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Frisch gewählt: Heidi Reichinnek (r.) und Sören Pellmann, die neue Doppelspitze der Linksgruppe im Bundestag.

© dpa/Carsten Koall

Neuwahl der Gruppenspitze: Eklat bei der Linkspartei – Reichinnek und Pellmann gewählt

Die Linksgruppe im Bundestag hat eine neue Führung gewählt. Das Lager um Dietmar Bartsch verwehrte jenen mit mehr Nähe zur Parteispitze einen Posten. Nun steht die Gruppe vor Konflikten.

| Update:

Die Linksgruppe im Bundestag steht vor einem massiv verschärften Flügelkonflikt und womöglich sogar vor einer Spaltung. Bei einer Klausursitzung am Montag verwehrte das Lager mit größerer Nähe zum bisherigen Gruppenvorsitzenden Dietmar Bartsch dem Lager mit mehr Nähe zur Parteiführung den gewünschten Posten in der Doppelspitze.

Stattdessen setzten sich die Abgeordneten, die über eine Ein-Stimmen-Mehrheit verfügten, durch: Sie wählten Heidi Reichinnek und Sören Pellmann zu Vorsitzenden der Gruppe. Das andere Lager, für das im Vorfeld Clara Bünger und Ates Gürpinar kandidiert hatten, ging leer aus. Das Ergebnis wurde am Abend auf einer Pressekonferenz verkündet.

Damit kommt die Linksgruppe auch nach dem endgültigen Abgang von Sahra Wagenknecht und neun weiteren Abgeordneten nicht aus dem Krisenmodus heraus. Szenarien bis hin zum Austritt von Abgeordneten aus der Gruppe kursierten am Rande der Klausur für den Fall, dass es nicht gelingen würde, beiden Lagern einen Platz in der Doppelspitze zuzugestehen. Und genau so kam es.

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Auch ein eindringlicher interner Appell des Parteivorsitzenden Martin Schirdewan an die versammelten Abgeordneten, eine flügelübergreifende Lösung möglich zu machen, konnte das Ergebnis nicht verhindern. Damit könnte sich die bisherige Gegnerschaft zwischen Partei- und Gruppenführung verfestigen.

Weitere große Konflikte drohen

Schon mit vielen Gesprächen im Vorfeld und noch am Wochenende hatte die Parteispitze um Schirdewan und die Co-Vorsitzende Janine Wissler sich angestrengt, eine gütliche Einigung möglich zu machen. Doch die Versuche blieben vergeblich. Somit steht nicht nur die Bundestagsgruppe vor großen Konflikten, sondern auch die Parteiführung geht geschwächt aus dem Tag heraus.

Bei der Pressekonferenz, auf der die neue Doppelspitze vorgestellt wurde, beschworen die Parteivorsitzenden Einigkeit. Er freue sich auf die Zusammenarbeit, sagte Schirdewan. „Jetzt arbeiten wir gemeinsam“, sagte die Co-Vorsitzende Janine Wissler, die auch Abgeordnete ist. Später kommentierte sie vor den Türen des Pressesaals lakonisch: „Es gab schon deutlich größere Widersprüche in der Geschichte der Arbeiterbewegung.“

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Die beiden neu gewählten Gruppenvorsitzenden bemühten sich ihrerseits, Versöhnlichkeit zu demonstrieren. „Wir brauchen jede und jeden in dieser Gruppe“, sagte Sören Pellmann. Nun sei es Aufgabe, nach vorn zu blicken.

Von einem ehrlichen Ergebnis sprach Heidi Reichinnek. So wie Pellmann war auch sie mit 14 zu 13 Stimmen gewählt worden. Reichinnek sagte, sie wolle der ganzen Gruppe die Hand ausstrecken. Bei jenen, deren Interessen gerade klar übergangen worden waren, könnte dies allerdings wie Hohn geklungen haben.

14
Abgeordnete bildeten die Bartsch-nahe Fraktion, 13 Abgeordnete zählten zum bewegungslinken Lager.

In einem ersten Wahlgang traten Heidi Reichinnek und Clara Bünger gegeneinander an, denn einer der Plätze in der Doppelspitze war per Quote für eine Frau reserviert. Reichinnek gewann. Gürpinar zog daraufhin seine Kandidatur zurück, um eine Wahl seiner Mitstreiterin Bünger möglich zu machen.

Von Seiten des unterlegenen Lagers wurde der Wunsch, in der Doppelspitze berücksichtigt zu werden, an dieser Stelle überdeutlich vorgebracht. Die Abgeordneten debattierten emotional.

Pellmann hatte eines der drei Direktmandate gewonnen

Nun war die Frage: Würde Pellmann zurückziehen, womöglich für eine weibliche Doppelspitze aus Reichinnek und Bünger? Oder würde er bei einer Wahl unterliegen, weil jemand aus seinem Lager doch den versöhnlichen Weg wählen und Bünger die Stimme geben würde? Beides passierte nicht. Das Lager um Reichinnek und Pellmann verschaffte auch ihm eine Mehrheit.

Sören Pellmann gewann bei der Bundestagswahl 2021 in Leipzig eines der drei Direktmandate, die es seiner Partei überhaupt ermöglichten, in Fraktionsstärke in den Bundestag einzuziehen. 2022 kandidierte er für den Parteivorsitz, unterlag aber Schirdewan.

Reichinnek ist als Familien- und Frauenpolitikerin profiliert, sehr aktiv und erfolgreich in sozialen Medien wie Instagram und TikTok und rhetorisch äußerst angriffslustig.

Die Gruppe besteht aus 28 Abgeordneten, anwesend waren aber ab Mittag nur noch 27. Bundestags-Vizepräsidentin Petra Pau musste sich nach einem Sturz ärztlich behandeln lassen. So ergab sich die Mehrheit von 14 zu 13 Stimmen. Dem Vernehmen nach hätte Paus Anwesenheit aber voraussichtlich nicht zu einem Patt geführt, sondern die Mehrheit um eine Stimme verstärkt. Zum parlamentarischen Geschäftsführer wurde Christian Görke gewählt.

Die Neuwahl war nach dem endgültigen Rückzug Dietmar Bartschs von der Fraktions- beziehungsweise Gruppenspitze notwendig geworden. Die Klausur wird am Dienstag fortgesetzt.

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