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Ehrliche Haut. So schlicht wie dieser Sessel ist sein Name: "M 1".

© intimade.com, Clemens Richter

Design aus Kreuzberg: Nackte Tatsachen

Federn machen einen Sessel erst bequem. Doch normalerweise werden sie versteckt. Warum? Manuel Binder fand das schade. Er designte ein Sitzmöbel, beim dem sich die Spiralen in den Vordergrund spielen.

Dieser Sessel zeigt, was er hat. Im wahrsten Sinne des Wortes: Seine Federn sind freigelegt. Nun wirkt er wie ein Kunstobjekt. Wie kommt man auf die Idee, ein Sitzmöbel so kühn zu entblättern?

Manuel Binder, der hinter dem Label Federstuhl steht, musste dazu erst in die USA reisen. Der BWL-Student landete als Praktikant bei einem Designer in New York. Dort half er im Marketing, tippte eine Möbelbeschreibung nach der anderen in den Computer. Befriedigend fand der Berliner das nicht. Vor seinem Studium hatte er eine Ausbildung zum Polsterer abgeschlossen. Ein Handwerk, das ihn – bis heute – fasziniert. Theoretisches und praktisches Wissen zu kombinieren, das reizte ihn. „Versuch’ doch selber mal, etwas zu designen“, riet sein New Yorker Chef auf Zeit. Und so entwarf Manuel Binder eben diesen Sessel. Er überlegte, welche Hölzer sich dafür eigneten, welche Polsterung passen könnte und wie Spiralen angeordnet sein mussten. Klar, ehrlich und zeitlos sollte das Ergebnis sein.

Sitzt man gut darauf?

Seit diesem Jahr ist sein Federstuhl nun unter dem schlichten Namen „M 1“ auf dem Markt, versehen mit dem Gütesiegel „Made in Berlin-Kreuzberg“. Schreiner, Polsterer und Näherinnen haben Hand an das ungewöhnliche Stück gelegt – sogar ein Glaser. Denn die 16 Taillenfedern – veredelt mit Nickel oder Kupfer – präsentieren sich geschützt hinter durchsichtigen Scheiben. Eine kann sogar zur Seite geschoben werden, falls die Federn gewartet werden müssen. Puristen bekommen den Sessel aber auch ohne Glas.

„M 1“ ist bereits für den German Design Award 2018 nominiert. Das Möbel ist ein echter Hingucker und könnte zum Beispiel im Foyer eines Designhotels Furore machen. Aber erfüllt es auch seinen eigentlichen Zweck? Sitzt man gut darauf? „Ich wollte keinen Loungesessel machen", erklärt Manuel Binder, „aber bequem sollte er natürlich sein.“ Hat geklappt. Die Höhe stimmt, der Neigungswinkel der Lehne, die Festigkeit der Polster gibt angenehmen Halt.

Der Kunde kann, wenn er mag, den Sessel am Computer konfigurieren, so wie er es zum Beispiel mit seinem Wunschauto tut. So ist der Vollholzrahmen aus Birke, Eiche oder Nussbaum wählbar, den Bezugsstoff gibt es in vielen Farben und Qualitäten, auch in Leder. Hochwertig ist auch, was eher im Verborgenen bleibt: Die Jutegurte werden gemäß althergebrachter Handwerkskunst in den Rahmen gespannt und bilden das Fundament der Federn.

Es muss handwerklich perfekt sein

So ein Manufakturprodukt hat natürlich seinen Preis. Wird es genügend Käufer finden? Für sein Unternehmen benötigte Manuel Binder Startkapital. Das bekam er von einer Bank, die er mit seinem Businessplan überzeugt hatte. Mit Zahlen kennt sich der Jungunternehmer gut aus. Bei Siemens hat er mal im Controling gejobbt. Und In der Abschlussarbeit seines BWL-Studiums hatte er sich mit dem Thema beschäftigt, welche Ursachen Start-ups am Erfolg hindern. „Scheitern gehört ja auch zum Gründen“, sagt der 31-Jährige.

Eine Möglichkeit, es zu vermeiden ist der langsame Wachstumsprozess. Auf „M 1“ könnten „M 2“ und „M 3“ folgen. Binders Anspruch: Es muss in jedem Fall handwerklich perfekt sein. Ein High End-Produkt. Abstriche an die Qualität sind tabu. Manuel Binder hat immer davon geträumt, ein Gründer zu sein. „Da ist der Reiz, etwas Aufregendes zu machen“, sagt er. Andere planen einen Roadtrip in ferne Länder, er wollte sein eigenes Ding durchziehen. „Das ist ja auch ein Abenteuer“, sagt er. Seines ist ein Sessel, der kreativ und handwerklich überzeugt.

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