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Politik: Raucher-Reservate

Mehrere Länder wollen beim Verbot eine Ausnahme für Kleinkneipen erlauben

Berlin - Die meisten Restaurants und Lokale in Deutschland, Diskotheken eingeschlossen, werden schon bald rauchfrei sein. Zumindest werden die Raucher in abgetrennte Nebenräume verbannt, sollten diese vorhanden sein. In einer Reihe von Bundesländern wird es die Möglichkeit geben, Kneipen mit nur einem Raum als Raucherlokal zu deklarieren – aber möglicherweise nur dann, wenn dort außer dem Besitzer kein weiteres Personal arbeitet. Völlige Einheitlichkeit wollten die Ministerpräsidenten bei ihrem Treffen am Donnerstag in Berlin nicht herstellen, weil eben einige Regierungschefs begrenzte Ausnahmen erlauben wollen – wenn ihre Landtage das billigen.

Dazu gehört der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Wolfgang Böhmer (CDU), im Zivilberuf einst Chefarzt und daher über die gesundheitlichen Folgen des Rauchens durchaus informiert. Es in allen Kneipen zu verbieten, ginge ihm aber doch zu weit. Kleine Eckkneipen könnten seiner Ansicht nach ausgenommen werden. Für Bürger, die rauchen wollten, müsse es auch die Möglichkeit geben, „irgendwo zum Bier zusammenzukommen“. Wer in eine solche Eckkneipe gehe, meint auch NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU), der wisse dass dort Raucher seien. Zudem sei dort der Arbeitnehmerschutz nicht berührt: „Derjenige, der entscheidet, dass da geraucht werden kann, ist der, der auch die Bedienung vornimmt.“ Auch im Saarland soll es nach dem Willen von Landesvater Peter Müller (CDU) eine Ausnahme für kleine Kneipen geben. „Wenn der Wirt eine solche Kneipe zur Raucherkneipe erklären kann, ist es jedem freigestellt, sie zu besuchen oder nicht.“

Auch der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) will die Ausnahme für erklärte Raucherlokale. Das Anliegen Wulffs ist es, möglichst viele Vorschriften abzubauen. Deswegen hat man in Niedersachsen vor zwei Jahren entschieden, dass kleine Kneipen auch erlaubnisfrei betrieben werden können. Da der Übertritt ins Gastwirtsdasein zu den klassischen Möglichkeiten gehört, sich ohne großen Aufwand selbstständig zu machen, war das auch als Versuch gedacht, Existenzgründungen in Zeiten höherer Arbeitslosigkeit zu erleichtern. In Niedersachsen soll es daher möglich sein, bestimmte Lokale als Raucherkneipe zu deklarieren.

In Bayern will man einerseits strenger sein – das Rauchverbot soll für alle Lokale in Immobilien gelten –, doch die mobile Gastronomie in Form der Bierzelte soll ausscheren können. In diesen Zelten, fester Bestandteil bayerischer Kultur (auch der politischen), soll man weiter schmauchen dürfen. Berlin will dagegen den Kompromiss der Gesundheitsminister – generelles Rauchverbot in Haupträumen, erlaubt in abgetrennten Nebenräumen – sehr strikt auslegen. Fast alle Länder haben bereits Gesetzentwürfe in der Schublade. Wulff geht davon aus, dass spätestens bis Jahresende in allen Ländern die Sache geregelt ist.

Freilich sind da noch die Totalverbotsanhänger. Denen missfallen die Ausnahmen für kleine Kneipen. Sie sind vor allem in der klassischen Partei des kleinen Mannes, der SPD, beheimatet. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Lothar Binding etwa will nicht locker lassen und für ein bundesweites Komplettverbot streiten. Auch die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Sabine Bätzing (SPD), plädiert für die Einheitslösung. Doch auch in der Union gibt es Skeptiker. Der CDU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn sagte dem Tagesspiegel, wer Nichtraucherschutz wolle, „darf Ausnahmen nicht zur Regel machen“. Die CSU-Drogenexpertin Maria Eichhorn fordert eine „möglichst durchgehende konsequente Regelung, die dem Gesundheitsschutz dient“. Nötig seien „strikt abgetrennte Raucherzimmer, in denen auch nicht bedient werden darf“, sagte sie dem Tagesspiegel. Mit Blick auf andere Länder und deren gute Erfahrung mit Rauchverboten verstehe sie „das Gezerre in Deutschland“ nicht. Zwei Drittel der Bevölkerung fühlten sich durch Passivrauch bedroht, sagte Eichhorn und prophezeite den Ländern: „Wer jetzt beim Rauchverbot ausschert, wird über kurz oder lang nachfolgen müssen.“

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