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Politik: Lehrgeld rettet die Reform

Föderalismus: Länder geben nochmals nach, Beck und Struck machen Druck auf SPD-Fraktion

Berlin - Als die SPD-Bundestagsfraktion am Montagabend zu ihrer Sondersitzung über die Föderalismusreform zusammenkam, waren Zuckerbrot und Peitschenhiebe schon verteilt. Das Zuckerbrot bestand in einem im Lauf des Tages vereinbarten weiteren Entgegenkommen der Länder bei der Bildungspolitik – der Bund darf nun auch die Lehre an den Hochschulen mitfördern. Die Peitsche gegen die Reformkritiker in den eigenen Reihen hatte das SPD-Parteipräsidium geschwungen. Dort machten Parteichef Kurt Beck und Fraktionschef Peter Struck am Morgen klar, dass eine Verweigerung der Zustimmung durch Teile der Fraktion am kommenden Freitag eine schwere Belastung der großen Koalition bedeuten würde. Auch von einem Bruch des Koalitionsvertrags war die Rede. Die Parteispitze machte Druck auf die Abgeordneten: „Das Präsidium empfiehlt einstimmig der Bundestagsfraktion, die Föderalismusreform im Bundestag zu beschließen“, sagte SPD-Generalsekretär Hubertus Heil. Der Staat müsse beweisen, „dass er selbst reformfähig ist und nicht nur von den Bürgern Reformfähigkeit erwartet“. Kanzlerin Angela Merkel sagte: „Ich hoffe, dass auch die Sozialdemokraten einsehen, dass dieses Projekt auf keinen Fall gefährdet werden darf.“

Der Widerstand in der SPD-Fraktion – bis zu 60 Abgeordnete galten zuletzt als scharfe Kritiker des Pakets – hatte am Sonntagabend zu einem harten Ringen im Koalitionsausschuss geführt. Mit Blick auf die gefährdete Zwei-Drittel-Mehrheit setzte Struck der Unionsseite die Pistole auf die Brust. Tenor: Entweder sie gäbe im Hochschulbereich nach – „oder es gibt diese Reform nicht“. Teilnehmern zufolge kam es daraufhin zu lautstarken Auseinandersetzungen in der Runde. Die Unionsseite lenkte nicht sofort ein, sondern knüpfte die verlangten Zugeständnisse an die einhellige Zustimmung der von ihr regierten Bundesländer. Die erfolgte am Montag. Demnach wird es künftig eine neue Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern geben, die auch die direkte Finanzierung von Projekten in der Lehre an den Hochschulen mit Bundesmitteln möglich macht. In Länderkreisen wurde darauf hingewiesen, dass es eigentlich Ziel der Reform gewesen sei, Gemeinschaftsaufgaben abzubauen.

Gegen die nun vorgeschlagene Lösung hatten sich vor allem die Unionsländer gesperrt. Allerdings wird im Grundgesetz in Artikel 91b künftig verankert, dass Zuschüsse des Bundes für wissenschaftliche Projekte an die Zustimmung aller Länder gebunden sind. Damit hat jedes einzelne Land ein Vetorecht. Neu ist, dass dieses Einstimmigkeitsprinzip bei „der Förderung von Vorhaben der Wissenschaft und Forschung an Hochschulen“ nun Verfassungsrang bekommt. Die direkte Förderung einzelner Hochschulen mit Bundesmitteln ist damit ausgeschlossen. Zudem gilt als ausgeschlossen, dass damit in die Personalstruktur der Hochschulen eingegriffen werden kann, wie beispielsweise mit der bundesweit einheitlichen Einführung der Juniorprofessur, die 2002 am Bundesverfassungsgericht scheiterte.

Die Kritiker in der SPD-Fraktion begrüßten das Entgegenkommen in der Hochschulpolitik. „Die Chancen auf eine Zweidrittelmehrheit sind damit gestiegen“, sagte die Sprecherin der ostdeutschen SPD-Abgeordneten Andrea Wicklein vor der Sondersitzung. Der konservative Seeheimer Kreis und die SPD-Netzwerker kündigten ihre Unterstützung an, Parlamentarische Linke würdigte die Änderung als wichtigen Schritt. Bildungsexperte Jörg Tauss signalisierte ebenfalls Zustimmung, obwohl das Paket seiner ursprünglichen Forderung nach einer Aufhebung des Kooperationsverbots auch im Schulbereich nicht Rechnung trägt. Struck sagte am Rande der Sondersitzung, er rechne damit, dass die Koalition die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit aus eigener Kraft aufbieten könne. Zuvor hatte der SPD-Fraktionsvorstand die Koalitionseinigung bei zwei Enthaltungen und drei Gegenstimmen gebilligt. Im Fraktionsvorstand warnte Struck, die SPD stehe als Reformverhinderer da, falls die Zwei-Drittel-Mehrheit an ihr scheitere. Die Fraktion stimmt auf ihrer regulären Sitzung an diesem Dienstag über die Reform ab. Schon in der Vorwoche waren die Länder der SPD-Fraktion entgegengekommen, etwa in der Umweltpolitik. So wird es beim Abfallrecht eine Lösung geben, die Forderungen der Bundespolitiker aufnimmt.

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