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Europa: Mehr Macht für Grundrechte

Der Menschenrechtsschutz in Europa macht einen Schritt nach vorn: Nach langem Zögern trägt Russland die Reform des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg mit.

Straßburg/Berlin - Am Freitag ratifizierte die Staatsduma das 14. Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Damit soll es dem überlasteten Gericht einfacher gemacht werden, Klagen in Bagatellfällen abzuweisen. Vor allem aber wird die Unabhängigkeit der 47 Richter aus den EMRK-Vertragsstaaten gestärkt. Ihre Amtszeit wird von sechs auf neun Jahre verlängert, die bisher mögliche Wiederwahl entfällt. Damit gibt es für die Betroffenen weniger Anreize, sich gegenüber ihren Heimatländern bei Urteilen gefällig zu zeigen. Die Dringlichkeit der Reform hatte auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) betont, weil sie sonst die „Wertebasis“ in Europa gefährdet sah.

Russland hatte das Zusatzprotokoll – als letztes Land – lange blockiert, weil es sich vom EGMR benachteiligt sieht; es ist das am häufigsten verurteilte Land, was allerdings nicht nur an der Menschenrechtslage, sondern auch an der Größe und der Bevölkerungszahl liegt. Gleichwohl sind es heikle Verfahren für Moskau. Dem EGMR liegt etwa eine Milliarden-Entschädigungsklage des früheren Erdölkonzerns Jukos vor, dessen Anwälte dem Kreml vorhalten, das Unternehmen ruiniert zu haben. Die Kläger sehen das Recht auf Eigentum verletzt und kritisieren willkürliche Strafverfolgungen.

Auch die Bundesrepublik gerät, wenn auch selten, mit dem Gerichtshof in Konflikt. So will sich die Regierung nicht mit dem jüngst ergangenen Urteil zur Sicherungsverwahrung abfinden. Dutzende gefährlicher Wiederholungstäter müssten demnach freigelassen werden, weil die Sicherungsverwahrung in Deutschland gegen die EMRK-Standards zum Freiheitsentzug versößt. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hofft nun, dass die Große Kammer des EGMR das Urteil revidiert. Der Ausgang ist offen. Zugleich kündigte die Ministerin an, die Verwahrung „rechtsstaatlich wasserdicht“ reformieren zu wollen. Die EGMR-Urteile würden dabei berücksichtigt. 

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