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Militär-Seelsorge: Überrascht vom Besuch in Afghanistan

Nach seinem Besuch des deutschen Feldlagers in Mazar-i-Sharif macht sich der EKD-Vorsitzende Nikolaus Schneider für die Soldaten im Krisengebiet stark. Er hält den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan noch eine Weile für nötig.

„Es gibt Hoffnung in Afghanistan – aber es ist Hoffnung auf dünnem Eis“. Das sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), der rheinische Präses Nikolaus Schneider, am Sonntag in Düsseldorf. Von Mittwoch bis Samstag hatte er zusammen mit dem evangelischen Militärbischof Martin Dutzmann und dem EKD-Friedensbeauftragten Renke Brahms das deutsche Feldlager in Mazar-i-Sharif besucht: Gottesdienste mit den Soldaten standen ebenso auf dem Programm wie der Besuch ziviler Wiederaufbauprojekte.

Und vor allem letztere trugen wohl dazu bei, dass Schneider den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr heute anders bewertet als seine Amtsvorgängerin Margot Käßmann, die in ihrer Neujahrspredigt 2010 noch den legendären Satz „nichts ist gut in Afghanistan“ geprägt hatte. „Ich distanziere mich nicht von diesem Satz“, sagte Schneider am Sonntag. Er sei eine nötige Provokation gewesen. Dennoch sei er davon überrascht worden, wie viel im zivilen Wiederaufbau geschehe, von der Einrichtung von Frauenhäusern bis zu Ausbildungsprojekten für Lehrer. „Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein – trotzdem gibt es Situationen, in denen man daran nicht vorbeikommt“, sagte Schneider. „Die Mehrzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der zivilen Organisationen sagten uns, dass es zurzeit noch nötig ist, dass die Bundeswehr mithilft, Sicherheit in der Fläche zu gewährleisten.“

Schneider sprach sich allerdings für einen „verantwortlichen Abzug“ der Bundeswehr aus. „Fast zehn Jahre ist die Bundeswehr im Land. Deutsche Soldaten dürfen nicht zu Besatzern werden.“ Mehr gesellschaftliche Anerkennung für Kriegsverwundete forderte hingegen der evangelische Militärbischof Martin Dutzmann: Wochenlang habe das Schicksal des „Wetten Dass“-Kandidaten Samuel Koch die Medien bewegt. Hingegen interessiere niemanden die Situation eines Verwundeten, der „blind oder im Rollstuhl“ aus Afghanistan zurückkehre.

Schneider macht keinen Hehl daraus, dass die Kirche in einem unauflöslichen Dilemma steckt. In der Seelsorge werden die Militärpfarrer in Afghanistan inzwischen weniger mit familiären Nöten der Soldaten konfrontiert als mit ethischen Fragen: „Was ist, wenn ich einen Menschen töten muss? Was ist, wenn ich im Gefecht falle?“ Auch die Führung der Internationalen Schutztruppe Isaf hat den Abgesandten der Kirche klargemacht, dass die Soldaten „am heißen Ende“ ihres Einsatzes angekommen seien. „Das heißt, sie müssen schießen“, sagte Schneider. Angesichts der lebensbedrohlichen Situation für die häufig von Aufständischen angegriffenen Soldaten könne er das „nicht unverantwortlich finden“. (mit dpa)

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