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Politik: Parlamentswahlen in Griechenland und Regierungskrise in der Türkei belasten die Visite des Bundespräsidenten

Eine einfache Reise wird es nicht. Bundespräsident Johannes Rau ist am Montag zum Auftakt einer sechs Tage langen Reise nach Griechenland und in die Türkei in Athen eingetroffen.

Eine einfache Reise wird es nicht. Bundespräsident Johannes Rau ist am Montag zum Auftakt einer sechs Tage langen Reise nach Griechenland und in die Türkei in Athen eingetroffen. In beiden Ländern stehen ihm heikle Momente bevor. Dafür sorgen sowohl die schmerzliche Erinnerung an die deutsche Nazi-Vergangenheit als auch die aktuellen politischen Ereignisse in den zwei Gastgeberländern.

Gleich zu Beginn wartet eine schwierige Aufgabe auf den Bundespräsidenten. In Griechenland will Rau am Dienstag die Gedenkstätte in dem Dorf Kalavrita besuchen, in dem deutsche Soldaten als Vergeltung nach Aktionen griechischer Partisanen 1943 mehr als tausend Menschen töteten. Als erster Bundespräsident überhaupt nach Kalavryta zu reisen, sei seine "ganz persönliche Entscheidung" gewesen, sagte Rau auf dem Flug nach Athen. Ausführlich ging der Bundespräsident bereits am Montagabend bei einem zu seinen Ehren gegebenen Staatsbankett im Athener Präsidentenpalais auf die, wie er sagte, "dunklen Seiten" der griechisch-deutschen Geschichte ein und mahnte dazu, die Ereignisse der Besatzungszeit nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. "Die Zukunft kann nur gewinnen, wer die Vergangenheit nicht vergisst", sagte Rau in seiner Tischrede. Möglicherweise wird Rau nicht die völlig ungeteilte Aufmerksamkeit seiner Gesprächspartner zuteil. Denn nur vier Tage nach dem Besuch des Bundespräsidenten wird in Griechenland ein neues Parlament gewählt.

Auch in der türkischen Hauptstadt Ankara dürften viele mit den Gedanken ganz woanders sein, wenn Rau am Mittwochabend dort eintrifft. Während der Airbus des Bundespräsidenten landet, läuft im Parlament die entscheidende Abstimmung über die politische Zukunft des türkischen Präsidenten Süleyman Demirel und der Regierung von Ministerpräsident Bülent Ecevit.

Bei der Abstimmung geht es um eine von Ecevit gewünschte Verlängerung der Amtszeit Demirels. Doch bei der ersten Lesung des Vorschlags vergangene Woche hatte Ecevit in der Volksvertretung eine Schlappe erlebt. Verliert der Premier auch die Abstimmung am Mittwochabend, dürfte er sofort zurücktreten. Es könnte also sein, dass es am Donnerstagvormittag in der Türkei nur noch einen amtierenden Ministerpräsidenten und einen Staatspräsidenten auf Abruf gibt.

Auch ohne Regierungskrise wäre der Besuch Raus in Ankara keine Routineangelegenheit. Der SPD-Politiker ist erst der dritte deutsche Bundespräsident nach Theodor Heuss im Jahr 1957 und Richard von Weizsäcker 1986, der die Türkei besucht. Seit Weizsäckers Besuch haben die Beziehungen zwischen beiden Ländern eine Berg- und Talfahrt hinter sich. Seit dem Regierungswechsel in Deutschland haben sich die Beziehungen zwar wieder verbessert, doch das heißt nicht, dass sie frei von Spannungen sind. Derzeit sorgt der Streit um eine mögliche Lieferung deutscher Leopard-Panzer an die Türkei für Zündstoff. Rau selbst hatte in der Türkei Sympathien erworben, weil er sich bei seiner Antrittsrede als Präsident aller in Deutschland lebenden Menschen bezeichnete - "Rau ist auch der Präsident unserer Leute (in der Bundesrepublik)", kommentierte die türkische Zeitung "Sabah".

In Ankara will sich Rau aber nicht nur mit Regierungsvertretern, sondern auch mit Menschenrechtlern treffen. Als Zeichen der Verbundenheit will der Bundespräsident zudem in der Stadt Bolu, die beim Erdbeben vom vergangenen November zerstört wurde, mit deutschem Geld gebaute Fertighäuser an Obdachlose übergeben.

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