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Haben alle Grund zu Lachen: Kramp-Karrenbauer, von der Leyen und Merkel

© imago images / Xinhua / Shan Yuqi

Kramp-Karrenbauer, von der Leyen und Merkel: Warum Feministinnen dieses Bild nicht feiern sollten

Die Szene mit den drei mächtigen CDU-Politikerinnen im Schloss Bellevue hat ikonischen Charakter. Doch der Schein trügt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Anna Sauerbrey

Das Bild ist heute auf den meisten Titelseiten, es war in allen Abendnachrichten, und ja, es ist historisch, HISTORISCH! Im Schloss Bellevue hat gestern Berlins Regierender und Vizepräsident des Bundesrates Michael Müller in Vertretung des Bundespräsidenten eine neue Verteidigungsministerin ernannt und eine ins Amt der Europäischen Kommissionspräsidentin entlassen, in Anwesenheit der Bundeskanzlerin. In-In-In.

Drei Frauen, DREI Frauen, drei FRAUEN. Die drei mächtigsten Frauen Deutschlands, schrieb einer auf Twitter. Ist denn heute Frauentag, eine andere.

„So haben wir uns das Ende des Patriarchats aber nicht vorgestellt“, titelt die „taz“ heute, wie immer genial, in Anspielung darauf, dass im Bild drei konservative Frauen zu sehen sind (und ja, liebe SPD, peinlich, oder?).

Historisch ja, aber...

Historisch ist das Bild, sicher. Irgendwie. Aber muss man das jetzt feiern? Nützt es der Sache, den Moment zu betonen – oder wäre es besser so zu tun, als sei das alles ganz normal? Ist man als Feministin jetzt sozusagen von Amts wegen verpflichtet, davon Notiz zu nehmen, in Triumphgeheul auszubrechen und sich ein Piccolöchen hinter die Binde zu kippen (oder besser, wie man das als Frau von Welt heute eher so macht, ein IPA)?

Muss man nicht. Im Gegenteil. Der Fokus darauf, dass gestern im Schloss Bellevue drei Frauen im Mittelpunkt standen, verstellt den Blick eher, als dass er ihn weitet

In vielen Ländern dieser Erde ist das noch nicht möglich und wäre auch bei uns vor nicht allzu langer Zeit undenkbar gewesen. Ich finde man kann das nicht genug wertschätzen. Also doch: ich freue mich!

schreibt NutzerIn spazierengehen

Einerseits bleibt jede Frau, die neu in ein hohes Amt kommt, ein willkommener Anlass auf das Besondere, Außernormale dieses Faktums hinzuweisen. Darauf, dass da in diesem Augenblick zwar drei Frauen sitzen, dass Frauen aber weiter in Spitzenpositionen in Wirtschaft und Politik unterrepräsentiert sind, weniger verdienen, Sie wissen schon, und des Weiteren auf all die Dinge zu verweisen, die nötig wären, um diese Art Augenblicke zukünftig zu ent-historisieren, sie wahrhaft zur Normalität werden zu lassen.

Es läge nahe, nach dem Sexismus in den Reaktionen zu suchen

Es läge auch nahe, nach dem Sexismus in den Reaktionen zu suchen. Wenn sich jetzt enttäuschte Bundeswehrangehörige und Verteidigungsexperten auf Twitter nach einem „Gedienten“ statt einer weiteren Zivil-Nulpe sehnen, hat das auch eine sexistische Komponente.

Die Bundeswehr ist neben Nerd-Zirkeln, Rockerbanden und Modelleisenbahnclubs eine der letzten Männerdomänen, und die Forderung, nur ein Gedienter könne Verteidigungsminister werden, schließt Frauen faktisch aus, sind doch bis heute gerade einmal zwölf Prozent der Bundeswehrangehörigen weiblich, ein ziemlich magerer Aufwuchs seit 2001 – was die Wahrscheinlichkeit, dass aus den Reihen der Soldatinnen eine Verteidigungsministerin hervorgeht natürlich erheblich verringert.

Aber führt das wirklich weiter, die kleinen Schritte zu feiern, um die düstere Normalität zu betonen?

Der Blick auf die machtpolitische Intelligenz der drei Frauen würde verstellt

Im Gegenteil. Die Betonung des Besonderen mit Verweis auf den Alltag verstellt den Blick auf eine andere Normalität – nämlich auf die Selbstverständlichkeit, mit der diese drei Frauen gern als „männlich“ kategorisierte Machtpraktiken angewandt haben, um dorthin zu kommen, wo sie sind. Ursula von der Leyen hat in den vergangenen Tagen eiskalt kalkulierend eine Hochrisikostrategie gefahren, um die Kommissionspräsidentschaft zu erringen: der Verzicht auf das Sicherheitsnetz Verteidigungsministerium, eine Rede gegen die Rechten im Europäischen Parlament, um weitere sozialdemokratische und liberale Stimmen zu gewinnen und um den möglichen Triumph zu vergrößern.

Das war auf Alles-oder-Nichts gespielt. Was für eine coole Socke, die Frau! Und AKK? Wagt den Ausfall aus der zunehmend feindlichen Ummauerung des Konrad-Adenauer-Hauses. Nein. Angela Merkel, Annegret Kramp-Karrenbauer und Ursula von der Leyen entlarven die Erzählung vom „typisch Weiblichen“, vom kategorischen Anderssein der Frau, als Mythos. Sie nun wieder – und sei es im Zuge eines ausgiebigen feministischen Triumphgeheuls - zurück in die Kategorie „Frau“ zu drängen, würde diese Normalität künstlich überblenden und wäre letztlich ein Rückschritt.

Gute Politik sollen sie machen

Betrachtet man die Szene vom Mittwoch vor allem durch die Außergewöhnlichkeitsbrille, kommt es zum „Framing“, wie man als politikwissenschaftlich Halbgebildete/r heute gern sagt. Man gibt dem ganzen einen Interpretationsrahmen, der die Ausdeutung bestimmt, der aber auch schnell vereinfachend wirken kann und den Blick auf andere mögliche Interpretationen verstellt.

Interessanter als der mögliche unterschwellige Sexismus in der Kritik an der nicht gedienten Verteidigungsministerin ist die legitime Frage, wie sehr eine (wahrscheinlich) Kurzzeitamtsinhaberin dem Amt schaden könnte. Interessanter als die Tatsache, dass es sich um drei Frauen handelt, ist die Frage, welche politischen Taktiken sie fahren – und vor allem, ob sie in ihren jeweiligen neuen Ämtern gute Politik machen werden. Darauf, dass dem so sein möge, tatsächlich ein Piccolöchen.

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