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Eine Frau gibt ihre Stimme in einem Wahllokal während eines Stromausfalls bei den Parlamentswahlen im Libanon ab.

© REUTERS/Mohamed Azakir

Mächtige Hisbollah-Partei favorisiert: Libanesen wählen inmitten schwerer Krise ein neues Parlament

Im Libanon wird ein neues Parlament gewählt. Die Wahlbeteiligung unter den 3,9 Millionen Wahlberechtigten dürfte gering ausfallen.

Im Libanon haben die Menschen inmitten der schwersten Krise des Landes seit Jahrzehnten ein neues Parlament gewählt. 3,9 Millionen Wahlberechtigte waren am Sonntag zu dem Urnengang aufgerufen. Ergebnisse wurden erst für Montag erwartet. Trotz der großen Unzufriedenheit in der Bevölkerung zeichnete sich ab, dass die schiitische Hisbollah-Partei - Libanons größte politische und militärische Organisation - und ihre Verbündeten erneut stärkste Kraft werden.

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In den meisten Regionen des Landes war die Wahlbeteiligung zunächst gering, nach Angaben des Innenministeriums lag sie am späten Nachmittag erst bei gut 30 Prozent. Kurz vor der Schließung der Wahllokale am Abend meldeten einige Regionen aber noch einen größeren Andrang. Libanesische Medien berichteten von Stromausfällen in mehreren Wahllokalen. Energiemangel ist ein alltägliches Problem im Libanon, das Innenministerium hatte aber eine ununterbrochene Stromversorgung der Wahllokale zugesichert.

Berichte über gewaltsame Zwischenfälle

Aus den Hochburgen der Hisbollah wurden mehrere gewaltsame Zwischenfälle gemeldet. Die Nichtregierungsorganisation Vereinigung für demokratische Wahlen teilte mit, mehrere ihrer Mitglieder seien in Wahllokalen angegriffen worden, einige von ihnen in der Bekaa-Region, wo die Hisbollah besonders stark ist. Aus derselben Region meldete die christliche Partei Libanesische Kräfte, dass mehrere ihrer Vertreter geschlagen und aus Wahllokalen geworfen worden seien.

Anhänger der schiitischen Hisbollah nehmen an einer Wahlkampfveranstaltung im östlichen Bekaa-Tal teil.

© AFP

Bei der Parlamentswahl werden unabhängige Kandidaten Experten zufolge zwar voraussichtlich mehr Sitze gewinnen als zuletzt im Jahr 2018. Eine größere Veränderung des Kräftegleichgewichts wurde allerdings nicht erwartet.

Das politische System des Libanon hat die Macht seit langer Zeit unter den Religionsgemeinschaften aufgeteilt und eine herrschende Elite gefestigt. Der Präsident ist traditionell ein maronitischer Christ, der Regierungschef ein sunnitischer Muslim und der Parlamentspräsident ein Schiit.

Dieses System schmälert die Chancen für nichtreligiöse Parteien und Vertreter der Zivilgesellschaft. Im derzeitigen Parlament sind die Hisbollah-Partei und ihre Verbündeten in der Mehrheit. Eine Wahlrechtsreform von 2017 begünstigt die Parteien, die bereits an der Macht sind. Zudem boykottierte der wichtigste sunnitische Politiker und frühere Regierungschef Saad Hariri aus Protest gegen das System die Wahl.

Inflation, Armut und Emigration

Der Libanon steckt in seiner schlimmsten Krise seit dem 1990 beendeten Bürgerkrieg. Die Inflation galoppiert, die Armut wächst, Libanesen verlassen massenhaft ihr Land. Der Staat versagt selbst bei grundlegenden Dienstleistungen wie der Stromversorgung oder der Müllabfuhr. Hier springen die traditionellen politischen Anführer mit ihren jahrzehntealten Patronage-Netzwerken ein. Sie verteilen etwa Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst, aber auch Treibstoff und Bargeld.

Im Herbst 2019 trat zwar eine starke Protestbewegung aus vorwiegend jungen Menschen auf den Plan, die Front gegen die herrschenden Eliten machte. Neuen Auftrieb erhielt die Bewegung nach der Explosionskatastrophe im Hafen von Beirut, durch die mehr als 200 Menschen starben und ganze Stadtviertel verwüstet wurden. Doch den aus der Protestbewegung hervorgegangenen unabhängigen Kandidaten gelang es nicht, sich für die Parlamentswahl zusammenzuschließen. (AFP)

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