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Berlin wählt im Olympiastadion.

© dpa

Präsidentschaftswahlen: „Die Türkei ist selbstbewusst geworden“

Der AKP-Funktionär Metin Külünk über die ersten türkischen Präsidentschaftswahlen, die auch im Ausland abgehalten werden - und das Selbstverständnis seines Landes.

Zum ersten Mal können bei dieser Präsidentenwahl türkische Staatsangehörige im Ausland wählen. Sie mussten dafür etliche technische Hürden überwinden. Sind Sie zufrieden mit der Premiere?

Wir haben zunächst einmal allen Ländern zu danken, die das ermöglicht haben, vor allen denen mit einer großen türkischen Gemeinde wie Deutschland, Holland, Belgien, England oder Frankreich. Sie haben großes Verständnis gezeigt und mitgeholfen, dass die Wahl ordentlich abläuft.

In Deutschland haben sich nur 92 000 der 1,3 Millionen türkischen Wahlberechtigten zur Wahl angemeldet, auch anderswo soll die Quote niedrig sein. Ist die Online-Terminvergabe eine zu große Hürde?

Sie sagen selbst, das ist alles neu. Unsere Erfahrungen werden wir bei der Parlamentswahl 2015 berücksichtigen. Ich bin sicher, sie wird dann perfekt sein.

Es gab Prognosen, dass statt bisher fünf nun 30 Prozent Auslandstürken wählen würden. Teilen Sie dies?

Metin Külünk.
Metin Külünk.

© Promo

Ich bin gegen das Online-Verfahren und vermute, dass es die Beteiligung verringern wird. Das war aber die Entscheidung der Wahlkommission, die wir zu respektieren haben. Ich rechne aber nicht mit außerordentlichen Problemen. Es gibt weiterhin die Möglichkeit, auf den Flughäfen, an den Grenzen zur Türkei zu wählen. Rund die Hälfte der wahlberechtigten Auslandstürken ist jetzt in Urlaub, rund 380 000 haben bereits an den Grenzen gewählt. Und am 10. August wird Recep Tayyip Erdogan Staatspräsident sein.

Speist sich Ihre Sicherheit auch aus Ihren Erfahrungen in Deutschland?

Ja. Wir sind seit zehn Monaten hier präsent, 100 unserer Abgeordneten haben in 25 Städten über die Wahl informiert und immer wieder auf die Bedeutung dieser Wahl hingewiesen. Unser Eindruck war, dass die hiesigen türkischen Wähler die Situation in der Türkei sehr genau beobachteten und auch sehr entschieden waren, wen sie wählen würden.

Und das ist Erdogan?

Wir haben 60 bis 70 Prozent Zustimmung im Ausland, in einigen Gebieten – die ich jetzt nicht nennen werde – 80 Prozent, auch in Deutschland. Die niedrigsten Werte liegen um die 50 Prozent. Und die Auslandstürken werden zwei bis drei Prozent des Ergebnisses ausmachen.

Nehmen wir an, Sie behalten recht: Mit welchem Staatspräsidenten hat die Welt und die Türkei zu rechnen? Erdogan stand einmal für Öffnung und Aufschwung, jetzt verbinden sich mit ihm Gezi-Park, Zensur und Korruptionsskandale.

Es wäre gut, wenn die Welt und Europa die Türkei besser verstehen lernten. Ohne unser Land ist keine Weltpolitik zu machen. Was wird Europa machen, wenn Putin Ihnen im nächsten Winter den Gashahn zudreht? Eine globale Größe kann Europa nur in einer strategischen Partnerschaft mit der Türkei sein.

Sie sprechen von Geopolitik, meine Frage bezog sich aber auf die Lage der Demokratie in der Türkei.

Was Twitter angeht: Da wurden türkische Gerichtsbeschlüsse umgesetzt; der Dienst ist nicht verboten. Auch die Versammlungsfreiheit wird nicht angetastet. Wir sind nicht gegen die Demokratie, aber gegen Vandalismus. Oder würden Sie sagen, es gibt ein Deutschland vor Stuttgart und eines danach?

In Stuttgart gab es anders als beim Gezi- Protest keine Toten. Und um die Verantwortung für den Polizeieinsatz gegen die Stuttgart-21-Proteste laufen Prozesse.

Aber bei Ihnen wurde auch nicht die Regierungschefin tätlich angegriffen.

Rechtfertigt das Tote?

Wir wollen keine Toten, nichts ist wertvoller als ein Menschenleben. Dass es dazu kam, ist sehr traurig. Aber den Zustand unserer Demokratien müssen wir alle immer wieder prüfen. Wie Deutschland die NSU-Mordserie aufarbeitet, wird gerade die türkische Bevölkerung sehr genau beobachten. Aber da Sie nach den Erwartungen an einen Staatspräsidenten Erdogan fragten: Er wird nichts tun, als nach Verfassung und Gesetz handeln. Er wird aber eine starke Führungspersönlichkeit bleiben. Die Türkei ist selbstbewusst geworden, auch Europa sollte sich daran gewöhnen, dass man Probleme an einem gemeinsamen Tisch besprechen kann. Stattdessen scheint man sich ab und zu die Zeiten des türkischen Ministerpräsidenten Demirel zurückzuwünschen. Diese Zeit ist vorbei, das wird es nicht mehr geben.

Metin Külünk ist stellvertretender Beauftragter der Regierungspartei AKP für die Türken im Ausland. Als Mitglied des türkischen Parlaments vertritt er einen Istanbuler Wahlkreis.

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