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Ein Foto, ein Verhängnis: Der Syrer Anas Modamani beim Selfie mit der Kanzlerin.

© Fabrizio Bensch / REUTERS

Rechtsverletzungen im Netz: Löschen kann man lernen

Das Urteil zu Facebook-Lügen fällt milde aus. Ausruhen kann sich das Unternehmen darauf nicht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Es ist unwahrscheinlich, dass Facebook-Gründer Mark Zuckerberg der Erfolg seiner Anwälte vor dem Würzburger Landgericht gemeldet wird. Der Herrscher über dieses Imperium mit seinen knapp zwei Milliarden aktiven Nutzern dürfte auf Bedeutenderes fokussiert sein als auf die Ansichten deutscher Richter zum Persönlichkeitsrecht.

Ein Unternehmen wie das Zuckerbergs hat sich im Namen des Gemeinwohls als globales Netzwerk und Multikontaktbörse verselbstständigt. Wer da eine ladungsfähige Anschrift erwartet, kann schnell enttäuscht werden. So enttäuscht wie vermutlich der syrische Flüchtling Anas Modamani und sein Anwalt von dem Richterspruch, mit dem Facebook erstmalig dazu verpflichtet werden sollte, rechtswidrige Inhalte aktiv aus dem Netz zu tilgen.

Leider vergeblich. So ist es mit der Zukunft. Sie ist schon da, nur leider ungleich verteilt, wie der amerikanische Science-Fiction Autor William Gibson uns Gegenwärtigen erklärt hat. Wir Nutzer nutzen, aber wenn andere Nutzer uns schaden, stehen wir dumm da. Andere haben die Zukunft in der Hand. Modamani wurde mit Kanzlerin Merkel fotografiert. Sein Bild muss für allerlei Lügen, Hetze und Verdrehungen herhalten. Trotz Löschungsmühen findet es sich noch immer. Der Vorgang wurde gezielt ausgewählt, um einen Präzedenzfall zu schaffen. Die globale Kommunikation, das soll er zeigen, ereignet sich außerhalb der Reichweite irdischer Gerechtigkeit.

Ein Klick, und alles wäre plötzlich nichts

Doch für ein solches Fazit ist es zu früh. Dem Kläger stehen noch Rechtsmittel zu, er kann seinen Fall zudem noch in einem Hauptsacheverfahren prüfen lassen, das ohnehin der bessere Weg ist, um die Justiz zu grundstürzenden Aussagen zu bewegen. In einem solchen Prozess würde sich wohl auch erweisen, ob Facebook wirklich das Mögliche und Nötige getan hat, um die Lügenbilder zu entfernen – und ob es unzumutbar oder technisch ausgeschlossen ist, eine absolut vollständige Löschung zu verlangen. Hier geht es um Details, die von Fall zu Fall auch in einer Weise abweichen können, dass ein abschließendes Urteil vielleicht sogar weniger Klärung bringt, als es Betroffene derzeit erhoffen.

Einstweilen also kommt Facebook davon. Ausruhen kann sich das Unternehmen darauf nicht. Bei schweren Persönlichkeitsrechtsverletzungen, das findet auch das Würzburger Gericht, kann von einem Kläger wohl kaum verlangt werden, dass er jede Netz-Fundstelle nachweist. Vielmehr muss Facebook dann von sich aus handeln.

Das sollte die Richtschnur sein. Wenn das Unternehmen absehbar keine Gewähr dafür bieten kann, Verleumdungen zu unterbinden, vertreibt es einen jedenfalls für den europäischen Markt untaugliches Produkt. Dass dies einer Millionenschar von Nutzern gleichgültig ist, ändert daran nichts. Die Politik hat sich auch und gerade um diejenigen zu kümmern, für die der Massenaustausch im Netz zur Massen-Rechtsverletzung wird. Wer weiß, vielleicht wandelt sich auch irgendwann das Kundenbewusstsein. Ein Klick, und was bisher alles war, ist plötzlich nichts.

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