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Der Massenmörder Anders Breivik.

© AFP

Linke kritisieren Sicherheitsbehörden: „Gefahr durch vernetzten Online-Rechtsextremismus unterschätzt“

Halle, Christchurch, München, Utoya: Die Linke wollte wissen, welche Schlüsse die Sicherheitsbehörden aus diesen rechtsterroristischen Attentaten gezogen haben.

Verbote, 600 zusätzliche Stellen und ein intensiverer Blick ins Netz: Der Kampf gegen den Rechtsextremismus solle deutlich verstärkt werden, erklärten Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) vergangene Woche. Gemeinsam mit den Chefs des Bundeskriminalamtes (BKA) und des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) präsentierte er ein Maßnahmenpaket. Die Einsicht komme viel zu spät, kritisierten Oppositionspolitiker. Nach der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken fühlen sich diese nun nochmals in der Auffassung bestätigt, dass besonders das Phänomen des global vernetzten Online-Rechtsextremismus von deutschen Sicherheitsbehörden lange unterschätzt wurde.

Der Hintergrund der Anfrage: Der Täter des Anschlags von Halle war in rechtsextremen Foren im Netz aktiv, kündigte seine Tat kurze Zeit zuvor online an und streamte sie schließlich über die Gaming-Plattform Twitch live ins Netz. Auch die rechtsextremen Attentäter, die in diesem Jahr im neuseeländischen Christchurch und in den US-Städten Poway und El Paso Anschläge verübten, nutzten rechtsextreme Online-Plattformen, um ihre Attentate anzukündigen. In der Anfrage heißt es: „Alle Rechtsterroristen bezogen sich dabei glorifizierend auf den Terroranschlag von Anders Breivik in Oslo/Utoya (Norwegen) im Jahr 2011, bei dem 77 Menschen systematisch getötet wurden“. Seine terroristischen Vorbereitungen und ideologischen Gedanken seien minutiös online dokumentiert.  Bereits der Attentäter vom Münchener Olympia-Einkaufszentrum 2016 habe Breivik zum Vorbild gehabt und vernetzte sich online auf der Gaming-Plattform „Steam“ mit anderen Rechtsterroristen.

„Keine lageverändernden Momente“

Vor diesem Hintergrund wollten die Linken wissen, wie die Gefahreneinschätzung der Bundesregierung und der bundesdeutschen Sicherheitsbehörden nach den verschiedenen terroristischen Attentaten war. In der Antwort heißt es: „Die genannten Ereignisse waren von der Gefährdungsbewertung des BKA umfasst und stellten keine lageverändernden bzw. verschärfenden Momente dar.“ Im BKA seien bezogen auf die genannten Attentate – jenseits der ohnehin dauerhaften Ausbildungsmaßnahmen in dem Bereich – keine spezifischen Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen erfolgt. Zudem hätten die Attentate aus Sicht des BKA bislang keinen Einfluss auf die Personalentwicklung der „Koordinierten Internetauswertung Rechtsextremismus“ (KIA) gehabt. Es werde aber auf die aktuellen Planungen zur Weiterentwicklung des Bereichs „Politisch Motivierte Kriminalität rechts“ verwiesen, die auch eine Stärkung des KIA-Bereiches umfasst.

„Phänomen völlig verkannt“

Die Linken-Politikerin und Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau kritisiert, dass das Gefahrenpotenzial des global vernetzten Online-Rechtsterrorismus von den deutschen Sicherheitsbehörden zum Teil völlig verkannt worden sei. „Weder personell noch strategisch wurden hier die nötigen Konsequenzen gezogen.“ Dabei hätte aus Sicht von Pau spätestens seit dem NSU, dem Bekanntwerden der internationalen Vernetzung von „Blood and Honour“  und „Combat 18“ oder dem Attentat von Anders Breivik klar sein müssen, welche wichtige Rolle die internationale und die online Vernetzung von Rechtsterroristen spielt.

Ähnlich sieht das die Extremismusforscherin Julia Ebner, die undercover in rechtsextremen Online-Netzwerken unterwegs war. Im Interview mit dem Tagesspiegel sagte sie jüngst: „Die Sicherheitsbehörden haben sich auf den islamistischen Terror fokussiert und viel zu wenig Ressourcen darauf verwendet zu verstehen, wie sich die rechtsextremen Onlinenetzwerke bilden und wie sich Menschen dort radikalisieren.“

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