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Nordkorea und wir: Atomares Feuerzeug und Zwergriesen-Tamtam

Zwar ist Nordkorea in weiter Ferne - doch die Angst vor einer Atombombe ist auch in Deutschland groß. Nordkoreas nukleare Drohung gegen Amerika hat etwas von einem Zwergriesen-Tamtam, meint Peter von Becker und wirkt etwas lächerlich.

Nordkorea ist fern. Aber die Angst vor der Atombombe ist nah. Im Gemüt der Deutschen gehört das Gespenst des Nuklearen wohl überhaupt zur tiefsten kollektiven Sorge. Das haben auch die Reaktionen auf den Atomunfall von Fukushima gezeigt – mit der dann weltweit beispiellos schnellen Energiewende durch die deutsche Politik.

Nun droht die Führung des geheimnisvoll undurchschaubaren Landes in Fernost ausgerechnet der Supermacht USA mit einem atomaren Erstschlag. Und sie hebt das Waffenstillstandsabkommen mit dem Bruderfeindstaat Südkorea auf, droht auch dort mit Krieg. Gerade 60 Jahre nach dem Ende jenes blutigen Koreakriegs, der im Zeichen des damaligen Ost-West-Weltkonflikts geführt wurde, und der das Land bis heute zerrissen hat. Wie einst das geteilte Deutschland.

Eben noch schien sich das Regime in Pjöngjang unter seinem neuen, jungen Regenten Kim Jong-Un nach außen zaghaft zu öffnen und im Inneren ein paar wirtschaftliche Reformen zuzulassen. Gleichzeitig waren die zuletzt erfolgreichen Tests von Raketen und einem unterirdisch gezündeten Atomsprengsatz eine militärische Machtdemonstration. Trotzdem wirkt die nukleare Drohung gegen Amerika auch lächerlich, sie hat etwas von einem Zwergriesen-Tamtam.

Man darf darum bezweifeln, dass der Jungdiktator und seine alte, im Hungerstaat Nordkorea mit fetten Pfründen bedachte Riege der Generäle und Funktionäre tatsächlich den politischen und physischen Selbstmord planen. Vermutlich ist Pjöngjangs verbal-kriegerisches Echo auf die UN-Sanktionen wegen des jüngsten Atomtests erstmal nur Show. Es ist ein Spiel, nicht schon mit dem Feuer, aber mit Lunte und Feuerzeug.

Für die Südkoreaner in ihrem geteilten Land ist das auf jeden Fall schwer zu ertragen. Es nervt zudem Nordkoreas letzten Verbündeten: das großmächtige China. Auch die Chinesen haben im UN-Sicherheitsrat für die Sanktionen gegen Pjöngjang gestimmt. Denn China, das ganz auf den ökonomischen Kampf der Systeme und Kulturen setzt, wünscht politische und militärische Ruhe im Vorhof der eigenen Weltmacht. Es wird also spannend, wie die neue chinesische Führung das nordkoreanische Problem lösen möchte – ein Fingerzeig womöglich auch für den Westen, was das wird mit der Superpower des 21. Jahrhunderts.

Nordkorea ist fern von hier. Aber so richtig fern ist in der Ära der Globalisierung nichts und niemand mehr. Der Stachel der Atomkraft, mit dem jenes Gebilde aus Gulag, Hightech und Betonzeitdiktatur jetzt löckt, er trifft. Trifft und verstärkt zumindest für den Moment ein Gefühl der Unheimlichkeit. Im südkoreanischen Seoul wirkt das ein wenig so wie die Stimmung einst in Mitteleuropa, zu Zeiten des atomaren Patts, der Konfrontationen im geteilten Berlin oder während der Kuba-Krise. Mit etwas Empathie rückt dann Koreas verminte Grenze am 38. Breitengrad sehr viel näher. Und die nervöse deutsche Psyche trägt an der Sorge, die sie auch umtreibt, wenn Israel dem Iran droht, weil dessen Fanatiker Israel bedrohen: am Rande immer der ominösen Nuklearschwelle.

Nicht mehr Panzer oder Raketen, nicht sichtbares Blut oder Tote zeichnen das tiefere Inbild der Angst im historisch katastrophenerfahrenen Deutschland. Es ist, wie der Dichter und Diagnostiker Botho Strauß das einmal beschrieb, der Atompilz – den hier keiner noch sah.

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