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Spitzenkandidatin Lisa Becker auf der Wahlparty, die irgendwann keine Party mehr war.

© Oliver Dietze/dpa

Nur 23 Stimmen fehlten: Woran die Grünen an der Saar gescheitert sind

Denkbar knapp verfehlen die Grünen wohl den Einzug in den Landtag im Saarland. Welche Rolle spielten andere ökologische Kleinparteien dabei?

Die emotionale Achterbahnfahrt ist für Lisa Becker am Montagmittag noch nicht zu Ende. Am Vorabend hatte sich die Spitzenkandidatin der Grünen lange über den Einzug in den Landtag gefreut, ehe ihre Partei bei der Auszählung der letzten Wahlkreise dann doch unter die Fünf-Prozent-Hürde sank. Es gebe aber „einen Funken Hoffnung“, sagte Becker am Tag danach. Das amtliche Endergebnis steht noch aus.

Mit engen Wahlergebnissen kennen sich die Grünen im Saarland aus. 2012, nach dem Scheitern des ersten Jamaika-Bündnisses, legte man eine Punktlandung hin. Mit 5,0 Prozent zogen die Grünen gerade so nochmal in den Landtag ein. Damals mit nur etwa 100 Stimmen Vorsprung. Dieses Mal heißt es am Ende 4,99502. Kein Happy End. Im vorläufigen Endergebnis fehlen den Grünen lediglich 23 Stimmen zum Einzug. Selbst im kleinen Saarland ist das extrem wenig.

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Doch Spitzenkandidatin Becker, die erst vor zwei Monaten aufgestellt worden ist, rechnet nicht mehr mit dem Happy End. „Wir gehen davon aus, dass das nicht mehr aufzuholen ist“, sagte sie am Montag. Schon in der Nacht hatte sie niedergeschlagen getwittert: „Kein guter Abend für den Klimaschutz an der Saar & die Pluralität im saarländischen Landtag.“

Ergebnis ist auch ein Rückschlag für Berlin

Auch im fernen Berlin haben die beiden neuen Parteivorsitzenden der Grünen, Ricarda Lang und Omid Nouripour, einen bitteren Abend erlebt. Beide tingelten den ganzen Abend durch die Fernsehanstalten, freuten sich über den scheinbaren Einzug und lobten den gelungenen Neuanfang an der Saar.

Das vorläufige Resultat ist auch für Lang und Nouripour ein Rückschlag. Mit der ersten Landtagswahl unter ihrer Führung hätte die Grünen auch ins 16. Länderparlament einziehen können, nun bleibt dies wohl für weitere fünf Jahre unerreicht. Die Verantwortung dafür schob Lang am Montag demonstrativ weit von sich: „Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Entwicklung im Bund und der Situation im Saarland.“ Die Ausgangslage sei „schwierig“ gewesen, die Situation im Saarland „speziell“ , in den vergangenen Jahren habe es „einiges an Turbulenzen“ gegeben.

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Tatsächlich zerlegen sich die Grünen im Saarland seit Jahren selbst. Die Partei ist in zwei Lager gespalten. Im vergangenen Bundestagswahlkampf schafften es die Saar-Grünen nicht einmal eine gültige Landesliste aufzustellen. Auch jetzt blieb das Drama nicht aus: Nur zwei Tage vor der Landtagswahl trat mit Ralph Rouget ein früherer Landesvorsitzender zurück, der kurz zuvor noch die Koalitionsfähigkeit seiner eigenen Partei in Zweifel gezogen hatte. Alles andere als ein gelungener Endspurt.

Grüne beklagen Wahl der Tierschutzpartei

Neben der Hoffnung auf das amtliche Endergebnis beginnt bei den Grünen jedoch bereits die Fehlersuche. Manche erklären sich die fehlenden Stimmen mit der Konkurrenz an Kleinparteien. Mit 2,3 Prozent der Stimmen hat die Tierschutzpartei im Saarland stark abgeschnitten, auch das ökologische Bündnis „Bunt Saar“ hat mit 1,4 Prozent immerhin 6.216 Stimmen geholt.

Das Ergebnis im Saarland ist auch für Grünen-Chefin Lang ein Rückschlag.
Das Ergebnis im Saarland ist auch für Grünen-Chefin Lang ein Rückschlag.

© IMAGO/Chris Emil Janßen

Christian Meyer, Vize-Fraktionschef der Grünen in Niedersachsen, wo im Herbst gewählt wird, twitterte am Sonntagabend: „Ich warne weiter.“ Die Tierschutzpartei habe in Niedersachsen 2017 eine rot-grüne Mehrheit verhindert. Für Meyer, der auch im Parteirat der Grünen sitzt, unverständlich: „Nutzt das dem Umwelt- und Tierschutz???“

„Das haben sich die Grünen schon selbst eingebrockt"

Die Vertreter der Kleinparteien im Saarland weisen diesen Vorwurf jedoch weit von sich: „Ich halte nichts von Dolchstoßlegenden und Wählerschelten. Das haben sich die Grünen schon selbst eingebrockt“, sagte Armin König dem „Tagesspiegel“. Der Bürgermeister von Illingen hat im vergangenen Jahr das Wählerbündnis "Bunt Saar“ mitbegründet - auch als Reaktion auf den Ausschluss der Grünen-Landesliste bei der Bundestagswahl.

„Dadurch hat den ökologisch-denkenden Saarländern eine politische Heimat gefehlt“, sagt König. Er war selbst nie Grünen-Mitglied, früher aber in der CDU. „Bunt Saar“ beschreibt er als „ökologisch-klimabewegte Organisation“, die sich vor allem gegen die Ansiedlung einer Batteriefabrik und für mehr erneuerbare Energien einsetzt. Dass es nun keine ökologische Stimme im Landtag geben könnte, bedauert König.

Sollten die Grünen ihren innerparteilichen Streit beilegen, sei ein Anschluss für ihn aber denkbar, sagt er im Gespräch. „Wir haben ja letztlich die gleichen Interessen.“ Dass nun mehr als 20 Prozent der Wählerstimmen nicht im Parlament vertreten sind, hält König für falsch. „Wenn so viele Stimmen nicht abgebildet werden, sollten FDP und Grüne darüber nachdenken, ob sie die 5-Prozent-Hürde verfassungsrechtlich überprüfen lassen.“

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