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Die "Arische Bruderschaft" stellt den Sicherheitsdienst auf dem Festival.

© Daniel Schäfer/dpa

Neonazi-Festival „Schild und Schwert“: „Hier treffen sich die Paten des Rechtsterrors“

Wo auch die Unterstützer von „Combat 18“ feiern: In Ostsachsen hat das Neonazi-Festival „Schild und Schwert“ begonnen. Kurz: „SS“. Eine Reportage.

Das Hakenkreuz-Tattoo muss mit Pflastern überklebt werden, das T-Shirt „Adolf war der Beste“ ist okay. Die Neonazis haben gewusst, dass die Kontrollen vor dem Festivalgelände streng sein würden, der Veranstalter hat sie vorab per Videobotschaft gewarnt: Baseballschläger und Messer mit zu langer Klinge unbedingt zu Hause lassen. Und sich vergewissern, ob die Sprüche auf ihrer Kleidung gegen kein Gesetz verstoßen.

Dass die Kontrollen an diesem Wochenende aber derart drakonisch ausfallen würden, damit haben viele nicht gerechnet. Sachsens Polizei hat die einzige Zufahrtsstraße abgesperrt, die anreisenden Neonazis sitzen stundenlang in ihren Wagen, es geht nur alle 20 Minuten im Schritttempo vier, fünf Meter voran.

Auf dem Festivalgelände dann die nächste Überraschung: Alkoholverbot. Polizisten überbringen die Nachricht am Freitagnachmittag, lassen anschließend 4200 Liter Bier mit einem Laster abtransportieren. Alkoholkonsum würde die Gefahr von gewaltsamen Auseinandersetzungen erhöhen, heißt es zur Begründung.

Zum dritten Mal findet an diesem Wochenende das „Schwert und Schild“-Festival im sächsischen Ostritz im Landkreis Görlitz, in Sichtweite zur polnischen Grenze, statt. Weil es als Treff für militante Neonazis gilt, steht es im Fokus der Sicherheitsbehörden. Erst recht jetzt, kurz nach der Festnahme von Stephan E., dem mutmaßlichen Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Beim „Schwert und Schild“-Festival feiern auch Unterstützer der Gruppe „Combat 18“, jenem Netzwerk gewaltbereiter Rechtsextremer, dem E. nahegestanden haben soll.

Leider seien viele Deutsche zu dick

Vorm Eingang steht ein großgewachsener Mann in hellem Lacoste-Hemd. Grauer Bart, Nacken ausrasiert. Es ist Thorsten Heise, geboren am 23. Juni 1969 in Göttingen, der Veranstalter des Festivals. Heise ist stellvertretender Bundesvorsitzender der NPD, nach eigener Aussage Stimme und Gesicht des „völkischen Flügels“ der Partei, laut Verfassungsschutz „exponierter Vertreter der neonationalsozialistischen Strömung in der NPD“. Ein Radikaler unter den Radikalen.

An diesem Freitagnachmittag begrüßt Heise gut gelaunt Journalisten und sagt, bei seinem Festival gehe es dieses Mal um gesunde Ernährung. Er selbst ernähre sich seit langem bio. „Ich weiß, ein kleines Bäuchlein habe ich trotzdem.“ Leider seien viele Deutsche zu dick. Bewegung und das richtige Essen könnten da helfen.

Thorsten Heise am Eingang zum Gelände.
Thorsten Heise am Eingang zum Gelände.

© Hannes Heine

Ostritz hat 2400 Einwohner, ist idyllisch an der Neiße gelegen. Drei Gaststätten, zwei Pensionen, eine Brücke nach Polen. Bürgermeisterin Marion Prange ist parteilos, die CDU sonst weit vorn, die örtliche Politik will stärker regenerative Energiequellen nutzen. Zu den Sehenswürdigkeiten von Ostritz zählt das Frauenkloster St. Marienthal.

Das Festival findet auf dem Gelände des früheren Hotels „Neißeblick“ statt. Die meisten Besucher schlafen in Zelten auf dem Areal, andere mieten in der Umgebung ein Pensionszimmer.

„Schwarze Sonnen“ und Piercings

Vorm Eingang Absperrgitter, Kameras auf den Polizeiwagen, uniformierte und zivil gekleidete Beamte laufen vor und hinter dem Festivalzaun durch die Reihen. Die Umgebung überfliegt ein Polizeihubschrauber. Beamte durchsuchen jede Tüte, öffnen Reisenecessaires, Neonazis müssen ihre Schuhe ausziehen. Ein Multifunktionsmesser mit integriertem Schraubenzieher für den Zeltaufbau? Könnte als Waffe verwendet werden, also vorläufig konfisziert.

Auch Teppichmesser werden einbehalten. Ein ranghoher Beamter sagt, das sei keine Schikane. Man verhalte sich „korrekt“, „sicherheitsbewusst“ – und das „nicht ohne Grund“. Unter den Besuchern seien die „reinen Musikliebhaber“ ja nicht unbedingt in der Mehrheit.

Etwa 80 Prozent der Gäste – 750 werden insgesamt erwartet –, die sich am Abend vor der Konzertbühne versammeln, sind männlich. Die meisten kräftig, oft in kurzer Hose und großflächig tätowiert. Man sieht tätowierte „Schwarze Sonnen“, ein Kreis aus drei übereinander gelegten Hakenkreuzen. Da es sich um kein offizielles Symbol einer verbotenen Organisation handelt, ist es nicht strafbar. Die wenigen Frauen auf dem Gelände tragen Piercings, sie verhalten sich, das fällt auf, stiller als die Männer.

Die Polizei setzt auch durch, dass Journalisten das Gelände betreten und sich ein Bild von den Verkaufsständen und der Musikbühne machen dürfen. Ein Journalist berichtet später, Kollegen und er seien mit dem Spruch „Hier kommen die schmierigen Juden“ begrüßt worden.

Ein „Combat 18“-Tattoo. Die Zahlen übermalt

Die T-Shirts, die es durch die Polizeikontrollen geschafft haben, sind deutlich genug. „Ich habe Bock auf Nazis“ steht auf einem, „NS – national sozial“ auf einem anderen. Ein Kahlgeschorener präsentiert stolz sein Shirt, auf dem ein einziges Wort steht: „Rassist“.

Das Festival dient den Netzwerkern, die die rechtsextreme Szene zusammenbringen wollen. Heise, der Veranstalter, ist genau dafür bekannt. In seinem Heimatdorf Fretterode im thüringischen Eichsfeld empfängt er regelmäßig Kader anderer Parteien. Enge Kontakte hat er zu „Combat 18“. Auf den Kasseler Mordverdächtigen Stephan E. angesprochen sagt Heise: „Ich kenne den nicht, der flog auch schon aus der Partei, bevor ich eintrat.“

Die Polizei kontrolliert am Eingang.
Die Polizei kontrolliert am Eingang.

© Hannes Heine

Klar ist, dass Unterstützer von „Combat 18“ dem „Schwert und Schild“-Festival zugeneigt sind. Mehrere traten hier als Musiker auf. Zum Beispiel Marko Gottschalk, Sänger der Dortmunder „Combat 18“-Band Oidoxie. An diesem Wochenende läuft ein Besucher über das Gelände, der sich den Schriftzug „Combat 18“ auf den Unterarm hat tätowieren lassen. Die Zahlen hat er mit Filzstift übermalt.

Das Spiel mit Symbolen und Codes ist dieser Szene wichtig. Allein der Name des Festivals: „Schwert und Schild“, kurz „SS“. Als Heise vergangenes Jahr auf der Bühne die Initialen aussprach, johlte das Publikum. Oder der Zeitpunkt: 2018 fand das Fest am 20. April statt, Hitlers Geburtstag. Dieses Mal zum Jahrestag der Kriegserklärung an die Sowjetunion.

Körperverletzung, Nötigung, Landfriedensbruch

Den Sicherheitsdienst übernimmt eine Gruppe, die sich „Arische Bruderschaft“ nennt. Es existieren Dokumente, die belegen sollen, dass die Bruderschaft von Thorsten Heise geführt wird. Voriges Jahr mussten ihre Mitglieder auf Anweisung der Polizei ihre Banner abnehmen und alle Shirts auf links drehen, weil ihr Logo aus zwei gekreuzten Stielhandgranaten dem Wappen einer Division der Waffen-SS entsprach. Ein Verfahren wegen Verwendung verfassungswidriger Kennzeichen wurde später jedoch eingestellt, das Gericht konnte keinen Bezug zum Nationalsozialismus erkennen. Nun tragen die Securitys der „ Bruderschaft“ ihre Stielhandgranaten-Logos wieder offen.

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Veranstalter Heise ist mehrfach vorbestraft wegen schwerer Körperverletzung, Nötigung, Landfriedensbruch und Volksverhetzung. Seine Mutter äußerte einmal öffentlich: „Es wäre besser gewesen, wenn er nicht geboren wäre.“ An diesem Wochenende, unter Beobachtung der Journalisten, wirkt er moderat. Dass ihm die Ordnungsbehörden das Bier nicht gönnen, störe ihn nicht, sagt er, seine Stimme ist freundlich, aber bestimmt. „Wir können auch ohne Alkohol feiern.“ Müssen sie auch. Ostritzer und Gäste von Gegenveranstaltern kaufen am Samstag mehr als 100 Kästen Bier im einzigen Supermarkt der Stadt auf.

„Rechts rockt nicht“

Heise ist mit Björn Höcke bekannt, Thüringens AfD-Rechtsaußen. Die beiden wohnen nur wenige Kilometer voneinander entfernt. Unter dem Pseudonym „Landolf Ladig“ hat Höcke mutmaßlich mehrfach in einer NPD-Zeitung geschrieben, die Heise betreute – auch wenn der AfDler das bis heute bestreitet. Der Verfassungsschutz hält die These, hinter Landolf Ladig stecke Höcke, für „nahezu unbestreitbar“. Sein Versprechen, jeden zu verklagen, der ihn mit Landolf Ladig in Verbindung bringt, hat Höcke nie wahr gemacht. Wäre Höcke tatsächlich Ladig, würde Heise sein Geheimnis kennen. Er hätte ihn in der Hand.

Bürger aus Ostritz kaufen das ganze Bier eines Supermarkts auf, damit die Neonazis es nicht bekommen.
Bürger aus Ostritz kaufen das ganze Bier eines Supermarkts auf, damit die Neonazis es nicht bekommen.

© Daniel Schäfer/dpa

Im Ostritzer Ortskern läuft am Samstag eine Gegenveranstaltung: „Rechts rockt nicht“. Die Veranstalter wollten eigentlich in Hör- und Sichtweite des Nazitreffens protestieren, ein Gericht hat es verboten.

Die Linken-Bundestagsabgeordnete Martina Renner, die sich intensiv mit den Festivals in Ostritz beschäftigt hat, sagt: „Das sind nicht nur Konzerte, um Anhänger zu radikalisieren, Bands zu promoten und Geld zu machen. Wir wissen: Am Rande solcher Veranstaltungen kommt es zu Vernetzungstreffen auf der Führungsebene, auch zur Planung von Aktivitäten, Zellenbildungen, Waffenbeschaffungen.“ Derartige Festivals seien Kristallisationspunkte einer neuen militanten Radikalisierung: „Hier treffen sich die Paten des Rechtsterrors.“

Ostritz hat keine Lust

Im vergangenen Jahr fand in Sachsen fast wöchentlich ein Rechtsrockkonzert statt. Beobachter sprechen von 49 solcher Events, dreimal mehr als vor fünf Jahren. Der sächsische Verfassungsschutz kommt auf 24 Konzerte, weil er Veranstaltungen, bei denen nicht ausschließlich Rechtsrock gespielt wird, nicht dazuzählt.

Es gibt an diesem Wochenende noch eine dritte Versammlung in Ostritz. Ein Friedensfest, der örtliche Fußballverein feiert Jubiläum. Auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer ist gekommen, warnt vor rechten Diktaturen. Nicht ohne den Hinweis, dass es auch linke Diktaturen gab.

Und das Gros der Bewohner? Es ist deutlich zu spüren: Ostritz hat keine Lust. Auf die Nazis nicht, auf den Presserummel nicht, auch nicht auf das grün-linke Milieu, das aus den großen Städten, Dresden und Leipzig, auch aus Berlin, angereist ist. Viele Jalousien bleiben unten, Gaststätten leer.

Im Rahmen von „Schwert und Schild“ sollte auch eine Ausgabe des „Kampfs der Nibelungen“ stattfinden. Ein Kampfsportturnier, bei dem ausschließlich Rechtsextreme gegeneinander antreten. Es musste abgesagt werden. Es gab zu wenig Freiwillige, die bereit waren, auf Kameraden einzuschlagen. Stattdessen haben sich ein paar Kampfsporttrainer bereit erklärt, einen Infostand zu besetzen und Fragen zum Thema „Gesunder Geist im gesunden Körper“ zu beantworten.

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