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Naher Osten: Deutschland will zwischen Israelis und Palästinensern vermitteln

Die Kanzlerin und der Palästinenserpräsident diskutieren über die gestoppte Friedensverhandlung zwischen Israel und den Palästinensern. Merkel kündigt deutsche Hilfe an.

Die Kommunikation ist gestört. Mahmud Abbas fummelt an seinem Ohrhörer herum, während Angela Merkel im Kanzleramt ihr Pressestatement beginnt. Der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde versteht sie nicht, Merkel unterbricht ihre Rede, beugt sich zum Gast vor, schaut fragend. Abbas macht unverständliche Gesten. Merkel fährt im Text fort. "Das Ziel muss eine Zwei-Staaten-Lösung sein", sagt die Kanzlerin. "Über das Ziel sind sich ja alle eigentlich einig."

Merkel sagt auch, dass mit der Roadmap der Weg bereits skizziert sei. 2003 wurde dieser so genannte Friedensfahrplan unterzeichnet. Alle Argumente sind bei direkten und indirekten Verhandlungen ausgetauscht, unzählige Erklärungen des guten Willens unterzeichnet, Hundert Mal der Frieden im Nahen Osten beschworen worden. Doch passiert ist in den vergangenen Monaten wenig Positives: Im Gaza-Krieg vor einem Jahr begingen Israelis und Palästinenser laut UN zahlreiche Kriegsverbrechen. Beide Seiten dementieren dies. Hunderte Menschen starben bei den Gefechten zwischen Hamas und der israelischen Armee. Die Friedensverhandlungen zwischen Palästinensern und Israelis sind ausgesetzt – wann sie weitergehen könnten, ist völlig offen. Israel baut seine Sperranlage, die Mauer zu den Palästinensergebieten, weiter aus. Es hält die Blockade des Gaza-Streifens aufrecht und unterbindet nicht den illegalen Bau von jüdischen Siedlungen auf palästinensischem Gebiet.

Die Palästinenser sind weiterhin uneinig – Fatah, die Partei von Abbas, und Hamas bekämpfen sich politisch und hin und wieder auch mit Waffen. Die Hamas gesteht Israel weiterhin kein Existenzrecht zu und hält den israelischen Soldaten Gilat Shalit seit Jahren gefangen. Ziel der Hamas bleibe die Befreiung von ganz Palästina, sagte der Führer der islamistischen Organisation, Ismail Hanija, auf einer Kundgebung Mitte Dezember: "Palästina vom Mittelmeer bis zum Fluss Jordan ist ein islamisches Gebiet, das nicht Gegenstand von Konzessionen ist." Wer den Nahost-Konflikt betrachtet, stößt schnell auf eine stattliche Anzahl an Problemen – nur Lösungen sind kaum auszumachen.

Auch die Kanzlerin sieht die vielen Probleme. "Natürlich bereitet uns die humanitäre Lage in Gaza Sorgen", sagt die Kanzlerin. Kritik an Israel äußert sie nicht. Dennoch wolle Deutschland helfen, den Friedensprozess wieder zu beleben. Wie das aussehen könne, verrät Merkel nicht.

Abbas hört ihr zu, mit vor dem Bauch gefalteten Händen. Er schaut sehr ernst, fast grimmig. Er nickt selten und lächelt während der Pressekonferenz kein einziges Mal. Die Kommunikation zwischen dem Palästinenserpräsidenten und der Kanzlerin scheint nicht nur wegen defekter Übersetzungstechnik gestört. Auch Angela Merkel spart sich ihr Begrüßungslächeln, das sie sonst für die ausländischen Besucher auflegt. Im Bundeskanzleramt gab es schon fröhlichere Begegnungen mit der Presse, als beim Besuch von Abbas am Montagmittag.

Eine Stunde nimmt sich Merkel für den Gast aus Palästina. Für die israelische Delegation um Premierminister Benjamin Netanjahu hatte die Kanzlerin bei den Regierungskonsultationen im Januar noch einen ganzen Tag reserviert. Und auch für Schimon Peres, den israelischen Präsidenten, der mehrere Tage in Berlin weilte und am Holocaust-Gedenktag eine Rede im Bundestag hielt, hatte Merkel viel Zeit übrig. Die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Israel sind traditionell besonders. Dagegen wirkt das Verhältnis zwischen Merkel und Abbas schon auf den ersten Blick deutlich kühler, als das zwischen der Kanzlerin und ihrem "Freund" Netanjahu.

Die Bundeskanzlerin hatte nach dem Treffen mit Netanjahu eine neue Bewegung im Nahost-Friedensprozess gefordert und ein stärkeres deutsches Bemühungen für eine Zwei-Staaten-Lösung angekündigt. Wie dieser Beitrag konkret aussehen soll, blieb auch damals unklar.

Merkel bleibt ihrer Linie treu und fordert in der Öffentlichkeit von ihrem Gast wenig, verspricht ihm aber auch nicht viel. Die Kanzlerin sagt, dass Deutschland den eingeschlossenen Gaza-Streifen mit Treibstoff-Lieferungen unterstützen werde. Und sie kündigt zudem die Gründung einer deutsch-palästinensischen Wirtschaftskommission an.

Sie drängt Abbas, den Vorschlag des US-Sondergesandten George Mitchell umzusetzen. Der Amerikaner schlug vor, dass Israelis und Palästinenser zunächst nicht direkt miteinander verhandeln, sondern mit Vermittlern Annäherungsgespräche führen sollten. Moderatoren könnten beide Seiten dann auf einen gemeinsamen Weg bringen. "Ich glaube, Israel steht dem auch positiv gegenüber", sagt Merkel. "Und es wäre schön, wenn auch die palästinensische Seite zu einer positiven Beurteilung kommen würde." Diesen Wunsch erfüllt ihr Abbas nicht.

Er wolle in der kommenden Woche entscheiden, ob die Palästinenser den Mitchell-Vorschlag aufgreifen wollten, sagt Abbas. Der Palästinenserpräsident macht sonst keine Zugeständnisse.  Er hatte zuletzt mehrfach betont, erst wieder Friedensverhandlungen mit Israel aufnehmen zu wollen, wenn sich die Regierung in Tel Aviv zu einem vollständigen Baustopp in jüdischen Siedlungen im Westjordanland sowie in Ostjerusalem verpflichtet. Er benutzt oft das arabische Wort Salam, Frieden, aber er spricht auch vom "Wind des Krieges", der dem Nahen Osten drohe.

Abbas sieht müde aus. Seit 2005 ist er im Amt, ein Präsident ohne Land und ohne Votum des Volkes. Er regiert seit langem ohne Mandat, längst hätten die Palästinenser erneut wählen müssen, doch die verfahrene Situation zwischen Fatah und Hamas verhindert dies bislang. Am 28. Juni sollen die Palästinenser nun über die politische Spitze entscheiden. Der 74-jährige Abbas will nicht erneut kandidieren. Doch auch dieser Termin scheint fraglich zu sein, denn die beiden großen Palästinenserorganisationen sind sich über deren Ablauf uneins. Hamas kritisierte Abbas zuletzt scharf für die erneute Verlängerung der Amtszeit ohne Wahl.

Abbas besteht dennoch auf Wahlen. Der Präsident sagt, dass eine Versöhnung zwischen den Palästinensern wichtig sei. "Das Wichtigste ist aber, Wahlen abzuhalten für den Präsidenten und den Legislativrat." Der Rat hat 2007 zuletzt getagt. Und auch das Westjordanland wird seit mehr als zwei Jahren von einer Übergangsregierung geführt. Im Gaza-Streifen ergriff Hamas 2007 die Macht.

Peres sagte vergangene Woche, er sehe gute Chancen für die Schaffung eines Palästinenser-Staates in naher Zukunft. Dann könnten Israelis und Palästinenser Seite an Seite in Frieden und Respekt leben. Abbas formuliert vor seiner Abreise keine solche hoffnungsfrohe Botschaft. Er und seine Delegation behielten den nüchternen, ernsten Gesichtsausdruck auch bei der Verabschiedung bei. Das deutsche Vermittlungsangebot scheint der Fatah-Fraktion keinen neuen Mut gemacht zu haben.

Quelle: ZEIT ONLINE

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