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Bundeskanzlerin Angela Merkel (links, CDU) und die Parteivorsitzende der CDU Rheinland-Pfalz, Julia Klöckner.

© dpa/Kay Nietfeld

"Plan A2" für die Flüchtlingspolitik: Klöckners Papierchen ist der Ausweg für Angela Merkel

Julia Klöckners Plan A2 zur Begrenzung der Flüchtlingszahlen passt der Kanzlerin ins Konzept. Angela Merkel kann zu ihrem Prinzip der kleinen Schritte zurückkehren. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Antje Sirleschtov

Das Erfolgsrezept der Angela Merkel hat immer in einer Kombination aus Machtinstinkt und Begrenztheit gelegen. Darin war diese Bundeskanzlerin eine Meisterin. In kleine, ja in kleinste, Bestandteile hat Merkel all die großen Herausforderungen zerlegt, die sich ihr in den zurückliegenden Jahren gestellt haben. Und jeden ihrer Trippelschritte hat sie so vorbereitet, dass die Mehrheiten auf ihrer Seite waren.

Überzeugend oder gar visionär war dieses Prinzip Merkel nie. Aber es hat funktioniert: In der Finanzkrise, in der Eurokrise, sogar beim Atomausstieg. Und mal ehrlich: Wer erinnert sich Jahre später noch an das unsagbare Gewurschtel in den einzelnen Etappen der Merkel’schen Problemlösungen? Am Ende waren’s die Leute irgendwie zufrieden und Merkel die mächtigste Frau der Welt.

Und nun kehrt diese Kanzlerin erkennbar auch in der Flüchtlingskrise zu diesem bewährten Prinzip zurück. Vorbei der Traum vom unbegrenzt menschlichen Deutschland, dessen Bürger gemeinsam mit ihrer Regierungschefin an der Bahnsteigkante den Flüchtlingen zuwinken. Verworfen auch die Hoffnung auf ein einiges Europa, das Merkel in einen gemeinsamen humanitären Plan zur Lösung der Flüchtlingsprobleme folgt.

Ob es nun die stille Einsicht des Scheiterns ihrer Sommer-Vision vom „Wir schaffen das“ und der Wertegemeinschaft der EU ist oder ganz einfach nur das Ergebnis einer nüchternen machtstrategischen Abwägung Ende Januar 2016. Angela Merkel zieht die Reißleine. Stückchen für Stückchen, wie es ihre Art ist. Und A2, dieses Papierchen ihrer Vertrauten und Stellvertreterin Julia Klöckner aus Mainz, das mehr Fragen als Antworten aufwirft, passt ihr da genau ins Konzept.

Horst Seehofer hat sich getäuscht

Wer wie Horst Seehofer glaubt, der Kanzlerin das Eingeständnis des Scheiterns abringen, ihr gar öffentlich Worte wie „Obergrenzen“ oder den Befehl zum Schließen der deutschen Grenzen abringen zu können, hat sich getäuscht. KanzlerInnen gestehen Niederlagen nicht ein, sie werden für das Scheitern ihrer Politik abgewählt.

Und genau das muss in diesem Frühjahr Merkels größte Sorge sein: Längst beherrschen Ablehnung und ernste Zweifel das Urteil großer Teile der Union über den Kurs ihrer Chefin. Der Druck kommt nicht nur aus Bayern, er kommt aus allen Himmelsrichtungen. Und sollten Anfang März in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt die Wähler in ihre Bewertung von Merkels Flüchtlingskurs die CDU erkennbar abstrafen, muss sich die Frau an der Parteispitze um ihre Macht ernsthaft sorgen.

Merkel braucht in diesen Tagen nichts mehr als Ruhe im eigenen Haus. Und Julia Klöckners A2-Plan bietet dafür eine wichtige Voraussetzung: Hoffnung. Hoffnung darauf, es könnte bilaterale Vereinbarungen mit Griechenland, Italien und der Türkei geben, Kontingente also für Flüchtlinge – für Deutschland oder im besten Fall für eine Koalition der Willigen der EU. Wer will, kann in diesen täglichen Kontingenten kleine Obergrenzen sehen. Andere mögen darin sogar einen zweiten Europa-Plan erkennen – den von der Kern-Union, die gebildet wird, wenn die Gruppe der 28 nicht zustande kommt.

Hoffnungen, Deutungen, Möglichkeiten. Nichts anderes als das bietet A2. Eine Möglichkeit für Merkel, falls sie Mitte Februar vom EU-Gipfel ohne überzeugende Ergebnis heimkehren sollte und ihre angekündigte Zwischenbilanz vorlegen muss. Eine Hoffnung für ihre Partei, die so dringend Entlastung benötigt, dass sie sich binnen Stunden, einschließlich einiger der schärfsten Kritiker des Merkel-Kurses, hinter A2 versammelt hat.

Ob der Plan funktionieren kann, spielt eigentlich keine Rolle. Ohnehin hat doch im Augenblick niemand mehr wirklich einen Überblick darüber, welche Maßnahmen zur Begrenzung der Flüchtlingszahlen schon beschlossen und welche in die Realität umgesetzt sind. Der Meisterin der kleine Schritte kann auch dieses Gewurschtel nur recht sein.

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