zum Hauptinhalt
Die Deutsche Bischofskonferenz.

© dpa/Friso Gentsch

Deutsche Bischöfe unter Druck: Welche Reformen der katholischen Kirche sind realistisch?

In Dresden tagt die Frühjahrsvollversammlung der Bischofskonferenz. Dabei geht es auch um Debatten über den synodalen Weg. Drei Experten erklären, was zu erwarten ist.  

Von

Seit Montag tagen vier Tage lang die deutschen Bischöfe in Dresden. Die Debatte über Reformen in der Katholischen Kirche stehen im Vordergrund, sowie die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in der Kirche. In unserer Serie „3 auf 1“ erklären drei Expert:innen, wie groß die Chancen auf eine Reform sind. Alle Folgen von „3 auf 1“ finden Sie hier.


Reformen sind höchst unwahrscheinlich

Aus aufgeklärter, toleranter, deutscher Perspektive ist die Katholische Kirche ewiggestrig. Die Stichworte sind schnell genannt: Ablehnung der Homosexualität, Ehescheidungsverbot, Ungleichbehandlung von Frauen. Aus dieser Perspektive ist der Reformdruck groß. Aber für Papst und Kurie steht Europa nicht im Zentrum ihrer Dogmatik. Die römisch-katholische Kirche ist mit knapp 1,4 Milliarden Mitgliedern die größte religiöse Institution weltweit. Sie muss global, nicht regional denken. Während die abendländische europäische Kernregion schrumpft, stetig an Mitgliedern, Einfluss und Bedeutung verliert, steigt die Zahl der Katholiken in Afrika und Asien.

Dort aber ist das Christentum insgesamt konservativer, charismatischer und fundamentalistischer als in Europa und Nordamerika. Es dominieren ein pfingstkirchlich oder evangelikal geprägter Protestantismus sowie orthodoxe Formen des römischen Katholizismus. Wegen dieser globalen Wachstumsdynamik ist es höchst unwahrscheinlich, dass der Reformdruck in einer religiös zunehmend unmusikalischen Region wie Deutschland den Vatikan zu wirklich substanziellen Reformen veranlasst.


Signal des Papstes

Als Papst Franziskus in den Vatikan einzog, brachte das einen Hauch von Erinnerung an das Urchristentum in den prunkvollen Kirchenstaat. Bescheiden wandte er sich den Ärmsten zu, beherzt empfing er Leute, die sexualisierte Gewalt durch Kleriker erfahren hatten. Das „Vatikanische Geheimarchiv“ ließ er umbenennen in „Vatikanisches Apostolisches Archiv“. Ein Signal: Habt keine Scheu, das Dunkel der Vergangenheit auszuleuchten. Eine Amtszeit reicht allerdings kaum aus, Jahrhunderte alte Haltungen zu verändern. Noch immer ist Homosexualität, vor allem im Globalen Süden, eins der mächtigsten Tabus.

Wenn der Papst erklärt, sie sei zwar „Sünde“, jedoch „kein Verbrechen“ geht das vielen schon zu weit. Gerade im Süden gedeihen aber derzeit christliche Gemeinden. Für die traditionelleren Gesellschaften dort, in denen Familie hohen Wert hat, dürfte es am attraktivsten sein, den Zölibat in eine Option umzuwandeln, anstatt ihn als Zwang beizubehalten. Zugleich wäre das vermutlich die beste Vorbeugung vor sexuellen Straftaten auf katholischen Gefilden.


Kirche der zwei Geschwindigkeiten

Das katholische Kirchenrecht ist eindeutig: Damit in einem Bistum Reformen in Kraft treten können, muss der jeweilige Bischof diese in Kraft setzen. Deswegen wird sich die katholische Kirche in Deutschland mittelfristig zu einer Kirche der zwei Geschwindigkeiten entwickeln: Es wird liberale Bistümer geben, in denen die Domkapitel, so wie es beim Synodalen Weg besprochen wurde, ganz selbstverständlich auch Laien befragen werden, wer der nächste Bischof werden soll. Und es wird konservative Bistümer geben, in denen alles so bleibt, wie es ist. Bestimmte Dinge, etwa Reformen beim Zölibat oder beim Frauenpriestertum, können nur auf Weltebene getroffen werden.

Beides ist nicht völlig undenkbar, bedenkt man, dass es in den katholischen Ostkirchen schon verheiratete Priester gibt und zumindest ein Diakonat der Frau aus der frühen Kirchengeschichte bekannt ist. Beides wird aber noch sehr viel mehr Zeit brauchen, als man es sich in Deutschland wünscht. Dass die heute auf Reformen drängenden Katholikinnen und Katholiken so lange warten werden, ist unwahrscheinlich: Der Mitgliederverlust der Kirche wird weitergehen, und ihr Bedeutungsverlust wird mittelfristig größer werden, als man es sich heute vorstellen mag.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false