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Angela Merkel spricht im Kanzleramt zu Frauen in Führungspositionen.

© dpa

Einladung von der Bundeskanzlerin: Merkel diskutiert mit Frauen übers Rollenbild

Besser spät als nie: Die Bundeskanzlerin hat am Dienstag ganz besondere Gäste zum Gespräch ins Kanzleramt eingeladen. Frauen in Führungspositionen diskutierten mit ihr über Aufstiegschancen, die Frauenquote und ein neues Netzwerk.

Von Antje Sirleschtov

Angela Merkel hat hundert beruflich sehr erfolgreiche Frauen zum Gedankenaustausch ins Bundeskanzleramt eingeladen – und was passiert zuerst? Ein altes Klischee wird bedient. Die Damen sehen zwar allesamt sehr elegant aus, sie haben aber offenbar nicht das geringste technische Verständnis. Erste Frage: „Wie funktioniert denn diese Mikrofonanlage?“ Doch Frau Merkel ist Pragmatikerin, Physikerin und Regierungschefin. So ein kleines Problemchen hält eine Frau wie sie nicht auf. „Einfach aufklappen“, rät sie, „dann geht das schon.“

Und wirklich – gut eineinhalb Stunden reden die Frauen über das eine Thema, das sie alle beschäftigt: Was muss geschehen, damit Frauen aus dem Dasein der Assistentinnen und Sekretärinnen heraus und in die Führungsetagen hineinkommen? Bis auf ein paar sehr junge, sehr engagierte, aber auch spürbar noch sehr ahnungslose Frauen ist es Merkel gelungen, zu dieser Frage Präsidentinnen von Universitäten und Gerichten, Aufsichtsräte von Unternehmen, Unternehmerinnen, Vorstände, Chefärztinnen und Beraterinnen zu gewinnen. Man merkt das sofort: Die Anwesenden sind konstruktive Arbeit an der Sache gewohnt, hier trifft sich kein Kränzchen zum Tee.

Kritische Betrachtung von Ehegattensplitting und Betreuungsgeld

Erste Frage: „Wieso erst jetzt?“ Seit drei Jahren regieren Merkel und ihre Familien- und Frauenministerin Kristina Schröder, beinahe genauso lange wird über die Einführung einer Frauenquote in Aufsichtsräten von Großunternehmen gestritten. Doch ganz offensichtlich haben weder die Ministerin noch die Regierungschefin dazu bis jetzt die Expertise der Betroffenen eingeholt. „Das soll keine Eintagsfliege bleiben“, verspricht Merkel nach dem Gespräch. Man sieht ihr an, dass sie den Gedankenaustausch genossen hat – und es auch ein bisschen peinlich findet, dass sie eher spät auf den Gedanken kam, die erfolgreichen Frauen des Landes, die zudem aller Wahrscheinlichkeit nach sogar zu ihren Wählerinnen gehören, um sich zu scharen.

Wichtigstes Frauen-Anliegen:  Der wesentliche Grund dafür, dass es Frauen in Deutschland – ganz anders übrigens als in anderen europäischen Ländern – wesentlich schwerer haben, die Karriereleiter zu erklimmen, liegt in dem veralteten gesellschaftlichen Rollenbild von Mann und Frau. „Politik muss noch sehr viel mehr tun, um das Rollenbild zu wandeln“, sagen mehrere Frauen. Das heißt für sie: Ehegattensplitting und Betreuungsgeld müssen kritisch betrachtet werden, Putzhilfen und Kindermädchen müssen stärker steuerlich anerkannt statt als „Luxus“ denunziert werden.

Netzwerk statt Frauenquote?

Braucht man Quoten für Frauen? Das Meinungsbild ist gespalten. „Quoten bedeuten Macht“, sagen die einen, weil sich Frauen selbstverständlicher durchsetzen, wo sie nicht allein in einer Männerwelt agieren müssen. Nein, sagen andere, schließlich seien Quoten in Aufsichtsräten keine Garantie für die Jobvergabe in mittleren Führungsetagen.

Die Kanzlerin sagt an diesem Tag nicht, dass sie keine Quoten will. Aber sie nimmt, trotz der Anwesenheit ihrer Flexi-Quoten-Ministerin Schröder, auch das F-Wort nicht in den Mund. Als die Damen später noch vor Merkels Büro einen Drink nehmen, schwirrt das Wort „Netzwerk“ umher. Irgendwie war es gut, sich mal in diesem Kreis getroffen zu haben. Man sollte das häufiger tun. Vielleicht sogar mit Peer Steinbrück, wenn der ab Herbst regiert.

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