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Arbeiten bis es dunkel wird?

© picture alliance/dpa / Julian Stratenschulte

Exklusiv

„Belegschaften wie eine Zitrone ausquetschen“: Ampel lehnt längere Arbeitszeiten ab

Bayerns Arbeitsministerin will tägliche Arbeitszeiten von mehr als zehn Stunden ermöglichen. Die Kritik aus Berlin erfolgt schnell und scharf.

Ein Vorstoß der bayerischen Arbeits- und Sozialministerin für längere Arbeitszeiten hat bundesweit für Kritik gesorgt. „Was die CSU zur Ausweitung der täglichen Arbeitszeit vorschlägt, ist eine Kampfansage an Millionen Beschäftigte im Land, die den Laden Tag für Tag am Laufen halten“, sagte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert dem Tagesspiegel.

Zuvor hatte Bayerns Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) vorgeschlagen, Arbeitszeiten zu flexibilisieren und eine tägliche Arbeitszeit von mehr als zehn Stunden zu ermöglichen. „Wir müssen die Arbeitszeitgesetze endlich an die Realität der Lebenswelten der Menschen anpassen“, sagte sie der Rheinischen Post.

Längere Arbeitszeiten an einzelnen Tagen könnten dabei helfen, Familie und Beruf besser miteinander zu vereinbaren, so die CSU-Politikerin. Zudem könne so die Beschäftigungsquote steigen.

Arbeitszeiten hochzusetzen ist eine Schnapsidee.

Anja Piel vom DGB lehnt eine Arbeitszeitverlängerung kategorisch ab

Kühnert nannte die Argumentation perfide und empfahl Scharf, ihre Jobbeschreibung in „Arbeitgeberministerin“ zu ändern. „Statt die Bundesregierung bei ihren Bemühungen zu unterstützen, dringend benötigte Fachkräfte durch die Stärkung von Frauenerwerbstätigkeit und Einwanderung zu gewinnen und damit für Entlastung bei den Arbeitnehmern zu sorgen, will die CSU lieber die derzeitigen Belegschaften wie eine Zitrone ausquetschen“, kritisierte Kühnert.

Mit der SPD werde es keine Ausweitung der Arbeitszeit geben. „Wer Fachkräfte gewinnen will, muss die Beschäftigungsbedingungen verbessern, Einwanderer anwerben und die Frauenerwerbsquote etwa durch mehr Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern“, sagte Kühnert.

Bisher sind täglich maximal zehn Stunden Arbeit erlaubt – aber dies auch nur in Ausnahmefällen

Anja Piel, Vorstandsmitglied im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), griff den Vorstoß scharf an. „Arbeitszeiten hochzusetzen ist eine Schnapsidee“, sagte sie dem Tagesspiegel. Lange Arbeitszeiten würden krank machen, zudem steige ab neun Stunden Arbeitszeit das Risiko von Fehlern und Unfällen exponentiell. „Der fadenscheinige Versuch, die Herausforderungen des Fachkräftemangels allein den Beschäftigten aufzubürden ist eine billige Scheinlösung ohne sozialen Kompass“, kritisierte Piel.

Auch der Sprecher für Arbeit und Soziales der Grünen im Bundestag, Frank Bsirske, kritisierte die Vorschläge. „Überlange Arbeitszeiten und zu geringe Ruhezeiten sind nachweislich ein Gesundheitsrisiko für die Beschäftigten“, sagte der frühere Vorsitzende der Gewerkschaft verdi. Gerade auf dem Bau seien extrem lange Arbeitszeiten von über zehn Stunden auch ein Sicherheitsrisiko.

Bisher sind täglich maximal zehn Stunden Arbeit erlaubt – aber dies auch nur in Ausnahmefällen. Über einen Zeitraum von sechs Monaten darf die gesetzliche Arbeitszeit von acht Stunden täglich überdies im Durchschnitt nicht überschritten werden. Dies dient dem Schutz der Beschäftigten.

Der Weg kann nur über Tarifverträge führen.

Axel Knoerig, Arbeitsmarktexperte der CDU, ist offen für längere Arbeitszeiten

Die Bundestagsfraktion der Union zeigte sich dagegen bedingt offen für längere Arbeitszeiten. „Es muss verantwortungsvoll geklärt werden, wo es vertretbar ist“, sagte Axel Knoerig, Vorsitzender der Arbeitnehmergruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, dem Tagesspiegel. „Der Weg kann nur über Tarifverträge führen“, sagte er.

Die Obergrenze müsse bei zwölf Stunden täglich bleiben. „Wo es funktioniert, muss garantiert werden, dass damit tatsächlich auch mehr Zeitautonomie für die Beschäftigten verbunden ist“, sagte Knoerig. Und weiter: „Außerdem müssen die Mehrbelastungen ausgeglichen werden.“

Seit Jahren gibt es immer wieder Forderungen von Unternehmen das Arbeitszeitgesetz zu lockern. Im Koalitionsvertrag haben sich die Ampel-Parteien aber explizit zum Acht-Stunden-Tag bekannt. Um dem Fachkräftemangel in Deutschland zu begegnen hat die Bundesregierung am Mittwoch im Kabinett die Eckpunkte für ein neues Fachkräfteeinwanderungsgesetz verabschiedet.

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