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Vor allem Brennpunktschulen sollen mehr Förderung erhalten.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Kultusministerkonferenz in Berlin: Bund und Länder nähern sich bei Startchancenprogramm an

Zwei Tage lang kommt die Kultusministerkonferenz in Berlin zusammen. An Themen mangelt es nicht.

An Themen für die Kultusministerkonferenz (KMK), die ab Donnerstag noch einmal zwei Tage vor der Sommerpause tagt, mangelt es nicht: Es gibt wenig Gutes, was man derzeit aus deutschen Schulen hört.

Der Mangel an Lehrkräften ist eklatant und soll in der Zukunft noch zunehmen. KMK-Prognosen rechnen damit, dass bis 2035 etwa 20.000 Lehrkräfte fehlen. Jüngst brachte eine Studie zutage, dass rund jede vierte Schulleitung ihren Beruf verlassen will, wegen überbordender Arbeitszeiten, Überforderung, der ständigen Erreichbarkeit.

Zustände, unter denen mutmaßlich auch die Schülerschaft leidet: Aus der im Mai veröffentlichten neuen IGLU-Studie geht hervor, dass ein Viertel der Viertklässler in Deutschland die Mindeststandards beim Lesen verfehlt – ein erneuter Tiefpunkt.

Außerdem sind die Leistungsunterschiede zwischen leistungsstarken und leistungsschwachen Kindern hoch. Bestätigt wurde ein altbekannter Befund: Kinder aus privilegierten Elternhäusern haben größere Chancen auf Bildungserfolg als andere Kinder. 

Rund 4000 Schulen sollen von dem Programm profitieren

So kommt es nicht überraschend, dass im Fokus der Konferenz eines der großen Vorhaben der Ampelkoalition stehen wird: das Startchancen-Programm zur Förderung von Schulen in schwieriger Lage. Eine Milliarde Euro pro Jahr über eine Laufzeit von zehn Jahren will die Koalition investieren.

Rund 4000 Schulen sollen von dem Programm profitieren. Im aktuellen Konzeptpapier des Bildungsministeriums heißt es, 60 Prozent davon sollten Grundschulen sein. Das Problem: Darüber, wie das Geld eingesetzt werden soll, sind sich Bund und Länder uneins. Monatelang war die Stimmung zwischen den beiden Parteien frostig.

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger möchte das Geld danach verteilt sehen, wie viele Kinder mit nicht-deutscher Familiensprache und wie viele armutsgefährdete Kinder in einem Bundesland leben. Außerdem soll es berücksichtigt werden, wenn Länder ein besonders niedriges Bruttoinlandsprodukt haben. Die Länder hingegen wollten bislang, komme was wolle, dass das Geld zu 95 Prozent nach dem Königsteiner Schlüssel, also nach Einwohnerzahl und Finanzkraft, verteilt wird.

Der Effekt wäre genau umgekehrt: Besonders reiche Länder würden profitieren, ein Land wie Bayern etwa würde sehr viel Geld bekommen – ohne es wirklich zu benötigen. In einer aktuellen Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) wurden erstmals für alle deutschen öffentlichen Schulen mit einem Grundschulteil die Kinderarmutsquoten für die Grundschuleinzugsgebiete berechnet. So konnte bestimmt werden, wo in Deutschland die Schulen mit den höchsten Kinderarmutsquoten verortet sind.

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Die anteilig meisten Schulen mit einer hohen Kinderarmutsquote befinden sich in Nordrhein-Westfalen und den drei Stadtstaaten. Die wenigsten befinden sich in Bayern und Baden-Württemberg.

Länder sprechen sich für eine Verteilung über den Königsteiner Schlüssel aus

Ginge es nach dem Bund, würden Bayern und Baden-Württemberg nur einen Bruchteil der Mittel erhalten, die Schulen in Bremen, Berlin, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt hingegen deutlich stärker profitieren. Die Berechnungen zeigen aber auch, dass Schulen in größeren Städten deutlich stärker profitieren würden als auf dem Land.

Eine Zuweisung der Startchancenmittel nach Königsteiner Schlüssel oder nach Schülerzahl der Bundesländer sei der Problemstellung nicht angemessen, meinen die Autor:innen der Studie. Die Länder scheinen sich zu bewegen: „Wir sind bereit, an der 95-5-Lösung noch mal zu drehen, solange der Bund auch ein paar Schritte auf uns zugeht“, sagte KMK-Präsidentin Katharina Günther-Wünsch (CDU) im Interview mit Table Media.

„Eine evidenzbasierte Mittelverteilung ist zentral für den Erfolg des Startchancen-Programms, mit dem gezielt Schulen in besonders herausfordernden Lagen gefördert werden“, sagte Nina Stahr, bildungspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, dem Tagesspiegel.

Die Mittelverteilung müsse anhand sozialer Kriterien erfolgen und nicht nach dem Königsteiner Schlüssel. Stahr begrüße die ersten vorsichtigen Zeichen einer Annäherung zwischen Ländern und Bundesbildungsministerium. Doch sie übt auch Kritik an der Arbeit der Ministerin: 100 Tage nach dem Bildungsgipfel sei die Bilanz des BMBF noch nicht zufriedenstellend, sagte sie am Mittwoch.

Die im Koalitionsvertrag vereinbarte gemeinsame Arbeitsgruppe von Bund, Ländern und Kommunen sei immer noch nicht eingesetzt. „Vom Besuch der Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger bei der KMK diese Woche erwarten wir hier endlich ein Vorankommen.“

Ria Schröder, bildungspolitische Sprecherin der FDP, wird noch deutlicher. „Das Prinzip Gießkanne hat uns erst in die Situation geführt, in der wir uns heute befinden.“ Sollte die KMK weiter am Königsteiner Schlüssel festhalten, werde das Startchancen-Programm nicht kommen. Der Bund könne und dürfe nur an gezielten Stellen unterstützen, sagte sie dem Tagesspiegel.

Für Heinz-Peter Meidinger, den Vorsitzenden des Deutschen Lehrerverbands, steht bei der Konferenz die Ausbildung der Lehrkräfte im Vordergrund. „Da erwarten wir schon ein klares Statement gegen die Vorstöße einzelner Bundesländer, die Qualitätsstandards bei der Lehrerbildung massiv abzusenken“, sagte er dem Tagesspiegel.

Was das Startchancenprogramm angeht, plädiert er für eine schnelle Einigung. „Für uns ist vor allem wichtig, dass es bald kommt und weniger, ob jetzt fünf oder zehn Prozent außerhalb des Königsberger Schlüssels verteilt werden.“ Niemand habe dafür Verständnis, wenn Streitigkeiten zwischen Bund und Ländern den Start weiter verzögerten.

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