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Nobelpreis für Obama: Welcome-back-Preis

Ein Besuch in der American Academy in Berlin unter US-Intellektuellen: Sie sehen ihr Land von der Welt wieder aufgenommen.

Still scheint die Herbstsonne auf den Wannsee. Rings um die American Academy ist nur Vogelzwitschern zu hören, aber innen jauchzen die Gefühle. Die Stipendiaten, die aus den intellektuellen Eliten der USA für einige Monate hierhergekommen sind, haben sich zu ihrem Freitagslunch versammelt, und die meisten stehen noch unter Freudeschock, weil sie vom Friedensnobelpreis für ihren Präsidenten gerade erst gehört haben. „Wir hätten laut applaudieren sollen, schließlich haben wir ihn fast alle gewählt“, sagt Leonard Barkan, der in Princeton Professor für Vergleichende Literaturwissenschaft ist. Laute Gefühlskundgebungen sind nicht unbedingt die Sache von Intellektuellen, aber ihre Gesichter strahlen mit der Sonne draußen um die Wette. Die American Academy, die 1994 von dem damaligen US-Botschafter Richard Holbrooke aus der Taufe gehoben wurde, um das gegenseitige Verständnis zwischen Deutschen und Amerikanern zu befördern, hat sich über die Jahre zu einem Leuchtturm des Geistes entwickelt. Wo sonst US-Stipendiaten auf höchstem Niveau diskutieren, herrscht an diesem Freitagmittag fast Ausgelassenheit.

Für den New Yorker Autor Nathan Englander ist der Nobelpreis für Obama ein „Welcome-back-Award“ der Welt an die USA. Die anderen Fellows, die sich um den weiß gedeckten Tisch mit Wannseeblick herum versammelt haben, stimmen ein. Endlich ist es da, das Ende der Isolation, der weltweiten Ächtung, unter der sie alle in der Amtszeit von George Bush so gelitten haben. „Nein“, sagt Englander: „Es ist kein Vorschusspreis. Allein die Hoffnung, die er weckt, rechtfertigt diesen Preis.“ Auch Koch, ein Deutscher, zeigt seine Überraschung und sagt: „Andere haben länger gebraucht.“ Als er Roastbeef und Quittenstrudel vorbereitete, hatte er noch keine Ahnung, dass er an einem Festmahl arbeitete. Aber das ist es an diesem Mittag für diese Menschen. Diejenigen, die zuerst im Fernsehen die Nachricht gesehen haben, fühlten sich wieder ein bisschen wie bei der Bekanntgabe der Wahlergebnisse. Ausgelassen scherzen sie: „Berlusconi soll auch auf der Liste gestanden haben. Helmut Kohl. Bono.“ Spielerisch nähern sie sich dem Thema Schweden: Ikea. Abba. Und nun dieser Preis.

Der Euphorie folgt kurz vorm Kaffee eine Phase der Nachdenklichkeit, in der die Wunden des Wahlkampfes wieder aufbrechen und die Gräben sichtbar werden, die es im Amerika des Jahres 2009 eben auch gibt. „Es könnte auch sein, dass er höflich „Nein“ sagt und den Preis gar nicht annimmt, um seinen Feinden nicht noch mehr Munition zu liefern“, gibt der New Yorker Künstler Michael Queenland zu bedenken. Die anderen erheben Einspruch, das kann, das darf er nicht tun.

Aber sie verstehen,was er meint. „Die Rechten sind infantil und unpatriotisch in ihrem Hass“, gibt Leonard Barkan zu bedenken. „Sie werden versuchen, ihn lächerlich zu machen.“ Beth Harrington, deren Mann Joel Historiker und ebenfalls Stipendiat ist, setzt sich spät zu der Runde. Sie hat in der Kampagne von Obama mitgearbeitet. Als noch einmal das Thema Vorschusslorbeeren aufkommt, sagt sie: „Er hat doch schon so viel erreicht und gezeigt, dass wir uns nicht wie der König der Welt fühlen und auf anderen nur rumtrampeln. Er hat gezeigt, wie wichtig gegenseitiger Respekt ist.“ Immer wieder erwähnt jemand die Kairo-Rede. Leonard Barkan spricht von den vielen Menschen, die zum ersten Mal in ihrem Leben gewählt haben, um Obama ihre Stimme zu geben. „Die werden sich belohnt fühlen und sich sagen, dass sie genau das Richtige getan haben.“

Bevor sich die Runde auflöst, geht es noch einmal um das, was für sie die Essenz dieses Tages ist: Dieser Preis ist ein Symbol für Hoffnung, Vertrauen und Menschlichkeit. Und das allein rechtfertige ihn. Während sich die Fellows an ihre Schreibtische zurückziehen, wird es ganz still im Foyer. Eine Viertelstunde später steht Gary Smith, der Direktor, in der Tür. An dem Lunch konnte er nicht teilnehmen, weil er rasch in die Stadt fahren musste, um Fersehinterviews zu geben. „Fast alle Leute haben zuerst gedacht, das ist eine Ente“, sagt er, während er sich vom Büfett noch rasch eine Portion Lasagne nimmt und versucht, sein ununterbrochen klingelndes Handy unter Kontrolle zu bekommen. Auch er glaubt nicht an einen Vorschuss, sondern ist der Überzeugung, dass Obama für seine Vision einer atomwaffenfreien Welt ausgezeichnet wird. Für ihn ist der Preis auch „ein Ruf, Verantwortung zu übernehmen“. Dass auch Richard Holbrooke schon mehrfach zu den Nominierten gehörte, erwähnt er noch stolz, bevor er sich endgültig dem Handy ergibt und in sein Büro zurückzieht. Jetzt ist nur noch das Jubilieren der Vögel zu hören.

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