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US-Flugzeugträger. Mit Seemanövern versuchen die USA und der Iran seit Monaten, sich gegenseitig militärisch zu beeindrucken. Foto: Reuters

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Iran und Israel: Kriegsangst am Persischen Golf

Wer greift zuerst an? Der Iran? Oder Israel? Der Streit um Teherans Atomprogramm schürt Angst, Unruhe, Zwietracht. Dabei verbindet die beiden Staaten nicht nur tiefe Feindschaft – im Gegenteil.

Das Säbelrasseln wird lauter. Mit 25 Kriegsschiffen, 20 000 Soldaten und einer simulierten Landeoperation halten die USA diese Woche ein Mega-Seemanöver an der amerikanischen Ostküste ab. Einen Monat zuvor hatte der Iran in der Straße von Hormus seine Schnellboote, Minenleger und Zerstörer ausschwärmen lassen. Seit die „Washington Post“ in einem Artikel unwidersprochen die Einschätzung des US-Verteidigungsministers Leon Panetta zitierte, Israel werde höchstwahrscheinlich im April, Mai oder Juni gegen die iranischen Atomanlagen losschlagen, herrscht Kriegsangst am Persischen Golf. Vergangenen Freitag stieg Revolutionsführer Ali Chamenei höchstpersönlich beim Freitagsgebet auf die Kanzel, um zum Feldzug gegen Israel aufzurufen. „Das zionistische Regime ist ein Krebsgeschwür in der Region, was herausgeschnitten gehört. Und es wird herausgeschnitten werden“, rief er aus.

Israels Verteidigungsminister Ehud Barak ließ sich mit der Einschätzung zitieren, das Zeitfenster für einen Angriff auf den Iran könne sich im September schließen, weil die Islamische Republik bis dahin alle Atomanlagen tief unter die Erde verlegt habe. Dagegen verdonnerte Regierungschef Benjamin Netanjahu diese Woche sein Kabinett und seine Generalität, mit dem „Gebabbel“ über einen möglichen Angriff aufzuhören. Auch US-Präsident Barack Obama versuchte, seine Bevölkerung zu beruhigen, und versicherte in einem Fernsehinterview, es gebe keine Entscheidung, den Iran zu attackieren. Stattdessen kündigte er eine neue Runde von Finanzsanktionen an, die der Islamischen Republik immer mehr zu schaffen machen. Moskau warnte vor „katastrophalen Konsequenzen“ eines militärischen Vorgehens. Die Europäische Union kündigte an, iranisches Öl zu boykottieren.

Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) in Wien geht davon aus, dass der Iran „genügend Informationen besitzt, um eine funktionsfähige Atombombe zu entwickeln und zu produzieren“. Israels Mossad ist überzeugt, dass Teheran das Material für vier Sprengköpfe hat. Dagegen glauben US-Geheimdienstexperten nach Informationen der „Washington Post“ nicht, dass der Iran bereits entschieden hat, die Bombe zu bauen. Die Führung wolle vielmehr die technische Kapazität fertig zur Hand haben, um das Waffenprojekt gegebenenfalls schnell umsetzen zu können. Ende Januar wurden die IAEO-Kontrolleure nach langer Pause wieder ins Land gelassen, die umstrittenen Zentrifugen jedoch bekamen sie nicht zu sehen. Jetzt ist eine zweite Visite für den 20. Februar terminiert.

Unbestritten ist jedoch, dass die Islamische Republik mit Hochdruck daran arbeitet, Teile ihrer Urananreicherung von Natanz in der neuen Anlage in Fordow nahe der Stadt Qom zu verstecken. Die Räume liegen 90 Meter tief unter dem Felsen, ihnen können selbst die schwersten Bomben nichts mehr anhaben. Gleichzeitig steht mit Syriens Präsident Baschar al Assad der wichtigste Verbündete und Hisbollah-Sponsor vor dem Fall. Ein Ende des Baath-Regimes könnte das Machtgefüge in der Region auf den Kopf stellen – und in Israel die Entscheidung auslösen, die regionalen Wirren zu nutzen, um endlich militärisch gegen Teheran vorzugehen.

Und so wächst auch im Iran die Angst. Die heimische Währung schlägt solche Kapriolen, dass Geschäftsleute nicht mehr wissen, wie sie ihre Preise kalkulieren sollen. Der internationale Geldtransfer ist so schwierig geworden, dass Unternehmer mittlerweile mit Koffern voller Dollar zu ihren Lieferanten fliegen müssen, um die Waren zu bezahlen. Wer kann, kauft Devisen auf dem Schwarzmarkt und hortet Lebensmittel.

Und trotzdem verbindet Israel mit dem Iran nicht nur tiefe Feindschaft. Auf iranischem Boden lebt die größte jüdische Minderheit im Nahen Osten, insgesamt 25 000 Menschen. Allein Teheran hat elf Synagogen sowie Hebräisch-Schulen, eine jüdische Bibliothek mit 20 000 Titeln, zwei koschere Restaurants, ein jüdisches Krankenhaus sowie ein Altersheim und einen jüdischen Friedhof. Iranische Juden reisen via Türkei mit speziellen Papieren zu ihren Angehörigen in Israel, wo rund 250 000 Einwanderer persischer Herkunft leben – die meisten stolz auf ihre Wurzeln. „Wir sind keine geborenen Feinde, und es gibt keinen Grund, in Feindschaft zu verharren“, erklärte Israels Präsident Schimon Peres diese Woche in seiner Festrede zum 63. Jahrestag der Knesset und fügte an die Adresse des iranischen Volkes hinzu: „Erlaubt nicht, dass die Fahnen der Zwietracht dunkle Schatten werfen auf euer historisches Erbe.“

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