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Rechtsextremer Alltag. In einigen Landstrichen Ostdeutschlands zeigt die NPD Präsenz

© dpa

Rechtsextremismus in Ostdeutschland: Rechte Kameradschaften sind auf dem Vormarsch

In Ostdeutschland werden ganze Landstriche von Neonazis unterwandert. Wissenschaftler teilen diese These von Bundesinnenminister Friedrich - warnen jedoch vor einem Pauschalurteil.

Wissenschaftler teilen die Sorge von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), wonach manche Landstriche Ostdeutschlands von Neonazis unterwandert werden. „Es ist völlig richtig darauf hinzuweisen, dass einige Regionen in Ostdeutschland von Neonazis unterwandert werden“, sagt Hajo Funke, Politikwissenschaftler der FU Berlin. Auch Eckhard Jesse, Extremismusforscher an der TU Chemnitz, sieht insbesondere Teile Mecklenburg-Vorpommerns betroffen. Die Forscher warnen allerdings vor Verallgemeinerungen. „Ein Pauschalurteil über den Osten ist nicht angebracht für das differenzierte Bild“, sagt Funke. Und Jesse betont: „Die Unterwanderung war früher noch stärker und flächendeckender als heute.“

Jesse sieht in den Äußerungen des Innenministers vor allem ein strategisches Element: „Friedrich ist recht strikt gegen ein neues NPD-Verbotsverfahren, er will aber gleichzeitig das Phänomen Rechtsextremismus nicht verharmlosen.“ Nach seinen Angaben gibt es zwar durchaus in einigen Teilen Ostdeutschlands, aber auch im Westen Vorurteile gegenüber Nicht-Deutschen, die Ausländer-Hasser würden aber schweigen. Deren Ressentiments würden sich nicht mehr so deutlich artikulieren – auch nicht bei Wahlen.

In den Augen von Funke ist das Problem dramatischer: „Problematisch ist die Tatsache, dass in machen Gegenden demokratische Parteien und Institutionen keine richtige Ansprache mehr finden für soziale und politische Probleme.“ Auch er sieht die Gefahr einer rechten Unterwanderung besonders in Teilen Mecklenburg-Vorpommerns gegeben. „Dort gibt es eine Art Nicht-Verhalten von Polizei und Lokalpolitik gegenüber rechten Gesinnungen, aber auch gegenüber sozialen Problemen.“ Funke fordert, dass ein sozialer Mindeststandard bei der Versorgung mit Kindergärten und Schulen gegeben sein müsse. „Es droht sonst ein Vakuum, in das die NPD und vor allem rechte Kameradschaften einsickern.“ Gerade die rechten Kameradschaften sind laut den Wissenschaftlern eines der Kernprobleme. Sie würden sich in zivilgesellschaftliche Strukturen einnisten. Die NPD sehen sie dagegen in einer schwachen Position. Jesse spricht von einem „desolaten Zustand“, weil es Streitigkeiten und keine Wahlerfolge mehr gebe.

Dass vor knapp einem Jahr der „Nationalsozialistische Untergrund“ (NSU) aufflog, habe viel in Bewegung gesetzt. „Das Entsetzen ist immer noch präsent und Teil der öffentlichen Debatte. Funke warnt aber vor einer ,Jetzt-erst-recht’-Stimmung in der rechtsextremen Szene, „die sehr gefährlich ist“. Für den Kampf gegen die rechte Unterwanderung reichten die Reformvorschläge nach den NSU-Erfahrungen nicht aus. „Mit dem Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus hat man zwar eine gute Idee zu verwirklichen versucht, aber den rechten Alltagsterror in einer sächsischen Kleinstadt bekommt man damit nicht in den Griff“, erklärt Funke. Dafür seien andere Faktoren wichtig: Der politische Wille, gegen rechte Gewalt vorzugehen und offene Ansagen gegen Rechtsextremismus.

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