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Medikamente: Krankenkassen gegen Preisnachlass von Arznei

Nach den Plänen der Regierung sollen Patienten künftig gegen Aufpreis auch nicht rabattierte Medikamente erhalten können. Das ermuntert nach Einschätzung der Krankenkassen die Industrie, auf die Beeinflussung der Apotheker zu setzen.

Berlin - Früher, so erinnerte Baden-Württembergs AOK-Vize Christopher Hermann, habe man mit der Pharmaindustrie wenig zu tun gehabt. Die Hersteller hielten sich an Ärzte und Apotheker, „wir haben ihnen nur die Geldsäcke rübergeschoben“. Seit 2007 aber verfügten die Kassen über ein „marktwirtschaftliches Instrument“. Es trägt den Namen Rabattverträge und bedeutet, dass die Kassen nun bei sogenannten Nachahmerpräparaten auf Biegen und Brechen verhandeln. Am Ende erhalten ihre Versicherten nur noch die wirkstoffgleiche Arznei des jeweils günstigsten Herstellers. Dieses „Erfolgsmodell“ werde allein dem AOK-System bis Ende 2010 eine Milliarde Euro gespart haben, sagte Hermann am Dienstag in Berlin. Wer daran etwas ändern wolle, lege „die Axt“ an ein über die Maßen wirksames Kostensteuerungsmittel. Den 24 Millionen AOK-Versicherten blieben dadurch fürs erste Zusatzbeiträge erspart.

Adressat der Warnung ist die schwarz- gelbe Koalition, die in ihren „Eckpunkten“ zur Arzneimittelversorgung angekündigt hat, die Rabattverträge mit Blick auf die nicht zum Zuge kommenden Firmen hin ein wenig auszuhöhlen. So sollen gesetzlich Versicherte künftig auch wieder nichtrabattierte Arznei erhalten, sofern sie dafür einen Aufpreis zahlen. Diese Möglichkeit verunsichere nicht nur die Patienten, kritisierte Hermann. Man ermuntere damit auch die Hersteller, statt auf niedrigere Preise lieber „wieder auf die Beeinflussung der Apotheker zu setzen“.

Zum 1. April geht die AOK in die nächste Rabattrunde. Für 80 weitere Wirkstoffe hat Hermann 715 Verträge ausgehandelt, betroffen sind rund 47 Millionen Verordnungen. Insgesamt sind damit dann bereits 143 Wirkstoffe rabattiert, die erwartete Kostenersparnis für 2010 liegt bei 520 Millionen Euro. Neue Rabattarznei erhalten zum April außerdem auch die mehr als sieben Millionen Versicherten der Techniker-Krankenkasse sowie vier Millionen Kunden von 36 kleineren Kassen.

Anders als früher sei die Bieterrunde diesmal „fast geräuschlos“ verlaufen, freute sich der AOK-Funktionär. In den Vorjahren habe die Industrie die Verträge noch „bis aufs Messer bekämpft“. Allerdings habe sie sämtliche Prozesse verloren. Hermann betonte, dass sich das Verfahren eingespielt habe. So sei die Lieferfähigkeit auch in den Fällen, wo kleine Bieter zum Zuge kommen, „kein Thema mehr“. Und die Akzeptanz sei bestens. Nach einer aktuellen Umfrage unter 5000 Versicherten bewerteten 54 Prozent Rabattverträge als positiv, nur 15 Prozent wandten sich dagegen. Angesichts der Alternative von höheren Zuzahlungen oder Beitragssätzen fiel die Zustimmung noch deutlicher aus.

Das größte Problem, so räumte Hermann ein, sei die Arzneiumstellung der Patienten. Allerdings sei davon bisher nur jeder siebte betroffen gewesen. Damit hier nichts schiefgehe, sei man auf die Mitwirkung der Ärzte angewiesen. Und die funktioniert offenbar. Rabattverträge ermöglichten preiswerte Verordnungen „ohne Qualitätsverlust“, betonte der Chef des Hausärzteverbands, Ulrich Weigeldt. Zudem gäben sie den Medizinern Sicherheit und nähmen ihnen den „Regressdruck“.

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