zum Hauptinhalt
In der Gastronomie sind tägliche Arbeitszeiten von mehr als zehn Stunden keine Seltenheit.

© Tsp/KAI-UWE HEINRICH

Mehr als zehn Stunden pro Tag arbeiten?: „Seitens der Arbeitgeber gibt es keinen Gewinn“

Nach der Auffassung der bayerischen Arbeitsministerin Scharf dient eine Verlängerung der täglichen Höchstarbeitszeit der Wirtschaft. Der Arbeitsmarktexperte Karl Brenke vom DIW ist skeptisch.

Herr Brenke, Bayerns Arbeitsministerin Ulrike Scharf möchte mehr als die bisher zulässigen zehn Stunden Arbeitszeit am Stück pro Tag zulassen. Ist das ein sinnvoller Vorschlag, um die anfallende Arbeit am Bau, in der Gastronomie oder im Tourismusbereich zu bewältigen?
Wir haben noch ein gute Konjunktur. Aber am Bau flacht sie ja schon merklich ab. Auch im Tourismus bleibt die Entwicklung abzuwarten. Das Problem liegt aber nicht darin, dass wir zu kurze Arbeitszeiten haben. Es mangelt an Arbeitskräften.

So gibt es dummerweise die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen ohne Abschläge mit 63 Jahren aus dem Arbeitsleben zu gehen. Dadurch ist dem Arbeitsmarkt Potenzial entzogen worden. Zur vorzeitigen Rente war in der Vergangenheit auch von der CSU keine Kritik zu hören.

Wie sieht die Realität aus? Ist es nicht etwa in der Gastronomie üblich, mehr als zehn Stunden am Stück zu arbeiten?
Die gesetzlichen Arbeitszeitregelungen sind das eine, und die Realität ist häufig eine andere. Bisher hat das auch keine Probleme bereitet, wenn hin und wieder mal eine Arbeitskraft länger arbeitet, als es gesetzlich vorgeschrieben ist.

Aber der Vorstoß der bayerischen Sozialministerin geht nun noch darüber hinaus. Die Ministerin lässt außer Acht, dass es auch seitens der Arbeitgeber mit der geplanten Neuregelung keinen Gewinn gibt. Denn wissenschaftliche Studien zeigen eindeutig: Je länger die Arbeitszeit, umso geringer ist die Produktivität je Stunde.

Gibt es Beispiele dafür?
Im medizinischen Bereich konnte nachgewiesen werden, dass man Arztbesuche möglichst nicht am Nachmittag machen sollte, weil da die Behandlungsfehler besonders groß sind. Das hat damit zu tun, dass die Konzentrationsfähigkeit des medizinischen Personals im Verlauf des Tages nachlässt. Das ist aber auch in anderen Bereichen so.

Entspricht es nicht dem Wunsch vieler Arbeitnehmer, mehr am Stück zu arbeiten – aber dafür nur an vier Tagen in der Woche?
Über eine Flexibilisierung der Arbeitszeit lässt sich immer diskutieren. Aber man muss vorsichtig sein. Auch der Wunsch der Arbeitnehmer ist nicht immer vernünftig. Wenn man sich körperlich zu sehr anstrengt, geht das irgendwann auf Kosten der Gesundheit. Die Gesamtwirtschaft hat überhaupt nichts gewonnen, wenn die Leute früher in Ruhestand gehen, weil sie erwerbsunfähig werden.

Haben sich die Arbeitszeiten im Homeoffice in der Pandemie ganz grundsätzlich verlängert?
Das ist schwer zu sagen, weil die Arbeitszeiten schwer zu kontrollieren sind. Beim Homeoffice kommt es gar nicht so sehr auf die Arbeitszeit an, sondern auf die Leistung, die erbracht wird. Das heißt, man muss eine bestimmte Aufgabe schaffen. Eine Kontrolle der Arbeitszeit halte ich hier für fehl am Platz.

Ich beobachte es mit Sorge, dass wir in der Wirtschaft zunehmend eine Bürokratisierung mit Blick auf die Arbeitszeiten haben – nicht nur im staatlichen, sondern auch im privaten Sektor. Man sollte von Seiten der Arbeitgeber einfach darauf setzen, dass die erforderte Leistung erbracht wird.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false