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Rückzieher: Gesundheitsminister Spahn verzichtet auf seine geplante AOK-Reform.

© Tom Weller/dpa

Ortskrankenkassen bleiben Ländersache: Spahn knickt bei AOK-Reform ein

Gesundheitsminister Spahn verzichtet auf sein Vorhaben, regional abgeschottete Ortskrankenkassen für alle zu öffnen. Der Widerstand war zu groß.

Wenn ein Minister politisch Schiffbruch erleidet und einen Gesetzentwurf ändern muss, lässt sich das oft gesichtswahrend kaschieren. Jens Spahn ist es diesmal nicht gelungen. Denn weil der CDU-Politiker bei seinem neuesten Vorhaben mit der Hauptidee nicht durchkam, musste er den 156-Seiten-Entwurf fürs Bundeskabinett komplett umtaufen.

Aufgrund des vehementen Widerstandes von Bundesländern, SPD und AOK-Funktionären verzichtet der Gesundheitsminister nun darauf, die Allgemeinen Ortskrankenkassen für alle gesetzlich Versicherten zu öffnen. Sie dürfen sich mit ihren Angeboten und Zusatzbeiträgen weiter regional abschotten, brauchen sich auch nicht einer bundesweiten Aufsicht unterwerfen. Und aus Spahns ambitioniertem „Faire-Kassenwahl-Gesetz“ wurde ein „Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz“.

Was bleibt, ist eine Reform des Risikoausgleichs

Zu Recht, denn geblieben ist darin im Grunde jetzt nur noch das Vorhaben des Ministers, den Finanzausgleich zwischen den gesetzlichen Anbietern gerechter zu regeln. Was kompliziert genug ist: So sollen besonders teure Behandlungen künftig durch einen Risikopool refinanziert, Ausgaben für Prävention eigens berücksichtigt, Manipulationsversuche wirksamer verhindert und regionale Unterschiede bei der Geldverteilung gesondert ausgeglichen werden.

Unterm Strich dürfte dieser detailgenauere Risikoausgleich den Allgemeinen Ortskrankenkassen finanzielle Verluste, den Ersatz-, Innungs- und Betriebskrankenkassen dagegen zusätzliche Einnahmen bescheren.

"Ein Meilenstein zu echtem Wettbewerb"

Entsprechend sind die Reaktionen. Der Verband der Ersatzkassen, zu denen auch die Branchenriesen Techniker und Barmer gehören, lobte die angestrebte Reform des Finanzausgleichs als „wesentlichen Schritt zu einer fairen Wettbewerbsordnung“. Der Gesetzentwurf sei "ein Meilenstein hin zu einem echten solidarischen und fairen Wettbewerb zwischen den Krankenkassen", sagte Barmer-Chef Christoph Straub. Auch der Dachverband der Betriebskrankenkassen nannte das Projekt „zielgerichtet und ausgewogen“.

Der AOK-Bundesverband dagegen sprach von „echten Rückschritten". Er warnte wegen der geplanten Regionalkomponente vor einer „Überversorgung von Ballungsräumen“ und der „Umverteilung von Geldern in Richtung von jungen und gesunden Versicherten“.

Widerstand aus allen Bundesländern gegen AOKK-Öffnung

Umgekehrt feierte die AOK den Verzicht auf die Öffnung ihrer regional agierenden Kassen, den sich die Konkurrenz dringend gewünscht hätte. Damit wäre „ein einseitiger Preiswettbewerb zu Lasten von regionalen Versorgungsinteressen losgetreten worden – gegen den Widerstand der Bundesländer und ganz sicher nicht zum Nutzen der Versicherten“, sagte AOK-Vize Jens-Martin Hoyer. Zuvor hatten die Regierungschefs aller 16 Länder gegen Spahns Öffnungspläne protestiert. Damit, so argumentierten sie, wären föderale Strukturen geschwächt und Gestaltungskompetenzen verschoben worden.

„Gute Versorgung vor Ort erreichen wir nicht über eine Zentralisierung, sondern mit mehr Regionalität“, sagte Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml in einer ersten Reaktion auf Spahns Rückzieher. Dazu würden weiterhin Kassen benötigt, „die vor Ort mit Niederlassungen verwurzelt sind und nicht aus fernen Zentralen gesteuert werden“, so die CSU-Politikerin.

Grüne: Spahns Idee war eher Provokation als Problemlösung

Auch die Grünen begrüßten den Verzicht auf die AOK-Reform. Es sei absehbar gewesen, dass Spahn damit scheitern würde, sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Maria Klein-Schmeink. Dem Minister sei es da „wohl eher um Provokation als um Problemlösung“ gegangen.

Der Minister hatte sich von einer AOK-Öffnung effektivere Kontrollmöglichkeiten. Und mehr Wettbewerb, denn die Reform hätte sich auch für Wechselwillige gelohnt. Während die AOK Bayern und Rheinland-Hamburg derzeit beispielsweise stolze 1,1 Prozent als Zusatzbeitrag nehmen, verlangt die AOK Sachsen-Anhalt gerade mal 0,3 Prozent. Doch dort konnten und können sich nun auch künftig nur Bewohner Sachsen-Anhalts versichern.

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