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Umstrittener Künstler in Alt Rehse: Bernd „Cosmo“ Haldenwang.

© Robert Klages

Mecklenburg-Vorpommern: Der Hardcore-Buddhist von Alt Rehse

In einem Dorf gibt es Streit um eine alte Scheune. Ein Mann verkündet dort, die Verfassung der DDR gelte noch. Er ist kein Reichsbürger – sondern Buddhist.

Rund um den Tollensesee nahe der Stadt Neubrandenburg führt ein Radweg durch das Dorf Alt Rehse. Und dort unmittelbar vorbei an einer alten Scheune, behängt mit bunten Bannern und Fahnen. Eine wilde Mischung aus buddhistischen Symbolen und Sprüchen wie „Aufwachen Deutschland, aufstehen DDR“ – präsentiert auf einer zum Schild umfunktionierten Fensterscheibe direkt am Radweg. Viele Radler halten an. „United Europe“ steht groß und rot auf der Scheune. „We love India“ in grün.

Bei genauerem Hinsehen finden sich dann Sprüche wie „Die Dummköpfe vom Verfassungsschutz haben keine Verfassung“ auf zwei Schildern. Dazwischen lächelt ein Buddha-Kopf. Weiter oben an der Scheune ist eine Axt angebracht. „Die nächste Wende: Juristen-Ende!“ steht darüber – auch hier ein lächelnder Buddha. „Ein heiliges Europa ist von Juristen befreit.“ Dagegen wirkt das Jesuskreuz mit Worten wie „Fuck“, „Schande“ oder „Penis“ über dem Scheunentor schon fast harmlos.

Bernd „Cosmo“ Haldenwang sitzt auf einem Plastikstuhl neben der Scheune. Der 72-Jährige „erklärt“ jedem vorbeikommenden Radfahrer gerne, dass die Verfassung der DDR immer noch gelte – denn nach der Wiedervereinigung habe es keine neue Verfassung gegeben. Ein Reichsbürger sei er nicht, keinesfalls, ruft er. Er sei für die Zweistaatenlösung und Anhänger der Bewegung „Aufstehen“, die 2018 von der Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht initiiert wurde.

Und er sei Buddhist, „Hardcore-Buddhist“, aber „nicht so friedlich wie Buddha“. Er bezeichnet sich selbst als Brahmane, ein buddhistischer Führer. Den Winter verbringt er überwiegend in Indien. Geboren wurde er in Schwaben, sein Vater war Fan von Rudolf Steiner und streng christlich.

„Ich werde euch irgendwann in den Arsch treten.“

Nach der Wende ist Haldenwang „rüber“ in den Osten, war zunächst Angestellter für eine Versicherung in Dresden. Später kaufte er die Scheune in Alt Rehse für einen Euro. In Schwäbisch-Hall hat er noch eine Eigentumswohnung. Die Grundsteuer zahlt er nicht, da der Staat, der diese einfordert, nicht existiere - ständig wird versucht, seine Wohnung zu pfänden. Briefe vom Amt und von Juristen schickt Haldenwang zurück mit der Botschaft: „Ich werde euch irgendwann in den Arsch treten.“

Klar sei das Gewalt, sagt er auf Nachfrage. Gewalt mit Worten. Aber: „Notfalls hole ich die Axt“, fügt er an. Auch das lehre der Buddhismus: Wenn man zu sehr auf liebevoll mache, werde man überfallen, das zeige auch die Geschichte. Einmal habe er einen Erbstreit mit seinem Bruder gehabt: Dieser sei mit der Schreckschusspistole angerückt, daraufhin habe er ihn die Treppe runtergestoßen. Die beiden haben nun seit 20 Jahren nicht mehr miteinander geredet.

Der Scheunen-Tempel von Haldenwang in Alt Rehse.
Der Scheunen-Tempel von Haldenwang in Alt Rehse.

© Robert Klages

Einige Nachbarn in Alt Rehse meiden ihn und empfinden ihn und seine Scheune als Schandfleck. Gelegentlich kommt es zu Handgreiflichkeiten oder lautem Streit. Laut Landratsamt steht die Scheune unter Denkmalschutz, sie sei „ortsprägend“. Die Plakate und Gegenstände, die Haldenwang aufgestellt und angebracht hat, verunstalte sie. Die Lokalzeitung „Nordkurier“ fragte im Juni: „Kann den Mann wirklich niemand stoppen?“

Mustersiedlung der Nazis

Schon länger streiten sich „Yoga-König“ Haldenwang und der AfD-Landtagsabgeordneten Horst Förster, der unweit der Scheune in dem 400-Einwohner-Dorf wohnt, das 1934 von den Nazis als Mustersiedlung aufgebaut wurde. Die „Führerschule der Deutschen Ärzteschaft“ war hier beheimatet, bis zu 12.000 NS-Ärzte, Apotheker und Hebammen wurden hier ausgebildet und lernten die Nazi-Ideologie der Rassenlehre und Euthanasie – die Aussonderung und Vernichtung sogenannten lebensunwerten Lebens.

Heute klärt der „Lern- und Gedenkort Alt Rehse“ am Rande des Dorfes darüber auf. Der Dorfkern ist geprägt durch Kopfsteinpflaster und Fachwerkhäuser mit Schilfrohrdach, die Aufschriften wie „Gauen“, „Pommern“ oder „Schlesien“ tragen – oder auch „Im dritten Jahre des tausendjährigen Reichs“, eingraviert in altdeutscher Schrift. Die Bewohner der Häuser haben es sich schön gemacht: Gepflegte Vorgärten, Teiche, Sandkästen. Haldenwang will mit seiner Scheune ein Kontrast sein zur Dorfidylle.

"Aufwachen Deutschland. Aufstehen DDR". Das Schild vor der Scheune sorgt für Irritationen bei Radfahrern.
"Aufwachen Deutschland. Aufstehen DDR". Das Schild vor der Scheune sorgt für Irritationen bei Radfahrern.

© Robert Klages

Er kündigt an, bald ein Info-Café in der Scheune einrichten zu wollen. Eine Genehmigung dafür wird er wohl nicht beantragen. Stattdessen beklagt er Hausfriedensbruch und Nötigung durch die Denkmalschutzbehörde. „Sollte mich dieses dumme Arschloch nochmal nötigen, schlage ich ihm die Zähne ein“, schrieb Haldenwang nach einem Streit mit einem Behörden-Mitarbeiter an die Behörde und Sven Flechner (parteilos), den Bürgermeister von Penzlin, wozu Alt Rehse zählt.

Flechner bekommt öfter Post: „Sie werden enden wie Schäuble“ habe ihm Haldenwang beispielsweise geschrieben. Persönlich getroffen haben sich die beiden noch nie. Flechner meint, es könne so nicht bleiben an der Scheune. „Mir fehlt das Verständnis dafür.“ Die Gewaltandrohungen nimmt er ernst. Er selbst könne aber nichts weiter unternehmen. Ob der Mann lediglich verrückt sei oder zudem auch gefährlich, könne er nicht einschätzen.

Härtere Maßnahmen, wie zum Beispiel eine Räumung der Scheune, müsse der Landkreis anordnen. Die Pressestelle des Landkreises sagte auf Nachfrage, man könne nicht mit Sicherheit sagen, ob Mitarbeiter bedroht worden seien. Die Pressesprecherin des Büros von Landrat Heiko Kärger (CDU) sagte, ihr gegenüber sei Haldenwang immer sehr höflich gewesen. „Mir kam er vor wie ein halber Heiliger.“

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