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Winfried Kretschmann und Horst Seehofer.

© dpa

Landtagswahlen mit Folgen: Wie Winfried Kretschmann bei den Schwarzen landete

Es wird immer bunter: Der baden-württembergische Regierungschef sitzt jetzt in der Koordinierungsrunde der Unions-Ministerpräsidenten. Und die FDP darf wieder im Bundestag mitmischen. Ein bisschen wenigstens.

Er hat im Landtag nicht alle Stimmen seiner neuen Koalition bekommen. Aber das war nur ein kleiner Makel, er bist morgen vergessen. Winfried Kretschmann führt nach dem Sieg der Grünen bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg am 13. März jetzt fünf Jahre lang die erste grün-schwarze Koalition in den Ländern. Auch in Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt hat sich nach den Wahlen im März Bemerkenswertes getan: Malu Dreyer sitzt in Mainz einer Ampel-Koalition vor, Reiner Haseloff leitet in Magdeburg ein schwarz-rot-grünes Bündnis, ein Phänomen, das man Kenia-Koalition nennt und das man noch vor wenigen Wochen kaum für möglich gehalten hätte.
Diese neuen Konstellationen haben natürlich auch Auswirkungen auf der Bundesebene, also im politischen Berlin. Es kommt immer bunter im Bundesrat. Mit Grün-Schwarz, Rot-Grün-Gelb und Schwarz-Rot-Grün sind weitere Komponenten in der Länderkammer vertreten, es gibt dort jetzt sieben Koalitionsvarianten, plus die CSU-Alleinregierung. Eine irgendwie geartete Mehrheit gibt es dagegen nicht mehr, was bedeutet, dass der Bundesrat zu einem schwierigen Terrain geworden ist. Es muss jetzt noch mehr koordiniert und vorbesprochen und abgewogen werden. Jetzt komme die Phase der „ganz, ganz großen Koalition“, sagt einer aus der SPD, der in diesem komplexen Prozess eine zentrale Rolle spielt.

Alles wird schwieriger

Weil aber alles schwieriger wird, dürfte der Bundesrat noch mehr als bisher schon durch die Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) als Entscheidungsgremium verdrängt werden. Genauer gesagt: durch die MPK, die sich nach getaner Vorbereitung mit der Kanzlerin und ihren zuständigen Ministern trifft. Diese Gipfel im Kanzleramt sind zum eigentlichen Regierungsorgan der Bundesrepublik geworden. Am Donnerstagabend beschäftigte sich die Runde mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, Ende Mai werden es die Flüchtlingskosten und die Integration sein, Mitte Juni ist es vielleicht der Finanzausgleich. Normale Bundesratsverfahren werden somit häufiger ausgehebelt, der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat hat praktisch ausgedient, er ist seit der Wahl 2013 nur ein einziges Mal getagt.

Rübergemacht

Kretschmann ist in diesem neuen Regierungssystem kein ganz unwesentlicher Akteur. Er ist der führende Grüne, und die Grünen regieren in zehn Ländern mit. Das ist eine gewisse Macht. Andererseits hat er in Stuttgart mit den Schwarzen zu tun. Und deswegen hat er jetzt die Seiten gewechselt. In der MPK wird das große Plenum in Parteirunden vorbereitet. Bisher saß der Baden-Württemberger mit seinen Kollegen von der SPD zusammen (plus Bodo Ramelow, dem ganz Linken). Aus der Runde hat sich Kretschmann kürzlich artig verabschiedet. Künftig sitzt er in der Vorbereitungsrunde der schwarzen Ministerpräsidenten. Also an einem Tisch mit bei Horst Seehofer, Volker Bouffier, Stanislaw Tillich, Annegret Kramp-Karrenbauer, Reiner Haseloff. Das ist nicht völlig abwegig, aber ein wenig verdutzt waren sie schon in der SPD (und bei den Grünen gab es mutmaßlich auch einige Irritierte). Vielleicht hat Kretschmann bei den Unionisten ja auch einfach mehr zu sagen. Immerhin ist die schwarze Runde deutlich kleiner als die rote. Aber es ist schon so: Die alten Lagerordnungen lösen sich gerade auf. Weshalb ja die FDP sich auch getraut hat (oder sich zu trauen zwang), weiter links anzudocken in Rheinland-Pfalz. Mit der Folge, dass sie nun auch wieder im Bundestag mitmischen darf. Theoretisch jedenfalls. Denn Bundesratsmitglieder haben dort nach Artikel 43 des Grundgesetzes ein Rederecht, und zwar jederzeit. Zwar sollen sie streng genommen nur fürs Land reden, aber wenn der rheinland-pfälzische Wirtschaftsminister Volker Wissing dabei FDP-Positionen einfließen lassen würde, wer könnte es ihm verwehren? Ob Wissing tatsächlich die Möglichkeit nutzt, wie oft er das tut - wer weiß? Aber im Bundestag überlegen sie angeblich schon, welcher Fraktion dann die Redezeit des Freidemokraten abgezogen wird, wie das ansonsten üblich ist. Unser Vorschlag: Die FDP bekommt ein Zukunftskonto. Falls sie es dann 2017 in den Bundestag schafft, werden ihr Wissings Redezeiten in den ersten Debatten abgezogen.

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