provoziert: In seinem Beisein hatte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas vor zwei Wochen im Kanzleramt unwidersprochen den Mord an den Juden im Zweiten Weltkrieg relativiert und Israel einen vielfachen „Holocaust“ an Palästinensern vorgeworfen. Scholz reagierte erst im Nachhinein, distanzierte sich dann auch in einem Telefonat mit Ministerpräsident Jair Lapid von Abbas’ Äußerungen.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird sich laut „Süddeutscher Zeitung“ nun für die Versäumnisse Deutschlands bei den Opferfamilien entschuldigen. Zudem hat die deutsche Seite zugesagt, eine Kommission aus deutschen und israelischen Historikern einzusetzen, um die Ereignisse in München unabhängig und transparent aufzuarbeiten.

IOC Präsident Thomas Bach vor fünf Jahren bei der Enthüllung eines Denkmals für die Opfer des Olympia-Attentats mit Ilana Romano und Anke Spitzer, Witwen ermordeter israelischer Sportler. 
IOC Präsident Thomas Bach vor fünf Jahren bei der Enthüllung eines Denkmals für die Opfer des Olympia-Attentats mit Ilana Romano und Anke Spitzer, Witwen ermordeter israelischer Sportler. 

© Matthias Blank/dpa

Dabei geht es nicht nur um Fehler bei der Vorbereitung der Spiele und der missglückten Befreiungsaktion, sondern auch um den Verdacht, es könne zwischen Bundesregierung und Palästinensern eine Art heimlicher Abmachung gegeben haben, um weitere Anschläge zu verhindern.

So berichtete das TV-Magazin „Report München“ am Dienstag, dass deutsche Sicherheitsbehörden damals Vorkehrungen für eine Freilassung und Abschiebung der in Haft sitzenden drei überlebenden Terroristen trafen – und das schon, bevor sieben Wochen nach dem Attentat ein Lufthansa-Flugzeug auf einem Flug von Beirut mit dem Ziel entführt wurde, sie freizupressen.

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Frühere deutsche Entschädigungsangebote von rund fünf Millionen Euro hatten Vertreter der Opferfamilien als „Trinkgeld“ und „beleidigend“ abgelehnt und auf „internationale Standards“ für Entschädigungssummen verwiesen und angeblich rund zehn Millionen Euro für jedes Opfer verlangt.

Steinmeier und Herzog begrüßten die Übereinkunft gemeinsam: „Die Einigung kann nicht alle Wunden heilen. Aber sie öffnet eine Tür aufeinander zu“, meinten die beiden Präsidenten. Der deutsche Staat bekenne seine Verantwortung und erkenne „das furchtbare Leid der Ermordeten und ihrer Angehörigen an, dessen wir kommende Woche gedenken wollen“. 

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