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So sieht Politik in Corona-Zeiten aus: Die Kandidaten Norbert Röttgen, Armin Laschet und Friedrich Merz (von links) bei der Jungen Union.

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Parteitage in Corona-Zeiten: CDU will nun im Januar wählen - aber wie?

Verfahrensfragen sind Machtfragen. Zwar ist der Streit um die Verschiebung des CDU-Parteitags geklärt. Die Debatte über digitale Versammlungen aber geht weiter.

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Erst haben sie gestritten. Jetzt sind sie wieder christlich-demokratisch versöhnt. Oder jedenfalls einig, wie man mit dem CDU-Parteitag umgehen soll, der nach Ansicht der gesamten Parteiführung - mit einer Ausnahme - am 4. Dezember nicht stattfinden kann.

Nach einigem Hin und Her in der Woche, nach mahnenden Worten der Noch-immer-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer und nach einer neuen Umfrage, laut der eine Mehrheit der CDU-Mitglieder die Verschiebung des Parteitags unterstützt, haben sich die drei Kandidaten um das Spitzenamt verständigt: Nun soll Mitte Januar ein neuer Parteivorsitzender gewählt werden.

Am Samstagabend konnte CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak vermelden, dass sich Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen nach „intensiver Beratung“ verständigt hätten – wobei unklar bleibt, ob die Beratung einzeln von außen erfolgte oder das Trio sich unter sich einigte. Oder die Deeskalierung in einer Kombination dessen gelang.

Der Konflikt um den Termin war zu Beginn der Woche aus dem Ruder gelaufen, als Merz die Entscheidung zur Verschiebung ohne festen neuen Termin auch als Schiebung des „Establishments“ der CDU interpretierte – um seine angeblich erfolgreiche Kandidatur zu hintertreiben. Er sei der Kandidat, den die Mehrheit des Parteivolks wolle, so hatte Merz es dargestellt. Laschet dagegen habe signalisiert, er brauche noch Zeit.

Mit dem Januar-Termin ist Merz nun eingefangen, ohne ihm nochmals Gelegenheit zu geben, sich als einsamen Verfolgten darzustellen. Denn für den somit zeitlich fixierten Parteitag wurden auch drei mögliche Formen festgelegt, um auf jeden Fall im Januar zu einer Entscheidung zu kommen.

Drei Möglichkeiten

Zum einen ist weiterhin der klassische Präsenzparteitag an einem Ort mit allen 1001 Delegierten anvisiert, so wie er in Stuttgart auch hätte stattfinden sollen. Ist das im Januar noch nicht wieder möglich, was ja nicht auszuschließen ist, käme jene Variante zum Zug, die Ziemiak schon vor gut einer Woche ins Gespräch gebracht hatte: der dezentrale Parteitag an mehreren Orten mit dezentraler Abstimmung und Übertragung der Reden. Damit wäre Hygieneauflagen leichter nachzukommen. Sollten aber auch im Januar noch harte Corona-Regeln gelten, soll es ein Online-Parteitag werden. Die Abstimmung soll dann digital organisiert werden.

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Technisch dürfte das machbar sein. Aber rechtlich ist es noch unklar. Denn das Parteiengesetz macht eine digitale Wahl eigentlich nicht möglich. Kramp-Karrenbauer setzt daher in der Notlage ihrer Partei auf das Entgegenkommen der anderen Fraktionen im Bundestag. „Alle sind betroffen“, sagt sie. „Deswegen appelliere ich an alle: Lasst uns das gemeinsam hinbekommen.“

Wird Parteiengesetz geändert?

Zumindest FDP-Chef Christian Lindner scheint dazu bereit. Er dringt nun darauf, das Parteiengesetz zu ändern, um digitale Wahlparteitage schneller zu ermöglichen. Der „Augsburger Allgemeinen“ sagte er, die Vorbereitungen zur nächsten Bundestagswahl könnten nicht auf Dauer unterbrochen werden. Die FDP sei bereit, ein rasches Gesetzgebungsverfahren mitzutragen. 

Union und SPD hatten schon vor Wochen einen Entwurf zur Änderung des Bundeswahlgesetzes eingebracht, der nach den Sommerferien beraten wurde. Darin ging es nur um Änderungen bei der Aufstellung von Bundestagskandidaten - sie sollen „im Falle einer Naturkatastrophe oder eines ähnlichen Ereignisses höherer Gewalt“ auch ohne Präsenzveranstaltungen benannt werden können. Das Bundesinnenministeriums soll dazu per Rechtsverordnung ermächtigt werden. Bislang mussten die Parteien dazu zwingend Parteitage oder vergleichbare Versammlungen einberufen.

Die SPD Niedersachen hielt ihren Landesparteitag Ende Oktober online ab. Anders als die Delegierten waren die Journalisten vor Ort.
Die SPD Niedersachen hielt ihren Landesparteitag Ende Oktober online ab. Anders als die Delegierten waren die Journalisten vor Ort.

© dpa

Union und SPD hatten deshalb vorgeschlagen, die Aufstellung der Kandidaten solle in Ausnahmesituationen auch durch eine Mischung aus Briefwahl und elektronischem Verfahren ermöglicht werden. In dem Entwurf wird darauf hingewiesen, dass derartige Zusammenkünfte in einer Situation wie der Covid-19-Pandemie aus infektionsschutzrechtlichen Gründen aber nicht möglich seien. Dennoch könne natürlich nicht auf die Kandidatenaufstellung verzichtet werden.

Kritik aus der Opposition

Die Oppositionsparteien FDP, Linke, Grüne und AfD hatten den Vorschlag Anfang September im Bundestag abgelehnt. Sie kritisierten vor allem eine Missachtung des Parlaments durch die Übertragung der Entscheidungsvollmacht auf das Innenministerium, eine Missachtung des Gebots zur Öffentlichkeit und mangelnde Präzisierungen im dem Entwurf. Die AfD nannte den Vorschlag verfassungswidrig.

Der Justiziar der Unionsfraktion, Ansgar Heveling (CDU), begrüßte Lindners Aussage. Er verwies auf Anfrage des Tagesspiegels darauf, dass CDU und CSU das Ziel einer dauerhaften Klarstellung zu digitalen Parteitagen im Parteiengesetz, und zwar über über Corona-Sonderregelungen hinaus, schon seit „geraumer Zeit“ verfolgten. „Wenn das jetzt zügig in Gang gesetzt werden kann, umso besser“, meinte Heveling und fügte hinzu: „Eine wasserdichte Regelung liegt im Interesse aller Parteien.“

"Hohe rechtliche Hürden"

Zurückhaltender reagierte SPD-Vizefraktionschef Dirk Wiese. Bei Wahlen und Satzungsänderung durch digitale Parteitage gebe es „hohe rechtliche Hürden, die in unserer Verfassung aus gewichtigen Gründen niedergeschrieben worden sind“, sagte er. Dazu seien die Generalsekretäre der Parteien schon länger im Gespräch. Offenbar wisse Lindner nicht, welche Gespräche seine frühere Generalsekretärin Linda Teuteberg dazu geführt habe. Wiese versicherte aber: „Die SPD-Fraktion im Bundestag verschließt sich jedenfalls keinen sinnvollen Anpassungen, die rechtlich zulässig und technisch auch sicher durchführbar sind.“

Grünen-Parlamentsgeschäftsführerin Britta Haßelmann, sagte, es liege nicht an den Grünen, „dass hier bisher nichts passiert ist“. Nötig sei mehr Rechtssicherheit für die Parteien auch in der Corona-Pandemie. Dies hätten die Grünen in den Beratungen der Generalsekretäre und im Parlament auch angemahnt. Dafür sei eine Reform des Parteiengesetzes zur dauerhaften Verankerung von elektronischer Demokratie nötig. „Union und SPD hatten hierauf bislang verzichtet", meinte die Politikerin.

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