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Bundesfinanzminister Christian Lindner.

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Lindners Abgeordneten-Immunität: Generalstaatsanwältin verteidigt Mitteilung an die Presse

Die FDP wirft Generalstaatsanwältin Margarete Koppers Rechtsbruch vor und fordert ihre Entlassung. Berlins Justizsenatorin Kreck wusste von nichts.

Berlins Generalstaatsanwältin Margarete Koppers hat Vorwürfe zurückgewiesen, sie habe die Presse zu Unrecht über eine Vorprüfung bezüglich der Abgeordneten-Immunität von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) informiert. Grundlage für die Mitteilung sei Paragraf vier des Berliner Pressegesetzes gewesen, der Behörden auf Anfragen der Presse zur Auskunft verpflichtet.

Ein entsprechendes Auskunftsersuchen des Tagesspiegels sei rechtlich geprüft worden, erklärte ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft. Zum genauen Inhalt dieser Prüfung wolle man sich derzeit nicht äußern, auch nicht zur Kritik. „Wir haben die Vorwürfe bewertungsfrei zur Kenntnis genommen“, hieß es.

Wie berichtet, hatte die Generalstaatsanwaltschaft im Hinblick auf ein mögliches Strafverfahren wegen Vorteilsannahme gegen Lindner mitgeteilt, dass eine „übliche“ Vorprüfung zur Immunität Lindners laufe. Eine Aussage über das Vorliegen eines Anfangsverdachts werde damit nicht getroffen.

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Strafverfahren gegen Parlamentarier müssen beim Bundestag angemeldet werden

Staatsanwaltschaften haben die im Grundgesetz verankerte Immunität zu beachten, wenn sie gegen Parlamentarier ermitteln wollen. Diese wird zwar zum Beginn jeder Legislaturperiode pauschal aufgehoben. Es bleibt jedoch die Pflicht, beabsichtigte Strafverfahren beim Bundestag anzumelden, der dann über das weitere Verfahren entscheiden kann.

Der FDP-Abgeordnete und Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki hatte die amtliche Mitteilung als „politische Charakterlosigkeit und eine erhebliche Persönlichkeitsrechtsverletzung sondergleichen“ bezeichnet. Er fordert, die Berliner Justizsenatorin Lena Kreck (Die Linke) solle zurücktreten, mindestens aber Koppers aus ihrem Amt entlassen.

Kreck selbst wusste von nichts. Sie habe von dem Verfahren erst am 8. Januar aus der Berichterstattung des Tagesspiegels erfahren, sagte eine Sprecherin. „Die Justizverwaltung war an einer Entscheidung über die Auskunft in keiner Weise beteiligt.“ Koppers Behörde wiederum erklärte, aufgrund des „Sachstands der Vorprüfung“ habe keine Veranlassung bestanden, die Senatorin zu benachrichtigen.

Berlins Generalstaatsanwältin Margarete Koppers weist die Vorwürfe der FDP zurück.
Berlins Generalstaatsanwältin Margarete Koppers weist die Vorwürfe der FDP zurück.

© picture alliance/dpa/Christophe Gateau

Zur Begründung seiner Kritik verwies Kubicki auf einen Beitrag des Kölner Rechtsanwalts Christian Conrad auf dem Internetportal „Legal Tribune Online“. Der Jurist unterstützt Kubickis Vorwürfe ausdrücklich. Die Mitteilung der Generalstaatsanwaltschaft dürfte sich „gleich aus mehreren Gründen als rechtswidrig erweisen – insbesondere zu diesem frühen Verfahrensstadium“. Lindner hätte vor der Mitteilung zumindest angehört werden müssen.

Außerdem, so Conrad, dürfe eine Staatsanwaltschaft die Öffentlichkeit „erst dann unter Namensnennung über ein Ermittlungsverfahren unterrichten, wenn sich der zugrunde liegende Tatverdacht bereits einigermaßen erhärtet hat“. Hier hätten sich die Ermittler klar rechtswidrig verhalten, da „nicht einmal ein Anfangsverdacht bejaht wurde“. Es fehle am nötigen „Mindestbestand an Beweistatsachen“.

Es ist allerdings möglich, dass diese Darlegungen nicht sämtliche relevanten Aspekte des Falls behandeln. Denn in den vom Anwalt genannten Gerichtsentscheidungen geht es eher um die proaktive Öffentlichkeitsarbeit von Staatsanwaltschaften, weniger um die spezifische Reichweite des presserechtlichen Auskunftsanspruchs. Ob dieser einschlägig ist, setzt stets eine Abwägung im Einzelfall voraus.

Die Justizverwaltung war an einer Entscheidung über die Auskunft in keiner Weise beteiligt. 

Eine Sprecherin von Justizsenatorin Lena Kreck (Die Linke)

Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht im Jahre 2018 nach einer Klage des Tagesspiegels entschieden, dass „parlamentarische Angelegenheiten“ wie das Immunitätsverfahren bei strafrechtlichen Ermittlungen gegen Abgeordnete generell nicht vom Presse-Auskunftsanspruch umfasst sind (Az.: 7 C 6.17).

Die gilt jedoch nur für die Auskunftspflicht der Bundestagsverwaltung. Solange die Verfahren dazu bei Staatsanwaltschaften angesiedelt sind, handelt es sich um Verwaltungstätigkeiten, die auf Anfrage grundsätzlich transparent gemacht werden müssen.

Ein weiteres Indiz sind die „Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV)“. Das sind Verwaltungsvorschriften für die Staatsanwaltschaften, die das Strafprozessrecht ergänzen. Das Vorgehen bei den sogenannten Immunitätsfällen ist darin kleinteilig geregelt.

„In jedem Stadium des Verfahrens ist bei Auskünften und Erklärungen gegenüber Presse, Hörfunk und Fernsehen der Funktionsfähigkeit und dem Ansehen der betreffenden gesetzgebenden Körperschaft Rechnung zu tragen“, heißt es unter anderem. Bereits daraus ergibt sich, dass es öffentliche Auskünfte zu Immunitätsfällen wie bei Lindner grundsätzlich geben kann.

Auch eine Anhörung Betroffener erscheint nicht zwingend. Sie sei jedenfalls „verfassungsrechtlich nicht geboten“, entschied das Bundesverwaltungsgericht 2021, ebenfalls nach einer Klage des Tagesspiegels (Az: 6 A 10.20). Grund: Eine Pflicht-Anhörung könnte die Erfüllung des Auskunftsanspruchs verzögern.

Im Fall Lindner kommt in der Abwägung neben der Bekanntheit der Person und seinem herausragenden Staatsamt noch ein Weiteres hinzu: Die Generalstaatsanwaltschaft hat hier keine bislang unbekannten Sachverhalte präsentiert, die Linder belasten. Vieles, was für eine mögliche Strafbarkeit sprechen könnte, ist seit Monaten öffentlich, die Verbindung Lindners zur BBBank sogar schon seit Jahren. Neu ist nur, dass sich eine Staatsanwaltschaft für den Fall interessiert.

Damit erscheint offen, ob Koppers durch ihre Auskunft tatsächlich rechtswidrig gehandelt hat – oder ob es umgekehrt rechtswidrig gewesen wäre, wenn ihre Behörde die angefragte Auskunft verweigert hätte. Klären ließe sich die Rechtslage nur durch eine Klage Lindners vor dem Berliner Verwaltungsgericht. Auf Anfragen an seinen Anwalt dazu erfolgte keine Reaktion.      

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