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Die Bestechung von Abgeordneten wird nur unzureichend bestraft.

© IMAGO/Christian Spicker

Maskenaffäre in der Union: Korrupt ist korrupt, auch wenn es keine Strafe gibt

Zwei CSU-Politiker haben ihr Mandat verkauft, ohne juristische Folgen. Die Freisprüche sind eine Anklage gegen den Bundestag. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Was sind sie wert, die Buchstaben des Gesetzes? Für die langjährigen CSU-Abgeordneten Georg Nüßlein und Alfred Sauter lässt sich dieser Wert gut beziffern: Für den einen sind es 660.000 Euro, für den anderen sogar mehr als 1,2 Millionen. So hoch waren die Beträge, die zwei Firmen, an denen die beiden maßgeblich beteiligt waren, als Provision für den Verkauf von Covid-Schutzausrüstung an Ministerien einstreichen konnten.

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Ein glänzendes Geschäft, denn wie bei solchen Deals üblich, haben die beiden mutmaßlich nicht viel dafür tun müssen. Ein paar Telefonate mit den richtigen Leuten, hier und da eine Mail oder ein persönliches Gespräch. Die Politiker haben ihre politischen Kontakte zu Regierungsbehörden verkauft.

Wer Diäten bezieht und Mitglied eines Vollzeitparlaments ist, braucht keine Millionen als Nebenverdienst und sollte auch gar keine Zeit haben, sie zu erwirtschaften.

schreibt NutzerIn JeanLuc7

Die „Maskenaffäre“ bleibt für Nüßlein und Sauter ohne juristische Folgen, wie die Justiz bereits zum wiederholten Mal entschieden hat. Jetzt hat der Bundesgerichtshof (BGH) klargestellt, dass nicht nur keine Strafe droht, sondern beide ihr Geld behalten dürfen. Der BGH verwarf Beschwerden der Münchner Staatsanwaltschaft gegen aufgehobene Haft- und Vermögensarrestanordnungen.

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Bestechlichkeit ist das nicht, urteilte der BGH, und nahm dafür den Paragrafen 108e des Strafgesetzbuchs (StGB) zum Maß, die „Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern“. Er bestraft Mitglieder einer Volksvertretung des Bundes oder der Länder, die sich einen ungerechtfertigten Vorteil dafür versprechen lassen, bei der Wahrnehmung ihres Mandats eine Handlung im Auftrag oder auf Weisung vorzunehmen, mit bis zu zehn Jahren Haft.

Unterstreiche: Bei der Wahrnehmung ihres Mandats. Denn diese Buchstaben im Gesetz sind es, die sich für die Politiker jetzt bezahlt machen. Sie haben ihr Mandat im Bundestag (Nüßlein) und im Bayerischen Landtag (Sauter) beim Einfädeln der Deals eingesetzt, benutzt und man darf wohl auch sagen: sie haben es missbraucht. Aber „wahrgenommen“ im Sinne konkreten parlamentarischen Verhaltens, etwa bei Abstimmungen, haben sie ihr Mandat für die Maskengeschäfte nicht.

Der Gesetzgeber hat Strafrecht für sich selbst geschaffen

Diese enge Formulierung des Paragrafen 108e ist kein Versäumnis, sondern eine Unterlassung. Dem Gesetzgeber, der hier ein Strafrecht für sich selbst geschaffen hat, ging es darum, seine Strafbarkeit zu begrenzen. Ein Motiv dürfte gewesen sein, dass Parlamentarier in vielfältiger Weise in Geschäftstätigkeiten von Unternehmen mit Behörden eingebunden sind. Eine Firma, die etwa auf Hilfe oder einen Auftrag aus der Bundesverwaltung hofft, wendet sich nicht selten an den Bundestagsabgeordneten aus ihrem Wahlkreis. Meist läuft das ohne Provision und zu gegenseitigem Nutzen: Ein Abgeordneter, der Firmen hilft, hilft deren Beschäftigten und damit seinen Wählern. So funktioniert Politik. Will man es gleich unter Strafe stellen, wenn ein paar Euro Aufwandsentschädigung fließen? Oder ein Job für Sohn oder Tochter dabei herauskommt?

Es gibt ein passenderes Wort: Verdorbenheit

Hier beginnt die Korruption, die sich mit ihrer weiteren lateinischen Bedeutung besser erklären lässt als mit Strafrecht: Verdorbenheit. Eine Ausprägung ist Bestechung und Bestechlichkeit. Der eine zahlt, die andere kassiert dafür, dass sie oder er ein Amt, eine Vertrauensstellung oder eben ein Mandat ausnutzt. Korruption ist zersetzend, in vielen Ländern ist sie der Staatsfeind Nummer eins. So gesehen sind Nüsslein und Sauter korrupte Politiker. Es ist ein Ausweis ihrer Verdorbenheit, in der Drucksituation der Pandemie ihre Funktion als Volksvertreter verkauft zu haben.

Eine Mitschuld trifft den Bundestag. Der Paragraf lädt Politiker ein, ihr Mandat geschäftlich auszureizen. Mancher sieht es als Ticket in den Wohlstand. Dieser Freifahrtschein unterläuft internationales Recht. Die Bundesrepublik hat Abkommen unterzeichnet, die solche Korruption verbieten. Hinreichend umgesetzt hat sie das nie.

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