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Politik ohne Zopf: Julia Timoschenko zeigte sich während ihres Auftritts im ukrainischen Fernsehen am späten Freitagabend ohne die weltberühmte blonde Flechte.

© Alexander Prokopenko

Abrechnung bei erstem TV-Auftritt: Julia Timoschenko kämpft wieder

Julia Timoschenko lässt keinen Zweifel: Sie will Präsidentin der Ukraine werden. Beim ersten TV-Auftritt seit drei Jahren rechnet sie ab – mit Putin und dem Westen.

In schlichter weißer Bluse und im grauen Rock, die Haare hinten zum Dutt gebunden – und jede Bewegung auf Krücken: Nach fast drei Jahren ist Julia Timoschenko am Wochenende erstmals wieder im ukrainischen Fernsehen aufgetreten. In der Sendung „Shuster live“, die der Moderator Savik Shuster seit fast zehn Jahren präsentiert, vor acht Diskussionsteilnehmern und einem Millionenpublikum skizzierte die Politikerin, vor einem Monat aus der Haft entlassen und wegen ihres Rückenleidens noch in der Berliner Charité in Behandlung, wie sie sich die Zukunft der Ukraine vorstellt.

Der einzige Ausweg des Landes sei Europa, sagte die frühere Premierministerin. Die Ukraine sei derzeit nicht in der Position mit Putin zu verhandeln, deshalb brauche es die Unterstützung der westlichen Partner. Der Einfluss der Oligarchen müsse eingeschränkt werden. Wenn das Land seine Unabhängigkeit nicht verlieren wolle, müssten jetzt einschneidende, harte Reformen umgesetzt werden. Für diese Positionen erhielt die 53-Jährige Zustimmungsraten zwischen 70 bis 90 Prozent, die Studiogäste waren aufgefordert, sich per Abstimmung zu beteiligen.

"Gegen Russland müssen die härtesten Strafen verhängt werden, die es gibt"

„Ein Militärschlag gegen Russland wäre das Ende der unabhängigen Ukraine“, warnte Timoschenko. Die Übergangsregierung tue derzeit alles, um jede Form von militärischer Gewalt zu verhindern. Jeder wisse, dass der russische Präsident Wladimir Putin mehr wolle als die Krim. Nur der Westen könne Russland in seine Grenzen verweisen. Dem Tagesspiegel sagte sie am Rande der Sendung: „Gegen Russland müssen die härtesten Strafen verhängt werden, die es gibt, und das sind vor allem wirtschaftliche Sanktionen.“ Neben dem Einfrieren von Bankvermögen und Einreiseverboten für eine große Gruppe russischer Bürger sollten auch strafrechtliche Prüfungen aufgenommen werden, woher das gesamte Geld stammt, das die Russen vornehmlich in London, Nizza und Baden-Baden investieren. Mit solchen Maßnahmen würde der Druck auf Putin so groß, dass er an den Verhandlungstisch zurückkehren würde, um wenigstens mit dem Westen den Dialog fortzusetzen.

Timoschenko machte klar, dass die aktuelle Krise in der Ukraine ein Fehler beider Seiten gewesen sei. Der Westen habe die Ukraine nie vollständig in seinen Kreis aufnehmen wollen, erst nach Russlands Annexion der Krim sei die EU bereit gewesen, das Assoziierungsabkommen zu unterzeichnen und es gebe jetzt auch eine realistische Chance auf einen Nato-Beitritt. Die Krim sei aber nicht verloren. Es habe in der Geschichte immer wieder Fälle gegeben, in denen Länder Teile ihres Gebiets vorübergehend verloren hätten. Sie wolle die Krim- Bewohner unterstützen. Alle die auf der Halbinsel bleiben wollen, würden auch in Zukunft Sozial- und Rentenleistungen aus der Ukraine erhalten.

"Die Oligarchen nutzen Unerfahrene aus" - Klitschkos Namen nennt sie nicht

Timoschenko plädierte dafür, die Macht der Oligarchen einzuschränken. Vor allem in den vergangenen Jahren habe das politische Engagement dieser Gruppe zu großen Schwierigkeiten geführt. „Mit schöner Regelmäßigkeit werden den Menschen neue Politiker untergejubelt, das war bei Sergej Tigipko bei den Präsidentschaftswahlen 2010 so und so etwas beobachten wir heute wieder“, sagte Timoschenko. Mit viel Geld würden Kandidaten aufgebaut, die in anderen Bereichen als der Politik erfolgreich waren und bei der Bevölkerung große Sympathien besitzen. „Die Oligarchen nutzen deren Unerfahrenheit aus, um ihre eigenen Interessen durchzusetzen“, warnte Timoschenko und verwies damit auf die Kandidatur Vitali Klitschkos, ohne seinen Namen zu nennen. Auch Klitschko will bei den nächsten Präsidentschaftswahlen antreten, einer seiner Geldgeber soll der Oligarch Dmitri Firtasch sein. Firtasch ist vor ein paar Tagen in Wien verhaftet worden und gegen eine Kaution in Höhe von 125 Millionen Euro freigelassen worden.

Damit war der Wahlkampf voll eröffnet. Der Chef der Nachrichtenagentur Interfax Ukraine, Alexander Martinenko, fragte Timoschenko, ob die neuen Zeiten in der Ukraine nicht auch neue Politiker erforderlich machen. Timoschenko zog das Beispiel Nelson Mandela heran. Er habe fünfzig Jahre für die Demokratie und für die Freiheit Südafrikas gekämpft, habe fast drei Jahrzehnte für seine Überzeugungen in Haft gesessen. „Es geht in der Ukraine nicht um neue Gesichter, sondern um Leute, die die Interessen der Menschen gegen den Einfluss einzelner Clans vertreten“, sagte Timoschenko.

In der kommenden Woche sollen auf den Parteitagen der Partei Vitali Klitschkos, Udar, und Timoschenkos Vaterlandspartei die Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen offiziell nominiert werden. Beobachter in der Ukraine gehen derzeit von einem Duell zwischen dem Schokoladenunternehmer Petro Poroschenko und Julia Timoschenko aus.

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