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Flüchtlinge nahe Idomeni an der griechisch-mazedonischen Grenze. Die Balkanroute ist nun faktisch abgeriegelt.

© dpa

Newsblog Flüchtlinge und EU: Viele Flüchtlinge wollen schnell vor dem Abkommen nach Griechenland

Slowenien, Serbien, Kroatien und Mazedonien machen die Grenzen für Flüchtlinge dicht. Damit ist die Balkanroute faktisch geschlossen. Lesen Sie hier die aktuellen Entwicklungen im Newsblog.

Die Balkanländer geben Kanzlerin keine Zeit mehr und schaffen Fakten. Die Balkanroute ist geschlossen. Das EU-Parlament debattiert den Deal mit der Türkei. Lesen Sie hier im Newsblog fortlaufend das Aktuelle zum Thema.

+++ Fraktionsübergreifende Kritik im EU-Parlament. Gegenwind für die Kanzlerin aus dem Europaparlament: Der geplante Flüchtlingspakt mit der Türkei ist bei den EU-Abgeordneten am Mittwoch fraktionsübergreifend auf Kritik gestoßen. Sozialisten, Grüne und Linke äußerten in Straßburg massive Bedenken wegen drohender Massenabschiebungen und der Lage der Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei. Konservative Vertreter kritisierten die umfangreichen Gegenleistungen, die Ankara verlangt.

Die Türkei hatte beim EU-Gipfel Anfang der Woche überraschend angeboten, alle neu ankommenden Flüchtlinge aus Griechenland zurückzunehmen. Für jeden abgeschobenen Syrer soll die EU jedoch einen Syrer auf legalem Weg aufnehmen. Zudem will Ankara den Fall des Visa-Zwangs für türkische Bürger ab Juni, die Ausweitung der Beitrittsgespräche auf fünf weitere Bereiche sowie die Verdoppelung der Hilfen für Syrien-Flüchtlinge in der Türkei auf sechs Milliarden Euro.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte die angestrebte Vereinbarung am Dienstag als möglichen "Durchbruch" in der Flüchtlingskrise bezeichnet. Widerstand gibt es aber auch in mehreren EU-Ländern. So lehnt Ungarn die Flüchtlingsaufnahme ab und Zypern die Ausweitung der Beitrittsgespräche.

+++ Viele Migranten wollen noch vor dem Abkommen der EU mit der Türkei nach Griechenland kommen. Nach dem EU-Türkei-Gipfel zur Eindämmung der Flüchtlingskrise versuchen hunderte Hilfesuchende über die Ägäis nach Griechenland zu kommen. Türkische Behörden griffen am Mittwoch eine große Anzahl von Menschen auf, die auf eine Gelegenheit warteten, nach Griechenland überzusetzen. Mitarbeiter türkischer Behörden befürchteten einen Ansturm von Flüchtlingen, die vor Inkrafttreten des geplanten Abkommens zwischen der Türkei und der Europäischen Union versuchen wollten, die EU zu erreichen, um ihre Chancen auf Asyl zu verbessern.

Die türkische Küstenwache nahm am Mittwoch mehrere Dutzend Flüchtlinge in Gewahrsam, die in Höhlen an der Küste auf die Überfahrt warteten. Eine Gruppe von 42 Migranten, darunter über ein Dutzend Kinder, war bereits auf ein Gelände der Küstenwache im Ferienort Didim gebracht und mit Decken versorgt worden. An einem anderen Küstenabschnitt wurde eine große Anzahl von Flüchtlingen von Polizisten bewacht, während sie auf Busse warteten, die sie wegbringen sollten. Auf See fing ein Boot der Küstenwache einen kleinen Frachter ab, der offenkundig Flüchtlinge nach Griechenland bringen sollte.

Noch während die Flüchtlinge festgenommen wurden, erreichten neue Hilfesuchende Didim per Taxi. Manche trugen Koffer und hatten Kinder dabei. Sie suchten die kleineren Hotels in dem Ort auf. Nach bisherigen Plänen will die Türkei alle künftig nach Griechenland gelangten Flüchtlinge zurücknehmen. Syrer sollen demnach künftig direkt aus der Türkei in verschiedene europäische Länder verteilt werden. Damit soll den Schlepperbanden die Geschäftsgrundlage entzogen und der Flüchtlingsstrom in geordnete Bahnen gelenkt werden. Die Menschenrechtsorganisation kritisierte das geplante Abkommen als Todesstoß für das Recht auf Asyl.

+++ 38 Prozent der Flüchtlinge in der Ägäis sind Kinder. Seit Jahresbeginn und bis zum 7. März haben aus der Türkei mehr als 132 000 Migranten zu den griechischen Inseln übergesetzt. 38 Prozent davon waren Kinder, 22 Prozent Frauen und 40 Prozent Männer. Dies teilte das UN-Flüchtlingshilfswerk am Mittwoch mit.

Allein in den ersten sieben Tagen des März kamen 9510 Migranten. Zum Vergleich: Im ganzen März des Vorjahres waren nur 7878 Migranten aus der Türkei nach Griechenland gekommen. 48 Prozent der Ankömmlinge stammen aus Syrien, 26 Prozent aus Afghanistan und 17 Prozent aus dem Irak.

In Piräus kamen am Mittwochvormittag 673 Migranten aus den Inseln Lesbos, Chios, Kos und Leros an. Trotz der faktischen Schließung der Balkanroute sagten sie Reportern, sie wollten versuchen, sich über Nordgriechenland nach Mitteleuropa durchzuschlagen. Humanitäre Organisationen befürchten, dass es in Idomeni zu Wutausbrüchen der Migranten kommen könnte. In dem Lager an der mazedonischen Grenze harrten am Mittwoch mehr als 13 000 Migranten aus. Vor allem junge Menschen rufen dort fast täglich zu Demonstrationen auf.

+++ Auch Mazedonien macht Grenze komplett dicht. Mazedonien hat seine Grenzen vollständig für Flüchtlinge geschlossen. Das sagte ein Polizeimitarbeiter, der nicht namentlich genannt werden wollte, am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters. Die Maßnahme war bereits zuvor angekündigt worden.

+++ Kritik an dem Deal mit der Türkei. Im EU-Parlament ist das geplante Abkommen zwischen der Europäischen Union und der Türkei zur Eindämmung des Migrationsstroms auf heftige Kritik gestoßen. "Ich finde diesen Deal größtenteils problematisch", sagte der Vorsitzende der Liberalen-Fraktion, Guy Verhofstadt, am Mittwoch im Straßburger Plenum. Je näher er sich die Details der am späten Montagabend erreichten Grundsatzeinigung anschaue, desto kritischer werde er.

Auch der Chef der größten Fraktion im EU-Parlament, der EVP-Vorsitzende Manfred Weber (CSU), äußerte Bedenken. "Die EVP ist bereit, über Visa-Liberalisierungen (für die Türkei) zu reden, aber ich kann nicht verhehlen, dass es viele Sorgen gibt." Weber forderte die Staats- und Regierungschefs der EU auf, sich aus den Details der Visabefreiung für türkische Bürger in der EU herauszuhalten. Dies sei Aufgabe des EU-Parlaments und des EU-Ministerates. Beide EU-Organe müssen der für Juni geplanten Befreiung zustimmen. "Aus unserer Sicht gibt es keinen Blanko-Scheck", sagte Weber.

Auch Grüne und Linke kritisierten die geplanten Vereinbarungen mit der Türkei, die Ende kommender Woche beim EU-Gipfel festgezurrt werden sollen. "Wir schließen einen Deal mit einem Land, das bereit ist, Menschen im eigenen Land zu töten", sagte Linken-Fraktionschefin Gabi Zimmer mit Blick auf das Vorgehen der türkischen Armee gegen kurdische Rebellen. Sie fühle sich bei EU-Verhandlungen mit der Regierung in Ankara an einen Ablasshandel erinnert.

Die Türkei hatte bei dem EU-Gipfel in Brüssel angeboten, alle in Griechenland ankommenden Migranten zurückzunehmen. Für jeden zurückgeführten Syrer soll ein anderer syrischer Flüchtling von der EU direkt aus der Türkei aufgenommen werden. Als Gegenleistung erwartet die Regierung in Ankara mehr Geld von der EU, Visafreiheit für seine Bürger und deutlich schnellere Beitrittsverhandlungen zur EU.

+++ Die Flüchtlingsroute von der Türkei Richtung Nordwesteuropa ist faktisch dicht: Die Balkanländer geben Bundeskanzlerin Angela Merkel keine Zeit mehr und schaffen eigene Fakten. Slowenien hatte am Dienstag angekündigt, keine Flüchtlinge mehr durchzulassen. Künftig dürften Schutzsuchende nur nach Slowenien kommen, wenn sie dort Asyl beantragen wollten oder in Einzelfällen aus humanitären Gründen, erklärte das Innenministerium. Als Reaktion kündigten Serbien, Kroatien und Mazedonien ihrerseits an, ebenso zu verfahren.

Slowenien setzte die neuen Maßnahmen um Mitternacht in Kraft. Die serbische Regierung in Belgrad teilte nach der Ankündigung Sloweniens mit, ihrerseits an den Grenzen zu Mazedonien und Bulgarien ebenso zu verfahren. Serbien könne nicht "akzeptieren, ein Aufnahmezentrum für Flüchtlinge" zu werden. Auch der kroatische Innenminister Vlaho Orepic sagte dem Fernsehsender RTL, sein Land werde nur noch Flüchtlinge mit gültigen Visa einlassen. Mazedonien schloss sich den Maßnahmen ebenfalls an.

Ende Februar hatten Slowenien, Kroatien, Serbien und Mazedonien bereits drastisch die Einreisemöglichkeiten beschränkt, indem sie Tagesobergrenzen von 580 Flüchtlingen einführten. Das an Griechenland grenzende Mazedonien ließ nur noch wenige hundert Flüchtlinge pro Tag passieren. Nach den neuen Ankündigungen ist die Balkanroute nun faktisch dicht. (AFP/Reuters)

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