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Update

Nach Übergriffen in Köln: "Tut mir leid, was passiert ist"

Ghaith Aldeban aus Syrien fürchtet, dass die Willkommenskultur kippt. Wie andere Flüchtlinge reagiert er auf seine Weise auf die Ereignisse aus der Silvesternacht.

Nach den Übergriffen in Köln an Silvester beginnen Flüchtlinge sich öffentlich für die Taten zu entschuldigen und davon zu distanzieren. Insbesondere Männer aus der arabischen Welt schämen sich für die Diebstähle und auch die zahlreichen sexuellen Übergriffe auf Frauen auf der Kölner Domplatte. Für nächste Woche Dienstag rufen einige von ihnen auf Facebook zu einer Versammlung auf. Unter dem Motto: "Syrische Flüchtlinge sagen Nein zu den Übergriffen von Köln" wollen die Aktivisten gegen "Gewalt, Sexismus und Rassismus" aufstehen. Mehr als 500 Zusagen gibt es bereits.

Vier Flüchtlinge aus Duisburg und Mülheim/Ruhr schrieben bereits am Wochenende einen offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel, der auf große mediale Resonanz stieß. Darin heißt es: „Wir treten dafür ein, die Würde und Ehre von Frauen zu schützen". Und zu den Übergriffen: „Wir ächten das und ekeln uns vor so etwas."

Asylbewerber aus Köthen in Sachsen-Anhalt wiederum verfassten ein Schreiben, in dem sie erklären, dass die Verbrechen an Frauen keinesfalls in ihr Weltbild passen. In dem Brief, der an "die deutschen Frauen" adressiert ist, heißt es: „Wir wollen Euch sagen, dass wir uns schämen für die ekelhaften, unmenschlichen Dinge, die in Köln am Silvesterabend passiert sind.“ Man sei nach Deutschland gekommen, um in Frieden zu leben.

Und auch in Köln sprachen Syrer den überfallenen Frauen ihr Mitgefühl aus und entschuldigten sich für die Taten. Einer von ihnen ist Basel Esa. Der gebürtige Syrer lebt zurzeit in Bergheim nahe Köln und war nach eigener Aussage in der Silvesternacht auf der Domplatte. Er sah selbst, was dort vor sich ging, wie Männer Frauen an den Hintern fassten, wie betrunken viele waren und nennt die Vorkommnisse die Taten von "Verrückten". Er sagte dem Tagesspiegel: "Ich hoffe, dass die Menschen in Deutschland verstehen, dass diese Menschen nicht Syrien repräsentieren. So sind wir nicht."

Angst um die Willkommenskultur

Mit diesen Appellen wollen die Flüchtlinge neues Vertrauen zur Bevölkerung aufbauen. Sie befürchten, dass die Übergriffe - wie bereits geschehen - pauschalisiert werden und ein schlechtes Licht auf die eine Millionen Neuankömmlinge werfen. Zudem beschreiben sie ihre Angst, dass die Übergriffe die deutsche Willkommenskultur vernichten und die Flüchtlingsdebatte in eine falsche Richtung lenken könnte.
Hanna Machulla, Koordinatorin für Wohnheime beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) in Köln, berichtet, dass das ehrenamtliche Engagement in der Flüchtlingshilfe nicht zurückgeht. Gleiches stellen die Johanniter in Köln fest. Doch die Flüchtlinge sind beunruhigt, erzählt Machulla vom DRK: "Die Asylbewerber verurteilen die Ereignisse und sind natürlich aufgeregt." In den Unterkünften werde das Thema deshalb viel darüber diskutiert. Der Tenor ist meist der gleiche: "Die Menschen in den Unterkünften haben Angst, dass die Übergriffe an Silvester jetzt böse Folgen für sie haben." Ein erstes Beispiel sei der Übergriff auf eine pakistanisch Gruppe vom Wochenende. Auf die Frage, ob Flüchtlinge Angst haben die Unterkünfte zu verlassen, sagt Machulla: "Noch nicht."

Der Syrer Ghaith Aldeban hat sich deshalb vor einigen Tagen für mehrere Stunden mit einem Plakat auf den Domplatz gestellt. Darauf stand handschriftlich und in Deutsch: „Tut mir leid was passiert ist, um Köln Frauen in der Stadt“ (sic). Andere Aktivisten verteilten Rosen an Passanten auf der Domplatte. Sie wollen verhindern, dass die Stimmung zu Gunsten der Rechten kippt. Dem Tagesspiegel sagte Aldeban: „Deutschland hat mir Sicherheit und Frieden gegeben, deswegen möchte ich mich entschuldigen - und etwas zurückgeben.“ Er warnte davor, alle Flüchtlinge für die "abscheulichen Taten" einiger weniger zu bestrafen. Die Reaktionen auf seine Aktion in Köln allerdings war verhalten. Zwar bedankten sich einige Passanten für sein Statement, doch „viele haben einfach nur böse geguckt“, berichtet Aldeban.

Aktion aus Paris als Vorbild

Die Aktion Ghaith Aldebans erinnert an muslimische Aktivisten, die nach den Anschlägen von Paris ähnlich reagiert hatten. Auch sie wollten sich öffentlich von den Taten der Terroristen distanzieren. Einer der Aktivisten stellte sich daraufhin in die Pariser Innenstadt, die Augen verbunden, vor sich ein Plakat auf dem auf Englisch stand: "Ich bin ein Muslim, aber man sagt mir ich wäre ein Terrorist. Ich vertraue dir, vertraust du mir? Wenn ja, drück mich." Mehrere hundert Menschen umarmten den Muslim vor laufender Kamera, die weltweiten Reaktionen waren enorm. Mehr als zwei Millionen Mal wurde die Aktion, die zu mehr Differenziertheit in Debatten aufrief, geklickt.

Nils Wischmeyer

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