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Rauchverbot: Auf einen Zug

Bayern hat in einem Volksentscheid für einen strengeren Nichtraucherschutz votiert. Welche Folgen hat das?

Nein, von einer Niederlage durch die per Volksentscheid erzwungene Rückkehr zu einem strikten Rauchverbot in Bayern wollte bei der CSU am Tag danach niemand etwas wissen. Im Gegenteil: Er sei „hochzufrieden“, teilte Ministerpräsident Horst Seehofer knapp mit. Das Thema sei mit dem eindeutigen Votum des Volkes nun endlich „sauber befriedet worden“. Auch für Gesundheitsminister Markus Söder ist „die Sache erledigt“. Dass er nicht stärker für das eigene schwarz-gelbe Gesetz gekämpft hatte, das unter anderem Ausnahmen für Eckkneipen und Bierzelte vorsah, begründete er mit der gebotenen Neutralitätspflicht vor einem Volksentscheid. Allerdings hatte die christsoziale Schmallippigkeit am Montag wohl mehr mit der unangenehmen Erkenntnis zu tun, dass die CSU nach ihrem Schlingerkurs beim Rauchverbot ohnehin nicht mehr punkten kann. „Ein Hin und Her zahlt sich eben nicht aus“, erklärte der niederbayerische CSU-Vorsitzende Manfred Weber. Der Ausgang des Volksbegehrens sei ein „politischer Warnschuss“ für seine Partei: Die Bayern hätten deutlich gemacht, „dass es sich lohnt, bei einmal als richtig erkannten Entscheidungen zu bleiben“.

Wie reagiert die FDP in Bayern?

Der Koalitionspartner der CSU, die FDP, zeigte sich verärgert. „Das Wegducken beim Rauchverbot war leider wieder einmal ein Fall, in dem die CSU eine zuvor getroffene Entscheidung nicht nachdrücklich vertreten hat“, kommentierte die bayerische FDP-Generalsekretärin Miriam Gruß. Wenn neben der FDP auch der andere Koalitionspartner für das geltende Gesetz geworben hätte, hätte es vielleicht eine Chance gehabt, sagte FDP- Fraktionschef Thomas Hacker.

Hat der Volksentscheid bundesweite Auswirkungen?

Die Initiatoren des Volksbegehrens sind davon überzeugt. Mit 61 Prozent sei das Ergebnis in Bayern so eindeutig ausgefallen, dass man auch bundesweit von einer klaren Mehrheit für eine strenge Regelung ausgehen könne, sagt Sebastian Frankenberger, Sprecher des bayerischen „Aktionsbündnisses Nichtraucherschutz“. Zwar sei etwa in Berlin die Hürde für einen Volksentscheid höher als in Bayern: Mit einer Volksinitiative werde man dort aber zumindest den Druck auf die Politik erhöhen. Auch aus Hamburg und Nordrhein-Westfalen gebe es bereits Anfragen von regionalen Nichtraucher-Initiativen. Ein bundesweites Rauchverbot wäre für die Nikotin-Gegner jedoch die bessere Lösung. „Mit der deutschen Kleinstaaterei beim Gesundheitsschutz muss endlich Schluss sein“, fordert Ernst-Günther Krause von der „Nichtraucher-Initiative Deutschland“. So könnte der Bund über einen schärferen Arbeits- oder Gesundheitsschutz der Vielfalt an unterschiedlichen Länderregelungen ein schnelles Ende machen. Beide Punkte sind Bestandteil eines Eckpunktepapiers, das fünf SPD-Bundestagsabgeordnete den Parlamentariern vorlegen wollen. Ziel ist es, einen fraktionsübergreifenden Gruppenantrag durchzubringen – wie 2006. Damit ein solcher Antrag beraten wird, müssen ihn mindestens fünf Prozent der Bundestagsabgeordneten unterstützen, also rund 32 Abgeordnete. Beim vergangenen Mal kamen innerhalb von zwei Tagen rund 150 Unterschriften zusammen.

Warum sind die Regelungen in den Bundesländern so unterschiedlich?

Der Gruppenantrag fand damals zwar großen Zuspruch, doch eine bundesgesetzliche Regelung kam nicht heraus – mit der Begründung: Das Rauchen in Gaststätten falle nicht in die Kompetenz des Bundes. Die Länder mussten selbst entscheiden, und so entstand ein Flickenteppich unterschiedlicher Regelungen. Seit dem 1. Juli 2008 gilt in allen 16 Ländern ein grundsätzliches Rauchverbot in Gaststätten und öffentlichen Gebäuden. Doch es gibt Ausnahmen: In Einraumkneipen bis zu einer bestimmten Größe und in abgetrennten Nebenräumen darf weiter geraucht werden – nur in Bayern ist das ab dem 1. August jetzt verboten.

Wie ist die Lage in Berlin?

In Berlin musste das Nichtraucherschutzgesetz nach einem Verfassungsgerichtsurteil 2009 novelliert werden. Seitdem können sich Einraumkneipen als „Raucherlokale“ registrieren lassen, vorausgesetzt, sie sind nicht größer als 75 Quadratmeter, servieren keine selbst zubereiteten Speisen und verwehren Jugendlichen unter 18 Jahren den Zutritt. Laut Senatsgesundheitsverwaltung haben sich bis Ende Mai dieses Jahres 636 Rauchergaststätten angemeldet. Eine Ausnahme gibt es für Shisha-Lokale, in denen Wasserpfeifen serviert werden. Sie sind vom Rauchverbot ausgenommen, wenn keine alkoholischen Getränke angeboten werden, unter 18-Jährige keinen Zutritt haben und sie von außen sichtbar gekennzeichnet sind. Nicht mehr geraucht werden darf in Theatern, Galerien, Spielbanken, Internetcafés, Verwaltungen, in Lehrerzimmern und auf dem Schulgelände.

Welche Politik verfolgt die EU?

Ein EU-weites Rauchverbot für öffentliche Räume ist nicht in Sicht. Die Brüsseler Kommission wird nicht tätig werden, sie ist formal nicht zuständig: Nichtraucherschutzregelungen fallen in das Aufgabengebiet der Mitgliedstaaten. „Nichtsdestotrotz ermuntern wir die Länder, sich an ihren eigenen Beschluss zu halten“, sagte Carsten Lietz, Sprecher der Berliner Vertretung der EU-Kommission. Im November 2009 hat sich der Europäische Rat auf „Empfehlungen über rauchfreie Umgebungen“ geeinigt. Die sind jedoch nicht bindend, die Auswirkung daher eher mäßig: Europaweit sind die Regelungen ähnlich unterschiedlich wie in Deutschland. Ein totales Rauchverbot in der Gastronomie, wie es Irland 2004 eingeführt hat, hat zwar einige Nachahmer gefunden – unter anderem mit Großbritannien. Aber zum Vorbild ist es nicht geworden. Auch das EU-Parlament hat nur eine Empfehlung an die Mitgliedsländer herausgegeben, ein „umfassendes Rauchverbot“ in allen geschlossenen Arbeitsstätten, einschließlich Gaststätten und Kneipen, zu erlassen. Auf mehr konnten sich die Parlamentarier nicht einigen. Dabei gibt es Handlungsbedarf: Einer Umfrage der Kommission zufolge sterben in Europa jährlich 650 000 Menschen an den Folgen des Rauchens. 19 000 von ihnen sind Nichtraucher.

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