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Donald Trump, Präsident der USA, trifft im Ostsaal des Weißen Hauses ein.

© Alex Brandon/AP/dpa

Möglicher Truppenabzug aus Afghanistan?: Nato befürchtet weitere Alleingänge Trumps

Die Ankündigungen von US-Präsident Donald Trump sorgen in der Nato für Unruhe. Vor den Wahlen im November befürchtet man weitere unkalkulierbare Entscheidungen.

Die US-Pläne für einen Abzug Tausender Soldaten aus Deutschland schüren in der Nato die Sorge vor noch folgenreicheren Alleingängen des mächtigsten Alliierten. Am Rande einer Videokonferenz der Verteidigungsminister hieß es am Mittwoch aus Bündniskreisen, dass Präsident Donald Trump offensichtlich erwäge, noch vor der US-Präsidentschaftswahl im November einen vollständigen Rückzug der US-Truppen aus Afghanistan zu beschließen.

Eine solche Entscheidung würde gegen zentrale Zusagen an die europäischen Alliierten verstoßen und hätte unkontrollierbare Konsequenzen. So müsste der Nato-Ausbildungseinsatz in Afghanistan höchstwahrscheinlich sofort beendet werden, da die US-Truppen derzeit maßgeblich für die Sicherheit sorgen.

Im Nato-Bündnis wird befürchtet, dass es in Folge wieder zu einer Destabilisierung durch islamistische Talibankämpfer und zu Rückschritten bei Demokratie und Menschenrechten kommt. Das fast zwei Jahrzehnte lange Nato-Engagement in Afghanistan könnte so umsonst gewesen sein.

Entscheidung zum Truppenabzug aus Deutschland fiel wohl ohne Absprache

Öffentliche Äußerungen von Verteidigungsministern zu dem Thema gab es zunächst nicht. Diplomaten bestätigten allerdings, dass Trumps Ankündigungen über einen Teilabzug von Truppen aus Deutschland im Bündnis zusätzliche Unruhe ausgelöst haben. Sorgen macht demnach vor allem, dass die Entscheidung ohne vorherige Konsultationen getroffen wurde.

„Je mehr Trump seine Wiederwahl in Gefahr sieht, desto gefährlicher wird es auch für die Nato“, kommentierte ein europäisches Delegationsmitglied. Trump habe seinen Wählern schließlich bereits bei seiner ersten Wahl versprochen, möglichst schnell viele amerikanische Truppen nach Hause zu holen.

In diesem Zusammenhang wird nun auch Trumps Ankündigung gesehen, fast 10.000 der derzeit 34.500 Soldaten aus Deutschland abziehen zu wollen. Offiziell begründete der US-Präsident seine Entscheidung mit der Weigerung der Bundesregierung, die deutschen Verteidigungsausgaben bis 2024 auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen.

Jens Stoltenberg, Nato-Generalsekretär will die US-Pläne für einen Teilabzug von Truppen aus Deutschland mit den Bündnisstaaten diskutieren.

© Francois Lenoir/dpa

Bitter sind die Entwicklungen für die Nato vor allem deswegen, weil sie die harsche Kritik des französischen Präsidenten Emmanuel Macron zu bestätigen scheinen. Dieser hatte das Bündnis im vergangenen Jahr als hirntot bezeichnet und angeprangert, dass es bei wichtigen strategischen Entscheidungen keine Koordinierung unter Bündnispartnern gebe.

Trumps letzter Alleingang war Rückschlag für Stoltenberg

In Folge startete Generalsekretär Jens Stoltenberg zuletzt einen Reflexionsprozess zur Stärkung der politischen Zusammenarbeit innerhalb des Bündnisses. Trumps jüngster Alleingang ist nun ein herber Rückschlag für ihn.

Mit Blick auf mögliche Hiobsbotschaften zu Afghanistan versuchte Stoltenberg, in der Abschluss-Pressekonferenz zu beruhigen. Man sei nach den Gesprächen mit US-Verteidigungsminister Mark Esper auf weitere Truppenreduzierungen vorbereitet, sagte er am Mittwochabend. Besprochen sei allerdings, dass man koordiniert vorgehe und weitere Schritte von den Entwicklungen in Afghanistan abhängig mache.

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Im Mittelpunkt der zweitägigen Beratungen der Verteidigungsminister sollten ursprünglich Themen wie der Umgang der Nato mit der Stationierung von atomwaffenfähigen russischen Marschflugkörpern in Europa stehen. So will das Bündnis nach Beschlüssen vom Mittwoch im bodengestützte Luftverteidigungssysteme ausbauen und Übungen und Aufklärungskapazitäten anpassen. Zudem sind auch Anpassungen der atomaren Abschreckung geplant.

Ein Ausbau der Abschreckung könnte zum Beispiel durch zusätzliche Übungen mit Atombombern oder nuklear bewaffneten U-Booten erfolgen. Lediglich Planungen für die Stationierung neuer landgestützter atomarer Mittelstreckenwaffen werden bislang ausgeschlossen.

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Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums sagte der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch, Russland habe mit der Stationierung neuer nuklearfähiger Mittelstreckenraketen die Verschlechterung der Sicherheitslage in Europa zu verantworten. Nun seien Anpassungen notwendig, ohne das aggressive russische Verhalten zu spiegeln.

„Wir werden mehr üben, um schneller auf mögliche Entwicklungen reagieren zu können“, erklärte der Sprecher. Zudem sei eine Analyse der Fähigkeiten zur Frühwarnung und Aufklärung sowie der konventionellen Verteidigungssysteme notwendig. Darüber hinaus werde die Nato unverändert den Dialog mit Russland suchen und „alle glaubwürdigen Initiativen zu verifizierbarer Abrüstung, Rüstungskontrolle, Nichtverbreitung unterstützen.

US-Verteidigungsminister Esper hatte sich kurz vor der Konferenz per Twitter zu Wort gemeldet: Er freue sich über Diskussionen zu zentralen Sicherheitsfragen, schrieb er zu den Beratungen mit den Nato-Kollegen. Als Beispiele nannte er eine Stärkung der Abschreckung und das Thema Verteidigungsausgaben. (dpa)

Ansgar Haase

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