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Wein aus Siedlungen im Westjordanland soll besonders gekennzeichnet werden.

© REUTERS/Nir Elias/File Photo

Kennzeichnung für Produkte israelischer Siedler: Chance auf Frieden laut Israel nach Urteil gesunken

Israel hat mit Protest auf das Urteil des EuGH reagiert. Der Botschafter in Berlin forderte Deutschland auf, die Entscheidung nicht umzusetzen.

Wein, Obst und Gemüse aus israelischen Siedlungen im Westjordanland und anderen 1967 besetzten Gebieten müssen in der EU besonders gekennzeichnet sein. Dies entschied der Europäische Gerichtshof am Dienstag in Luxemburg.

Israel reagierte darauf mit scharfem Protest. Das Urteil ermutige radikale anti-israelische Gruppen, die zu Boykotten aufriefen und Israel das Existenzrecht absprächen, kritisierte Außenminister Israel Katz. Er kündigte an, er werde mit europäischen Kollegen daran arbeiten, die Umsetzung des EuGH-Urteils zu verhindern. Das Urteil sei diskriminierend und verringere die Chance auf Frieden mit den Palästinensern. Die Palästinenser begrüßten das Urteil des höchsten EU-Gerichts hingegen.

„Wir fordern Deutschland auf, diese fehlerhafte Entscheidung nicht umzusetzen“, sagte Israels Botschafter in Berlin, Jeremy Issacharoff, der „Welt“. Das Urteil des EuGH hebe Israel aus anderen umstrittenen territorialen Konflikten hervor. „Es dient lediglich als Instrument in der politischen Kampagne gegen Israel.“

Das Bundeslandwirtschaftsministerium bekannte sich auf Anfrage ausdrücklich zur EU-Position. Eine Studie des European Middle East Project ergab jedoch, dass bisher nur zehn Prozent der in der EU verkauften Weine aus israelischen Siedlungen gemäß EU-Recht gekennzeichnet seien. Deutschland sei einer der Hauptabnehmer dieser Weine.

Einige EU-Politiker befürchten, dass Europäer Produkte aus den von Israel besetzten Gebieten aus politischen Gründen meiden könnten. Der SPD-Europaabgeordnete Dietmar Köster warnte: „Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wenden uns strikt gegen jede Form des Antisemitismus. Eine gesonderte Kennzeichnung kann für Kampagnen instrumentalisiert werden, die das Existenzrecht Israels infrage stellen.“

Anlass war ein Rechtsstreit in Frankreich

Der FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff betonte: „Die Kennzeichnung der Waren ist zwar rechtlich richtig, darf aber nicht dazu führen, dass Israel benachteiligt wird.“ Die AfD-Politikerin Beatrix von Storch nannte den EuGH eine „politische EU-Justiz, die ihren offenen Antisemitismus als Kritik an der israelischen Politik zu kaschieren versucht“.

Die Richter bestätigten in dem politisch brisanten Fall die seit 2015 geltende Auffassung der EU-Kommission, die auch Deutschland für verbindlich hält. Israel hatte schon damals heftige Kritik geübt. Das Recht wurde in einzelnen EU-Staaten aber unterschiedlich umgesetzt. Anlass für das EuGH-Urteil war ein Rechtsstreit in Frankreich, das die Kennzeichnungspflicht 2016 per Erlass vorschrieb. Dagegen hatten eine jüdische Organisation und ein Winzer geklagt.

Politischer Hintergrund ist der ungelöste Nahost-Konflikt und der Streit um die 1967 von Israel eroberten Gebiete, darunter das Westjordanland, Ost-Jerusalem und die Golanhöhen. Die Vereinten Nationen stufen die Gebiete als besetzt ein. Die Palästinenser beanspruchen das Westjordanland und Ost-Jerusalem als Teil eines eigenen Staates Palästina. Doch leben dort mittlerweile insgesamt mehr als 600 000 israelische Siedler.

Die 1967 besetzten Gebiete hätten einen anderen völkerrechtlichen Status als Israel. Der EuGH betonte, dass sich in der Errichtung der Siedlungen „eine Umsiedlungspolitik manifestiert, die dieser Staat außerhalb seines Hoheitsgebiets unter Verstoß gegen die Regeln des humanitären Völkerrechts umsetzt“. Die Verbraucher bräuchten Informationen, um eine „fundierte Wahl“ zu treffen, auch unter ethischen Erwägungen. (dpa)

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