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© dpa-Zentralbild

Koalitionsverhandlungen: Wohin steuern?

Koalitionsverhandlungen: Für die FDP ist die Finanz- und Haushaltspolitik eine Frage der eigenen Glaubwürdigkeit – also will sie hart bleiben.

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Es war ein klares Versprechen, das Guido Westerwelle den Wählern gegeben hatte: „Ich unterschreibe keinen Koalitionsvertrag, in dem kein einfaches, niedriges und gerechtes Steuersystem steht.“ Nun verhandeln Westerwelle und seine FDP seit einer Woche mit CDU und CSU über ein gemeinsames Koalitionsprogramm. Und es sieht plötzlich so aus, als könnte das Wahlversprechen zur bösen Prophezeiung für den FDP-Chef werden. Denn nichts würde den momentanen Höhenflug der FDP in der Öffentlichkeit so stark bremsen wie ein Koalitionsvertrag, in dem keine Steuerstrukturreform steht, die den Attributen „einfach, niedrig und gerecht“ gehorcht.

Genau danach sieht es aber – zumindest bei oberflächlicher Betrachtung – derzeit aus. Da warnt der FDP-Unterhändler für Steuer- und Finanzfragen, Hermann Otto Solms, davor, Steuerentlastungen „auf Pump“ zu finanzieren, sein Kollege Carl-Ludwig Thiele beklagt die desolate Haushaltslage und bereitet die Leute schon mal darauf vor, dass eine „Steuerreform als solche nicht zum 1.1. nächsten Jahres in Kraft treten“ könne. Und aus dem Umfeld von Guido Westerwelle wird kolportiert, der Chef habe vergangenen Donnerstag in der großen Koalitionsrunde sogar den „Casus Belli“, den Kriegsfall also, erklärt, falls es nicht zu einer Steuerreform komme.

Es scheint, von der Klarheit der FDP ist nicht mehr viel übrig geblieben. Westerwelles Truppe wird als unsortierter Haufen mit unverständlichen Botschaften wahrgenommen. Am Wochenende, so heißt es, hätten sich bereits die ersten besorgten Parteimitglieder gemeldet. Mit der drängenden Frage: „Gibt die FDP ihr zentrales Wahlversprechen preis?“ In der Öffentlichkeit glaubt man offenbar den Berichten der Unionspolitiker, wonach sich die FDP längst kleinlaut von der großen Steuerreform verabschiedet hat. Am Montag hagelte es denn auch deutliche Kritik am eigenen Auftreten. Freilich hinter verschlossenen Türen. Welche Ziele die FDP in den Verhandlungen verfolge, welche Prioritäten sie setze und wo sie bereit ist zu Kompromissen, das sei nicht erkennbar. Wenn das so weiter geht, ließ sich ein Spitzenliberaler ein, dann stehe die FDP als Verlierer da, noch bevor die Tinte unter dem Vertrag getrocknet ist. Ein „Kommunikationsgau“ bahne sich an.

Das Paradoxe: Wenn man genau hinsieht, steuern die Koalitionsverhandlungen überhaupt nicht auf einen Abschied von der Steuerreform zu. Zwar wird es den Dreistufen-Tarif (10, 25, 35 Prozent) von Solms zum 1. Januar 2009 nicht geben. Das hatte aber auch niemand versprochen. Vielmehr geht es um die Chance zu beweisen, dass man mit der Senkung von Steuern das Wirtschaftswachstum ankurbeln und damit auch die Staatshaushalte sanieren kann. Und genau diese Chance wollen die Koalitionäre offenbar ergreifen, wenn sie die sich im kommenden Jahr ergebenden Haushaltsspielräume für erste Steuersenkungen nutzen. Einen Fahrplan für diese Senkungen – wenn auch in mehreren Schritten – könnte die FDP also durchaus mit „niedrig“ bezeichnen. Und wenn die Reise mit einer Steuerentlastung von Familien beginnt, dann träfe das Wörtchen „gerecht“ zu. Bleibt allein die Frage nach dem „einfacheren“ Steuersystem offen. Wobei eine umfassende Strukturreform in aller Ruhe für die Zeit nach der Wirtschaftskrise vorbereitet werden könnte. Davon ist aus der FDP jedoch nichts zu hören.

Der Chef der Jungen Liberalen, Johannes Vogel, warnte derweil davor, zu viele Zugeständnisse an die Union zu machen. Vogel sagte dem Tagesspiegel: „Es ist doch völlig klar, dass sich die zentralen Forderungen der FDP aus dem Wahlkampf im Koalitionsvertrag mit der Union wiederfinden müssen. Auch wenn nicht alles sofort umsetzbar ist, muss es einen detaillierten Reformfahrplan und eine klare liberale Handschrift geben. Für die FDP ist eine Regierungsbeteiligung kein Selbstzweck.“ mit ale

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