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Ungarns Regierungschef Orbán spricht nach der Wahl zu seinen Unterstützern.

© REUTERS/Bernadett Szabo

Update

Ungarns Ministerpräsident vor Zweidrittelmehrheit: Orbán feiert Triumph als „Zukunft Europas“

Nach zwölf Jahren an der Macht schafft Ungarns starker Mann einen weiteren fulminanten Wahlsieg. Orbán verspricht seinem Volk „Frieden und Sicherheit“.

Die Botschaft von Ministerpräsident Viktor Orbán an diesem Wahlsonntag war klar: Wer Frieden will, wählt ihn. Auf Plakaten und den Titelseiten der regierungsnahen Zeitungen prangten Slogans wie: „Darum geht’s bei der Wahl: Frieden und Sicherheit“.

Die Ungarn folgten ihm: Am Sonntagabend nahm der amtierende Ministerpräsident das sich andeutende Wahlergebnis mit großer Freude an. Es ist für ihn die vierte Amtszeit in Folge. Er kommentierte das Ergebnis als Sieg der „patriotischen, konservativen Politik. Unsere Botschaft an Brüssel: Das ist die Zukunft!“

Er bedankte sich in seiner Rede auch bei seinen „Freunden in den USA, Polen, Italien und Serbien“, was auf die Rechtspopulisten in diesen Ländern anspielt. Auf der anderen Seite seien diesmal alle gegen Fidesz gewesen. Orbán sprach von „internationalen Mächten“, die die Opposition in Ungarn mit viel Geld unterstützt hätten. Namentlich der US-amerikanische Finanzmilliardär George Soros habe „schlecht investiert“.

Sein Herausforderer Péter Márki-Zay gab sich vor seinen Fans im Stadtpark Budapest kämpferisch und fromm: „Wir haben alles gegeben und vor Gott ist unser Gewissen rein." Márki-Zay akzeptierte den Sieg von Fidesz, aber bestreitet, dass die Wahlen sauber verlaufen seien. „In diesem System können wir nicht gewinnen." Er verglich Orbáns Wahlsieg mit den Erfolgen von Milosevic und Hitler und betonte die Rolle der Regierungspropaganda im Wahlergebnis.

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Seit Beginn des Ukraine-Krieges war es die erste Wahl auf dem europäischen Festland. Orbán regiert seit 2010 Ungarn, gestützt durch eine Zweidrittelmehrheit der Koalition aus rechtspopulistischer Fidesz-Partei und christdemokratischer KDNP im Parlament.

Zweidrittelmehrheit bleibt

Erste Ergebnisse der offiziellen Wahlbehörde zeigen, dass Orbáns Regierungskoalition die Zweidrittelmehrheit im Parlament halten kann. Fidesz-KDNP hätte demnach 135 Mandate, dahinter kommt das Oppositionsbündnis mit 56 Plätzen. Auch die extrem rechten Partei "Mi Hazánk" wird nach ersten Ergebnissen mit sieben Abgeordneten vertreten sein.

Bei den Zweitstimmen liegt Fidesz-KDNP mit etwa 53 Prozent vorne, die Opposition folgt mit 35 Prozent. Bei den Erststimmen zeigt sich Orbáns klare Übermacht: Hier steht es 88 zu 18. Bisher wurden fast 99 Prozent der Stimmen ausgezählt.

Die Wahlbeteiligung war mit rund 67 Prozent knapp unter der Beteiligung bei den letzten Parlamentswahlen 2018. In einigen Wahlkreisen stieg die Beteiligung auf bis zu 78 Prozent.

Orbán gegenüber stand Péter Márki-Zay, ein Kleinstadtbürgermeister aus Südungarn, in den die gesammelte Opposition ihre Hoffnungen gesetzt hat. Er ist konservativ, katholisch und hat sieben Kinder. Die verschiedenen Oppositionsparteien, von rechter Jobbik bis zur links-grünen Partei „Dialog für Ungarn“, setzten darauf, dass Márki-Zay auch die konservativere ländliche Bevölkerung überzeugen kann für ihn und gegen Fidesz zu stimmen.

Péter Márki-Zay, ein Kleinstadtbürgermeister aus Südungarn, in den die gesammelte Opposition ihre Hoffnungen gesetzt hat.
Péter Márki-Zay, ein Kleinstadtbürgermeister aus Südungarn, in den die gesammelte Opposition ihre Hoffnungen gesetzt hat.

© Attila Kisbenedek/AFP

Sechs Oppositionsparteien traten erstmalig in einem Bündnis an

Zum ersten Mal in den letzten zwölf Jahren von Orbáns Regierungszeit haben sich die Oppositionsparteien alle auf einen Spitzenkandidaten geeinigt, dem ging eine offene Urwahl im Herbst 2021 voraus. Auch in den 106 Direktwahlkreisen trat am Sonntag jeweils nur eine Kandidatin oder ein Kandidat an. Mathematisch haben in dem reformierten Wahlrecht die Oppositionsparteien nur so eine Chance gegen die übermächtige Fidesz-KDNP-Koalition.

Mit dieser Strategie der Opposition sah es zunächst so aus, als müsste Viktor Orbán noch einmal um seine Wiederwahl bangen. Der Ministerpräsident ist ein Verfechter der „illiberalen Demokratie“, er orientiert sich an den politischen Systemen etwa Russlands oder der Türkei. In den letzten zwölf Jahren wurden in Ungarn die Presse- und Wissenschaftsfreiheit eingeschränkt, die Europäische Union stufte die Rechtsstaatlichkeit schon 2018 als gefährdet ein. Auch die Zivilgesellschaft sieht sich durch Gesetze wie das „Lex NGO“ in ihrer Arbeit immer weiter eingeschränkt.

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Zwar gab es immer wieder Vertragsverletzungsverfahren, die die EU gegen Ungarn einleitete, doch spürbare Veränderungen in Ungarn etwa durch enthaltene EU-Gelder gab es bisher nicht. Die internationale Nichtregierungsorganisation „Transparency International“ stuft Ungarn als zweitkorruptestes EU-Land ein, vor Bulgarien. Global rangiert Ungarn zwischen Ghana und Kuwait.

„Ich sehe es mit großer Sorge, dass die EU Orbán weiter finanziert. Das Geld landet direkt in den Taschen von Oligarchen“, sagt Katalin Cseh, Europa-Abgeordnete der liberalen Partei „Momentum“, Teil des Oppositionsbündnisses. Sie selber hat am Rechtsstaatlichkeitsmechanismus im EU-Parlament mitgewirkt und sieht: „Das Mittel ist seit Monaten in Kraft und trotzdem passiert nichts.“

Anti-Korruption war auch eines der zentralen Themen des oppositionellen Wahlkampfs. Sollte er gewählt werden, würden „die Kriminellen ins Gefängnis kommen und nur die Aufrichtigen in das Parlament“, versprach Spitzenkandidat Márki-Zay in seinen Wahlkampfreden.

Ukraine-Krieg: Orbán verspricht Frieden und Sicherheit

Doch seit dem 24. Februar überschattete der Krieg im Nachbarland Ukraine auch im ungarischen Wahlkampf die meisten Themen. Mehrere Hunderttausend Flüchtlinge sind schon über die Grenze durch Ungarn gekommen, eine bedeutende ungarische Minderheit lebt in der Ukraine. Der unerfahrene Márki-Zay rückt da in den Augen vieler Wähler:innen in den Hintergrund. Viktor Orbán hat dagegen mehr als ein Jahrzehnt Erfahrung auf dem internationalen politischen Parkett. Und seine Regierungspropaganda, ob über Riesenplakate oder durch die staatlichen und regierungsnahen Medien, erreicht weitaus mehr Menschen als unabhängige Medien.

Der ungarische Regierungschef pflegt seit vielen Jahren ein nahes Verhältnis zu Wladimir Putin.
Der ungarische Regierungschef pflegt seit vielen Jahren ein nahes Verhältnis zu Wladimir Putin.

© Mikhail Metzel/Imago/ITAR-TASS

Trotz seiner guten wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zu Wladimir Putin, der den Angriffskrieg zu verantworten hat, konnte Viktor Orbán den Krieg zu seinen Gunsten im Wahlkampf nutzen. Er positioniert sich als neutral, verspricht, dass sich Ungarn „nicht in den Krieg einmischen“ werde. Die Oppositionsparteien stellt er als Kriegstreiber dar, die ungarische Soldaten in die Ukraine schicken wollen würden.

[Lesen Sie auch: Viktor Orbáns heuchlerischer Umgang mit Russlands Angriffskrieg (T+)]

Orbán unterstützt die EU-Sanktionen zwar, distanziert sich aber auch nicht klar von Putin. Mit dieser Doppelstrategie zwischen Brüssel und Moskau hält er sein Unterstützerlager auf seiner Seite. Nach einer aktuellen Umfrage sind immerhin 40 Prozent der Fidesz-Wähler:innen der Meinung, Russland habe legitime Gründe für den Angriff gegen die Ukraine.

Sorge um Wahlfälschung und Stimmenkauf

Zum ersten Mal schickte die internationale Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa eine Langzeit-Wahlbeobachtungsmission nach Ungarn. Am Sonntag waren 200 Wahlbeobachter:innen im ganzen Land unterwegs, um auf Unregelmäßigkeit, Wahlfälschung und Stimmenkauf zu achten.

Die Organisation „Unhack Democracy“ befragte 1000 Stimmenzähler:innen nach der Wahl 2018. Besonders in ländlichen Regionen und kleinen Orten, wo die Abhängigkeit von Fidesz-Politiker:innen groß ist, sowie für vulnerable Bevölkerungsgruppen, wie in Altersheimen, sei die Gefahr für Wahlbetrug groß, meldet die Organisation. Dieses Jahr wurden deshalb 20.000 unabhängige Stimmenzähler:innen für die Kontrolle fairer Wahlen gesucht.

Referendum über „LGBTQ-Gesetz“

Die Wähler:innen stimmten am Sonntag nicht nur über die neue Zusammensetzung des Parlaments ab, sondern auch über ein Referendum. Die Fragen bezogen sich vordergründig um Kinderschutz und Kindeswohl. Mit einem positiven Ergebnis sucht die Fidesz-Regierung das im Sommer 2021 erlassene LGBTQ-Gesetz mit Rückhalt in der Bevölkerung zu untermauern. LGBTQ-Organisationen warben deshalb dafür, beim Referendum ungültig abzustimmen.

Das Gesetz sorgte im vergangenen Jahr zeitgleich mit der UEFA-Europameisterschaft auch in Deutschland für Empörung.

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