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Politik: Nachts allein, tags in der Gruppe

Neun Bundesländer legen Entwurf für modernen Jugendstrafvollzug vor / Ausbildung steht im Mittelpunkt

Berlin - Die Kleinsten waren die Schnellsten: Drei Monate nachdem die Föderalismusreform die Länder für den Strafvollzug verantwortlich machte, haben am Donnerstag neun Justizministerien einen gemeinsamen Gesetzentwurf für den Jugendstrafvollzug vorgelegt. Die Berliner Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) sagte: „Wir werden nun zu einem Jugendstrafvollzugsgesetz kommen, das den besonderen Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an jugendgerechte Ausgestaltung Rechnung trägt und zugleich Sicherheitsaspekte gebührend berücksichtigt.“ Die Karlsruher Richter hatten im vorigen Mai der Politik aufgetragen, bis Ende 2007 den Strafvollzug von Jugendlichen gesetzlich zu regeln. Neben Berlin und Thüringen, die den Entwurf federführend erarbeiteten, soll das neue Gesetz auch in Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Schleswig- Holstein, Bremen und dem Saarland gelten. Die neun Länder haben sich zusammengetan, weil sie wegen ihrer geringen Kapazitäten im Jugendstrafvollzug ohnehin auf Kooperation und gegenseitige Hilfe angewiesen sind, etwa beim Ausgleich von Überbelegungen. Die Magdeburger Justizministerin Angela Kolb (SPD) sagte, alle Befürchtungen und Vorwürfe, eine Zuständigkeit der Länder bringe einen „Flickenteppich“ und einen „Schäbigkeitswettbewerb“ um den billigsten Strafvollzug, seien mit dem Entwurf widerlegt. Die Brandenburger Justizministerin Beate Blechinger (CDU) wies darauf hin, dass ihr Landesmodell, das die Mitwirkung von Einrichtungen freier Träger vorsieht, mit dem Entwurf gestützt werde.

Thüringens Justizminister Harald Schliemann (CDU) betonte, absoluten Vorrang beim Jugendstrafvollzug müsse die Resozialisierung der Täter haben. Deshalb stehe nach dem Gesetz die Erziehung und Ausbildung der Jugendlichen während der Haft im Mittelpunkt. Wenn möglich, solle eine Berufsausbildung begonnen oder fortgesetzt werden können. Dies soll nach dem Entwurf auch über die Gefängniszeit hinaus gelten, um den Übergang nach dem Absitzen der Strafe zu erleichtern. Viele jugendliche Straftäter weisen laut Schliemann eine „defizitäre Erziehung und subkulturelle Sozialisation“ auf, was deren Eingliederung in ein normales Leben erschwere. Deshalb solle künftig auch mehr Wert auf eine Sozialtherapie während der Haft gelegt werden. Vorgesehen ist, erstmals in allen Jugendstrafanstalten dauerhafte sozialtherapeutische Abteilungen zu etablieren, um eine kontinuierliche Betreuung möglich zu machen. Dazu kommt eine Pflicht der Gefangenen, an Freizeitmaßnahmen teilzunehmen. Jede Woche sollen mindestens zwei Stunden Sport angeboten werden. Die monatliche Mindestbesuchszeit wird von einer auf vier Stunden erweitert.

Von der Aue sagte, die Jugendlichen sollten künftig nachts in Einzelzellen untergebracht werden. Dies solle die Gewalttätigkeit eindämmen und eine angemessene Rückzugsmöglichkeit schaffen. Tagsüber stehe dagegen der Strafvollzug in Wohngruppen im Mittelpunkt. Die Berliner Justizsenatorin sagte, der neue und bessere Strafvollzug für Jugendliche sei „nicht zum Nulltarif zu haben“. Für mehr Einzelzellen und mehr Gemeinschaftsräume seien weitere Baumaßnahmen in den Anstalten nötig. Die größeren Länder planen ebenfalls neue Gesetze, wollen teils aber den Jugendstrafvollzug zusammen mit dem allgemeinen Strafvollzug und dem Untersuchungshaftrecht regeln.

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