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Marwa-Prozess in Dresden: Tödliche Messerstiche im Gerichtssaal: Angeklagter gesteht

Alex W., der Angeklagte im Dresdner Marwa-Prozess, spricht von seinen Motiven für die tödlichen Messerstiche gegen die Ägypterin Marwa el-Scherbini – Fremdenhass war es nicht, behauptet er.

Am siebten Verhandlungstag spricht Alex W. – drei Worte. „Ja“, sagt er auf die Frage der Richterin, ob die Erklärung seiner Anwälte mit ihm abgesprochen sei. Auf eine weitere Frage folgt ein „Korrekt“. Und dann ein „Nein“. Nein, Nachfragen zur Erklärung werde er nicht beantworten. Dann verschwindet das Gesicht des 28-Jährigen, der vor vier Monaten ein paar Saaltüren weiter im Dresdner Landgericht die 31-jährige ägyptische Apothekerin Marwa el-Sherbini vor den Augen ihres Mannes und ihres kleinen Sohnes erstach, wieder hinter seinen Händen und hinter der schützenden Kapuze seines Pullovers. Marwa el-Sherbinis Ehemann, der die Verhandlung seit anderthalb Wochen Tag für Tag auf einem Platz verfolgt, starrt ins Leere, die Hände vor dem Gesicht gefaltet.

In der sechsseitigen Erklärung, die sein Anwalt dann vorträgt, ist viel von Hilflosigkeit, Verständnislosigkeit und Ohnmacht die Rede. Von der des Täters. Durch die Vorladung zum Beleidigungsprozess habe er sich „vom Staat, nein von Bürokraten“ schikaniert gefühlt. Schon „der Strafbefehl war ein totaler Schock“. Er habe danach drei Tage lang Schnaps getrunken und sei entsprechend betrunken gewesen. Alex W. hatte ihn erhalten, weil er Marwa el-Sherbini als „Islamistin“ und Terroristin beleidigte, als sie ihn auf einem Dresdner Spielplatz bat, eine Schaukel für ihren zweijährigen Sohn freizugeben. Auch das Hin und Her des Prozesses schließlich „habe ich nicht verstanden. Ich hatte Angst, ich war panisch.“

Die Tat leugnet Alex W. nicht. Zu viele Zeugen haben sie beschrieben, die Wucht, mit der er auf die Frau einstach, die sich nicht schützen konnte, und auf ihren Mann, der ihr zur Hilfe kam und von Alex W.’s Messer ebenfalls 16 Mal getroffen wurde. Aber er stellt das Gemetzel im Gerichtssaal am 1. Juli als Ergebnis eines psychischen Ausnahmezustands dar: Er sei wochenlang depressiv gewesen und habe am Abend vor der Tat „verhältnismäßig viel Alkohol getrunken“, Kurz vor dem Angriff sei er „sehr aufgeregt gewesen.“ „Ich habe mir selbst das Kommando gegeben, die Zeugin anzugreifen“, heißt es in der Erklärung, die der Anwalt verliest. An alles danach erinnere er sich nur noch in Bruchstücken. „Es stimmt, dass ich eine ausländerfeindliche Gesinnung hatte“, aber das sei nicht der Grund für seine Tat, sondern jener „komische Zustand“; in dem er sich befand und der seit Beginn des Verfahrens „alle meine Entscheidungen beinflusste“

Am Vormittag hatten zwei Zeugen Alex W.’s Hass auf Menschen bestätigt, die seiner Meinung nach in Europa nichts zu suchen hatte. Der 21-jährige Johann K., der wie W. in Russland geboren wurde, berichtete, Alex W. habe gesagt, er hasse besonders Türken und Muslime. „Er nannte sie Terroristen und sagte, wenn er eine automatische Waffe hätte, würde er sie umbringen.“

Alex W. schließt seine Sicht der Dinge mit einem Wort des Bedauerns. Als er später die Erinnerung wiedergefunden habe, habe ihm „leid getan, dass es geschehen war, dass ich mir mein Leben versaut habe und dass ich nicht selbst bei der Aktion erschossen wurde“. Über die getötete schwangere Frau und das Leben ihres Mannes und ihres kleinen Sohnes seit der Tat sagt Alex W. nichts.

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