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Kanzlerin Angela Merkel spricht bei der Regierungserklärung im Bundestag.

© Tobias SCHWARZ / AFP

Statt sich über die Länderchefs zu beschweren: Merkel könnte in der Coronakrise alleine durchregieren

Die Kanzlerin könnte sich rechtlich über die Länder hinwegsetzen. Stattdessen setzt sie lieber auf Konsens. Aber warum? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Es ist so: Jedes Mal erweckt Angela Merkel nach ihren Konferenzen mit den Länderregierungschefs den Eindruck, dass sie es eigentlich besser weiß. Besser weiß, was in der Coronakrise getan werden müsste. Also gut, dann soll sie auf ihren letzten Metern endlich ins Offene gehen, wie ihr Physikerkollege Michael Schindhelm ihr vor Jahrzehnten schon riet; dann soll sie die Verantwortung übernehmen und endlich eintreten für das, was sie für richtig hält.

Die Kanzlerin kann sich über nämlich die Länder hinweg- und durchsetzen, wenn sie will. Rechtlich ginge das. Sagt nicht irgendeiner, sondern DER deutsche Staatsrechtler, der Berliner Professor Christoph Möllers, der die Bundesregierung in großen Fällen vor oberen und obersten Gerichten vertritt.

Dieser Möllers also vertritt die Auffassung (im „Spiegel“), dass Merkel bei einem Lockdown alles bestimmen kann: Voraussetzungen, Inhalt, Länge, Details.

Und zwar per Bundesgesetz ohne Einigung mit den Ministerpräsidenten. Oder die Kanzlerin schafft im Infektionsschutzgesetz eine Grundlage, die ihre Regierung ermächtigt, den Lockdown per Rechtsverordnung bundeseinheitlich anzuordnen. Nicht einmal der Bundesrat müsste zustimmen.

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Klage der Länder? Zwecklos, meint Möllers. Zumal es das Gremium „Merkel und die Ministerpräsidenten“ im Grundgesetz gar nicht gibt. Übrigens: Auch bei den Schulen - wo Merkel lamentiert, dass ihr die Lockerungen zu schnell gehen - hätte sie eine Handhabe.

Merkel überprüft vor der Pressekonferenz zum Corona-Gipfel ihre Unterlagen.

© Markus SCHREIBER / POOL / AFP

Moderation statt Offensive

Merkel setzt lieber auf Moderation, auf Konsens, heißt es. Das stimmt. Aber warum? Weil das auch geteilte Verantwortung bedeutet; weil sie, wenn’s nicht läuft wie gedacht, nicht alleine Schuld ist. Weil dann FDP-Chef Christian Lindner die Verlängerung des Lockdowns  nicht alleine an ihr festmachen kann. Dass Deutschland nach mehr als hundert Tagen immer noch hinterher hinkt beim Einsatz von Luftreinigern, systematischen Tests und dem breitflächigen Einsatz von FFP2-Masken, keine Öffnungsperspektive für die Wirtschaft über einen Stufenplan hat, der in Regionen mit niedrigen Infektionszahlen Lockerungen zulässt - Merkel war’s nicht.

[Mehr zum Thema: Die Corona-Beschlüsse - Lesen Sie hier, was dicht bleibt und wer öffnen darf.]

Aber sie könnte es sein: diejenige, die sagt, wo es langgeht. Die sich angreifbar macht. Die dafür mit dem Bundestag ringt und sich eine Mehrheit erkämpft. Staatsrechtler Möllers jedenfalls wundert sich schon, „wie selten die Verantwortung der Bundesregierung und ihrer Mehrheit im Bundestag zur Kenntnis genommen wird, wenn sich Vertreter des Bundes über die Zögerlichkeit der Länder beschweren“.

Das Tun zeigt das Wollen, ihr Wollen. Soll sich Merkel also nicht beschweren. Sondern ins Offene gehen. Jetzt oder nie.

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