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Zeitenwende: Für Bayerns Landtagspräsidentin Barbara Stamm ist nach 42 Jahren kein Platz mehr im Maximilianeum.

© Peter Kneffel/dpa

Landtagswahl in Bayern: Barbara Stamm: Bitterer Abschied nach 42 Jahren

Sie war über Jahrzehnte das sozialpolitische Gewissen der CSU. Nun hat es Landtagspräsidentin Barbara Stamm nicht mehr ins Maximilianeum geschafft.

Sie hat es nochmal wissen wollen, nach sage und schreibe 42 Jahren im Maximilianeum. Allerdings unter etwas gewagten Bedingungen: Landtagspräsidentin Barbara Stamm hatte diesmal keinen eigenen Stimmkreis, sie kandidierte lediglich auf der unterfränkischen CSU-Liste. So wurde die 73-Jährige nun zum prominentesten Opfer des Wahldesasters ihrer Partei. Die ausgewiesene Sozialpolitikerin aus Würzburg schaffte es trotz all ihrer Beliebtheit – in Umfragen ließ sie diesbezüglich das komplette CSU-Personal regelmäßig weit hinter sich – nicht mehr in den bayerischen Landtag.

Das Ausscheiden der Würzburgerin symbolisiert die Zeitenwende für die CSU wie keine andere Personalie. Letztlich resultierte Stamms Niederlage aus einem doppelten Umstand. Dass die Christsozialen insgesamt weit schlechter als bisher abschnitten. Und dass sie sich im ländlichen Bayern dennoch wieder sehr viele Direktmandate sichern. Als Folge davon erhalten diesmal nur die 85 direkt gewählten CSUler einen Sitz im Maximilianeum. Und die "Mutter des Landtags", die manche gerade in den vergangenen Monaten als wohltuendes Gegengewicht zu Ministerpräsident Markus Söder empfunden hatten, ist nicht mehr darunter. Ihre Nachfolgerin soll nun die Bezirksvorsitzende von Oberbayern und bisherige stellvertretende Regierungschefin, Ilse Aigner, werden.

Schon Erfahrung mit Niederlagen

Dabei hätte die Landtagspräsidentin, die bis Dezember 2017 als Vize-Vorsitzende ihrer Partei agierte und auch noch in die Sondierungen zur Jamaika-Koalition in Berlin eingebunden war, eine weitere Legislatur gereizt. „Ein Parlament nach außen darzustellen, das eines Parlaments würdig ist, das hätte ich gerne nochmal angenommen“, sagte sie am Wahlabend. "In schwierigen Zeiten geht man nicht von Bord", lautete ihre Devise.

Allerdings hat die Mutter von drei Kindern auch Erfahrung mit Niederlagen. „Ich weiß, wie es einem geht, der am Boden liegt", hat Barbara Stamm einmal gesagt. 1990 beispielsweise wollte sie in Würzburg Oberbürgermeisterin werden und schaffte es trotz ihres Bonus als Staatssekretärin nicht mal in Stichwahl. 2001 wurde sie von Edmund Stoiber gezwungen, wegen des BSE-Skandals als Gesundheits- und Sozialministerin zurückzutreten.

Zuletzt deutlich auf Distanz zu Seehofer

Im heftigen Nachfolge-Gerangel zwischen Söder und seinem Amtsvorgänger Horst Seehofer schlug sich Barbara Stamm noch vehement auf die Seite des Parteichefs - kein Wunder fühlte sie sich doch wie dieser der christlichen Soziallehre verpflichtet. Legendär schon fast die Szene nach einem Showdown in der Fraktion, wo sie von Seehofer so gedrückt wurde, dass ihr die Brille zerbrach. Den Söderisten warf sie vor, den „menschlichen Aspekt“ zu vernachlässigen.

Allerdings konnte und wollte sie Seehofers Kurs zuletzt nicht mehr folgen. Sie habe intern immer „angemahnt, dass wir rechts gar nicht so viel gut machen können, wie wir in der Mitte verlieren“, resümierte die CSU-Politikerin nach der Wahlniederlage bitter. Man habe die mahnenden Stimmen von ihr und anderen, „vor allem auch vieler starker Frauen“, in den Gremien aber leider oft nicht hören wollen. Auch wahltaktisch sei das ein Fehler gewesen: Mit dem „Pfund“ christlich-sozialen Engagements auch und gerade in der Flüchtlingspolitik hätte man aus ihrer Sicht „wuchern können“.

Schwarz-Grün schon in der Familie

Ironie der Bayernwahl: Ausgerechnet diejenige, die vor dem Rechtsruck der CSU gewarnt hat, muss für diesen Richtungswechsel ihrer Partei nun mit dem Landtagsmandat bezahlen. Die bayerische Politik wird fraglos ärmer ohne Barbara Stamm. Nicht nur, weil sie das sozialpolitische Gewissen ihrer Partei verkörperte. Die Würzburgerin lieferte auch schon ganz privat einen Vorgeschmack auf eine Koalition, die nun wohl doch nicht kommt: Ihre Tochter Claudia saß acht Jahre lang für die Grünen im Maximilianeum.

Am meisten aber dürfte die resolute Wahlverliererin eines wurmen: Ausgerechnet jetzt, wo sich mit der AfD erstmals Rechtsextremisten im bayerischen Landtag breit machen, darf sie dort nicht mehr über demokratische Spielregeln wachen.

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