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Für Joe Biden steht bei den Midterms einiges auf dem Spiel.

© AFP / MARK MAKELA

Midterms in den USA: Die wichtigsten Fragen und Antworten zu den Zwischenwahlen

Am Dienstag entscheidet sich, wie viel Einfluss Joe Biden und die Demokraten in den kommenden zwei Jahren haben werden. Wann, wie und wer gewählt wird – der Überblick.

In den USA entscheidet sich am 8. November, wer künftig die Mehrheit in den beiden Kammern des Kongresses hat - dem Senat und dem Repräsentantenhaus. Was Sie zu den sogenannten Midterms wissen sollten:


Wer wird gewählt?

1. Ein Drittel der Senatoren

Die Wählerinnen und Wähler entscheiden über 35 der 100 Sitze im Senat und über alle 435 Abgeordneten im Repräsentantenhaus. Jeder der 50 US-Bundesstaaten stellt zwei US-Senatoren. Ihre Amtszeit dauert sechs Jahre – alle zwei Jahre wird rund ein Drittel von ihnen neu gewählt. Das Repräsentantenhaus wird dagegen alle zwei Jahre komplett neu bestimmt. Hier stellen die Bundesstaaten Abgeordnete gemäß ihrer Bevölkerungszahl.

2. Gouverneure, Sheriffs, Schulbeiräte

Darüber hinaus gibt es Tausende weitere Abstimmungen. In 36 Staaten werden neue Gouverneure bestimmt. In vielen Staaten werden zudem die eigenen Kongresse und einige andere Posten neu bestimmt – bis hinunter zur Sheriffs und Schulbeiräten, die vor Ort auch jeweils großen Einfluss auf Strafverfolgung oder Unterrichtsstoff haben können.

Zur Wahl stehen auch viele Secretaries of State, zu deren Aufgabe oft die Wahlleitung gehört. Einige Republikaner, die dabei zur Wahl stehen, vertreten die unbelegte Ansicht, dass Donald Trump die Präsidentschaftswahl 2020 gewonnen habe. Manche von ihnen wollen Gesetze etablieren, mit denen sich Wahlleitungen über die Auszählungsergebnisse hinwegsetzen könnten.

Donald Trumps Einfluss ist auch im aktuellen Wahlklima deutlich zu spüren.
Donald Trumps Einfluss ist auch im aktuellen Wahlklima deutlich zu spüren.

© Foto: AFP/WIN MCNAMEE


Was hat Joe Biden zu befürchten?

Dass ein US-Präsident bei den „Midterm“-Wahlen in der Mitte seiner Amtszeit die politische Mehrheit im Kongress verliert, ist historisch gesehen eher die Regel. Doch inzwischen stehen sich Demokraten und Republikaner derart unversöhnlich und teils feindlich gegenüber, dass Kooperation kaum noch möglich und Rache zu einer festen politischen Kategorie geworden ist.

Bei den Zwischenwahlen entscheidet sich, wie sich die restlichen zwei Jahre seiner Amtszeit für Biden gestalten wird.
Bei den Zwischenwahlen entscheidet sich, wie sich die restlichen zwei Jahre seiner Amtszeit für Biden gestalten wird.

© Foto: Saul Loeb/AFP

Das macht die Aussicht für Biden besonders unangenehm, es künftig womöglich mit einem Kongress zu tun zu haben, der ganz oder teilweise von den Republikanern kontrolliert wird. Die drohen unverhohlen mit parlamentarischen Untersuchungen und Blockade. Der Wahlausgang ist besonders unberechenbar.


Das sind die möglichen Szenarien

1. Ein geteilter Kongress

Laut Umfragen wäre folgendes gut möglich: Die Republikaner erobern die Mehrheit im Repräsentantenhaus und die Demokraten verteidigen ihre Mehrheit im Senat. Das wäre erst mal erfreulich für Biden, denn üblicherweise verliert die Partei des Präsidenten bei den „Midterms“ Sitze in beiden Kammern. Unangenehm würde es für Biden trotzdem.

Die Republikaner drohen mit diversen Untersuchungen gegen Demokraten oder gar Amtsenthebungsverfahren gegen Mitglieder des Biden-Kabinetts.

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Der Rechtswissenschaftler Gregory Magarian von der Washington University in St. Louis meint, viele in der Partei wollten „Rache“ üben für das Vorgehen gegen den früheren republikanischen Präsidenten Donald Trump: Zwei Amtsenthebungsverfahren liefen gegen ihn, ein Untersuchungsausschuss geht seiner Rolle bei der Attacke auf das US-Kapitol nach. Das Ziel einiger Republikaner ist, nun im Gegenzug Biden und seiner Regierung das Leben schwer zu machen.

Vor allem würde der Präsident bei diesem Ausgang keine großen Gesetzesvorhaben mehr durch den Kongress bringen können - „weil ihm die Republikaner keine Erfolge gönnen und nicht wollen, dass er seine Bilanz verbessert“, sagt Johannes Thimm, USA-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik. Das könnte auch Folgen weit über die USA hinaus haben: Denn die Republikaner könnten womöglich ebenso die Ukraine-Hilfen, die vom Kongress bewilligt werden müssen, blockieren oder ausbremsen.

Der oberste Republikaner im Repräsentantenhaus, Kevin McCarthy, der Vorsitzender der Kammer werden will, hat genau das angedroht und argumentiert, inmitten einer Rezession könnten die USA der Ukraine keinen „Blankoscheck“ ausstellen. Experten vermuten dahinter allerdings eher einen Versuch McCarthys, Druck aufzubauen.

Fraktionsvorsitzender der Republikaner Kevin McCarthy will nun auch Vorsitz des Repräsentantenhauses übernehmen.
Fraktionsvorsitzender der Republikaner Kevin McCarthy will nun auch Vorsitz des Repräsentantenhauses übernehmen.

© Foto: Reuters/ELIZABETH FRANTZ

Die theoretische andere Variante, dass die Demokraten ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus halten und die Republikaner dafür die Mehrheit im Senat holen könnten, gilt als sehr unwahrscheinlich.

2. Eine Mehrheit für die Republikaner in beiden Kammern

Sollten die Republikaner die Mehrheit in beiden Kammern gewinnen, wäre das bitter für Biden. „Dann hat er drei Probleme“, sagt Thimm: „Er bekommt keine Gesetze mehr durch, muss sich mit Untersuchungen herumschlagen und bekommt auch keine Nominierungen im Senat mehr durch.“

Wichtige Personalien auf Bundesebene – etwa Botschafter, Kabinettsmitglieder oder Bundesrichter - müssen vom Senat bestätigt werden. Gerade die Berufung von Richtern hat Gewicht: „Das haben beide Parteien zu einer Priorität gemacht, weil da die Kämpfe über die politische Zukunft des Landes ausgefochten werden“, sagt Thimm.

Das würde erst mal Blockade und Reformunfähigkeit bedeuten.

Johannes Thimm, USA-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik, über die Aussicht eines Mehrheitsverlustes der Demokraten

Verlieren die Demokraten auch ihre hauchdünne Mehrheit im Senat, käme also vieles zum Stillstand. „Das würde erst mal Blockade und Reformunfähigkeit bedeuten“, erklärt Thimm, betont aber: „Biden bleibt dann das exekutive Regieren: per Dekret, per Anordnung, per Regulierung durch nachgeordnete Behörden.

Da geht schon noch eine ganze Menge.“ Viele dieser Befugnisse hat Biden allerdings schon zu Beginn seiner Präsidentschaft ausgespielt. Deshalb stellt sich die Frage, ob er auf diese Weise noch größere Vorhaben anstoßen könnte.

3. Eine Mehrheit für die Demokraten in beiden Kammern

Derzeit haben Bidens Demokraten eine knappe Mehrheit in beiden Kongresskammern, im Senat nur eine hauchdünne. Sie besetzen dort 48 der 100 Sitze, zwei Unabhängige stimmen nahezu immer mit ihnen.

Auf eine Mehrheit kommen sie nur durch die Stimme von US-Vizepräsidentin Kamala Harris, die gleichzeitig Präsidentin des Senats ist und in einer Pattsituation mit abstimmen darf. Bliebe es dabei, wäre das für Biden eine echte Sensation - angesichts der sonst üblichen Verluste für den Präsidenten bei den „Midterms“.

Senator Joe Manchin pflegt große Differenzen mit Parteikollegen und US-Präsident Biden.
Senator Joe Manchin pflegt große Differenzen mit Parteikollegen und US-Präsident Biden.

© AFP

Das hieße, Biden könnte weitermachen wie bisher. Dass das aber auch nicht immer einfach ist, haben die vergangenen zwei Jahre gezeigt. „Auch mit einfachen Mehrheiten kann Biden nicht durchregieren“, sagt Thimm. Vor allem zwei Parteikollegen machten Biden im Senat das Leben schwer: Joe Manchin und Kyrsten Sinema blockierten diverse seiner Vorhaben – auch ein gewaltiges Investitionsprogramm für Klima und Soziales, das Biden als Vermächtnis seiner Präsidentschaft angepeilt hatte. Am Ende konnte er nur Teile davon durchsetzen.


Ab wann wird gewählt und wann gibt es Ergebnisse?

Die ersten Wahllokale an der US-Ostküste öffnen am Dienstag um 6.00 Uhr morgens (Ortszeit; 12.00 Uhr MEZ). Nach Schließung der Wahllokale werden die großen US-Sender am Abend – in Deutschland in der Nacht auf Mittwoch – die Sieger in einzelnen Rennen bekanntgeben.

Sollten die Republikaner eine deutliche Mehrheit im Repräsentantenhaus gewinnen, dürften US-Medien das im Verlauf des späten Abends oder in der Nacht verkünden.

Besonders viel Zeit könnte in diesem Jahr vergehen, bis die künftige Senatsmehrheit feststeht. Das liegt daran, dass für den künftigen Senat wie bislang sehr knappe Mehrheitsverhältnisse erwartet werden. Außerdem haben mehrere wichtige Rennen, etwa in den Bundesstaaten Georgia, Nevada und Pennsylvania, keinen klaren Favoriten.

Georgia nimmt ohnehin eine Sonderrolle ein: Der Südstaat verlangt als fast einziger Bundesstaat, dass ein Senatskandidat im ersten Wahlgang auf mehr als 50 Prozent der Stimmen kommt. Gelingt dies nicht kommt es am 6. Dezember zur Stichwahl. 


Wer ist wahlberechtigt?

In den Vereinigten Staaten kann nicht jeder ab einem bestimmten Alter zur Abstimmung gehen. Stattdessen müssen sich Wahlwillige in ein Verzeichnis eintragen lassen und dabei auch angeben, ob sie als „Demokrat“, „Republikaner“ oder „Unabhängig“ geführt werden wollen.

2020 waren laut Zensus rund 252 Millionen Amerikaner über 18 Jahren grundsätzlich wahlberechtigt, etwa 155 Millionen gaben eine Stimme ab - diese rund 67 Prozent waren für die USA ein sehr hoher Wert.


Wichtige Themen der Wahl: Wirtschaft, Abtreibung, Demokratie

Je nach Parteipräferenz geben die Wähler in diesem Jahr stark unterschiedliche Themen an, die für sie besonders wichtig sind. In einer Umfrage des öffentlich-rechtlichen Radios NPR sagten Republikaner, dass für sie besonders Inflation, Einwanderung und Abtreibung wichtige Themen seien. Demokraten nannten als bedeutendste Themen Abtreibung, die Aufarbeitung des Sturms auf das Kapitol am 6. Januar 2021 und das Gesundheitssystem.

Auffällig ist auch eine hohe Unzufriedenheit mit Präsident Joe Biden. Laut einem Durchschnitt aus den jüngsten Umfragen der Statistikseite „Fivethirtyeight“ befürworten nur knapp 42 Prozent der US-Amerikaner seine Politik, 53 Prozent lehnen sie ab – bei früheren Midterms waren solche Umfragewerte oft ein zuverlässiger Hinweis auf das Abschneiden der Regierungspartei. (dpa, AFP)

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