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Der ehemalige russische Parlamentsabgeordnete Denis Woronenkow wurde am Donnerstag in Kiew erschossen.

© Oleksandr Synytsia/AP/dpa

Mord an russischem Politiker in Kiew: „In Russland sagen sie, wir sind Verräter“

Der russische Ex-Abgeordnete Denis Woronenkow, der in Kiew erschossen wurde, hatte seit Wochen Drohungen erhalten. Drei Tage vor seinem Tod gab er noch ein Interview.

Drei Tage vor seinem gewaltsamen Tod hatte der russische Ex-Abgeordnete Denis Woronenkow in der Bar des Fünf-Sterne-Hotels Premier Palace in Kiew ein letztes Interview gegeben. „Es ist ein völlig amoralisches System“, sagte er der „Washington Post“ über Russland. Er berichtete von Drohungen, die er bekam, und gab der Befürchtung Ausdruck, die Machthaber könnten in ihrem Zorn zu „extremen Maßnahmen“ greifen. „Es ist schwer zu sagen, was passieren wird.“ Seine Frau und er würden dämonisiert, sagte Woronenkow, der seit Oktober 2016 im ukrainischen Exil lebte. „In Russland sagen sie, wir sind Verräter.“ Keine 72 Stunden später wurde Woronenkow vor dem Hotel mit zwei Schüssen in den Kopf getötet.

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko sprach umgehend von einem „Akt des Staatsterrorismus durch Russland“, der Kreml nannte die Vorwürfe „absurd“. Am Freitag wurde bekannt, dass ein früherer Angehöriger der ukrainischen Nationalgarde die Schüsse abgegeben hatte. Er selbst war von Woronenkows Leibwächter angeschossen worden und kurz darauf gestorben.

Woronenkow stimmte für die Annexion der Krim

Das Opfer des Attentats war keineswegs ein typischer Oppositioneller. Woronenkow saß von 2011 bis 2016 für die Kommunisten in der Staats-Duma. Die Partei ist zwar auf dem Papier in der Opposition, stimmt aber bei wichtigen Entscheidungen stets gemeinsam mit der Kremlpartei „Einiges Russland“. Als die Duma 2014 über die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim entschied, votierte Woronenkow dafür – später, nachdem er nach Kiew geflohen war, behauptete er, bei der Abstimmung gar nicht dabei gewesen zu sein, ein anderer müsse seine Stimmkarte abgegeben haben.

In der Vergangenheit liefen in Russland Ermittlungen gegen ihn wegen Betrugs, doch seine Immunität als Abgeordneter wurde nicht aufgehoben. Der russische Oppositionelle Alexej Nawalny berichtete, dass der Abgeordnete eine fast 450 Quadratmeter große Wohnung im Zentrum Moskaus sowie weitere Immobilien und Luxusautos besaß, die er mit seinem Einkommen nicht hätte finanzieren können. Zudem war er Miteigentümer einer Offshore-Firma auf den Jungferninseln.

Aussage in Verfahren gegen Janukowitsch geplant

Was letztlich zum Bruch zwischen Woronenkow und dem System führte, ist unklar. Im Dezember nahm er die ukrainische Staatsbürgerschaft an. Wenig später wurden in Russland neue Ermittlungen gegen den 45-Jährigen aufgenommen. Der Ex-Abgeordnete verurteilte nun die Annexion der Krim öffentlich, was empörte Reaktionen in seiner Heimat hervorrief. Vor allem arbeitete er mit ukrainischen Ermittlern zusammen, die ein Verfahren gegen den früheren Staatschef Viktor Janukowitsch vorbereiten. Nach den Protesten auf dem Maidan 2014 hatte sich Janukowitsch nach Russland abgesetzt. Woronenkow war bereit, vor Gericht auszusagen.

Das Attentat weckt Erinnerungen an frühere Todesfälle von Russen, die sich mit dem Kreml überworfen hatten. In London wurde 2006 der frühere Geheimdienstler Alexander Litwinenko mit radioaktivem Polonium vergiftet.

Auf den Tag genau vier Jahre vor dem Mord an Woronenkow starb in Großbritannien der russische Oligarch Boris Beresowski, der zuerst von seiner Nähe zum Kreml profitiert hatte und später zu einem der schärfsten Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir Putin wurde.

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