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Michael Müller folgt auf Klaus Wowereit als Regierender Bürgermeister in Berlin.

© dpa

Regierender Bürgermeister in Berlin: Was Michael Müller besser machen muss als Wowereit

Ein sparsamer Sachwalter im Büßergewand, kontaktfreudig und selbstkritisch – und bitte bloß nicht zu viel Party. Was Michael Müller als neuer Bürgermeister und Wowereit-Nachfolger alles leisten muss.

Klaus Wowereit hätte früher gehen sollen. Zum Beispiel, als sich das Ausmaß der Probleme auf dem neuen Flughafen realistisch abzuzeichnen begann. Doch diese national wie international mit kübelweise Häme bedachte Katastrophe drängt sich in alle Betrachtungen über den Regierenden Bürgermeister, sein Erbe – und was der Nachfolger Michael Müller draus machen sollte. Lassen wir also den Flughafen ausnahmsweise beiseite, denn es liegt nicht mehr in der Hand des Chefs der Berliner Landesregierung, ob und wann er fertig wird. Es ist übrigens auch nicht sehr wahrscheinlich, dass die Wahrnehmung Wowereits heute eine andere wäre, wenn der Flughafen pünktlich in Betrieb gegangen wäre. Denn seine Kritiker – es wurden immer mehr im Lauf der Jahre – hatten ihre Einschätzung schon früh unumkehrbar auf einen Punkt verengt: auf den Party-Bürgermeister, der es einfach nicht kann.

Was natürlich Unfug war, denn Wowereit hat vermutlich über die Jahre weniger Partys besucht als ein durchschnittlicher Journalist. Und er hat sicher nicht einmal ansatzweise ahnen können, welche Falle darin lag, dass er sich zu Beginn seiner Amtszeit mit einem roten Damenschuh in der Hand fotografieren ließ – denn die Erzählung vom Bruder Leichtfuß, dem man nicht einmal die Geschicke von Lichtenrade hätte anvertrauen dürfen, war von diesem Moment an nicht mehr aus der Welt zu schaffen. Dazu noch ein paar Auftritte zur falschen Zeit am falschen Ort, und das Image stand fest.

Klaus Wowereit war ein Aktenfresser und Bescheidwisser

Dabei war Wowereit, wie Insider übereinstimmend bezeugen, im Alltag ein Aktenfresser und Bescheidwisser, der immer im Stoff steckte und die schwächelnden Sachbearbeiter des Senats das auch deutlich wissen ließ. Dass es ihm dennoch nicht gelungen ist, diesen Fleiß nach außen zu vermitteln, ist vermutlich einer der großen Fehler seiner Amtszeit gewesen. So war es den Berlin-Feinden in den Bundesländern ein Leichtes, den Regierenden zum Parvenü zu stempeln, der tagsüber die Gelder aus dem Finanzausgleich einsammelt und nachts verjuxt.

Was folgt daraus für seinen Nachfolger, den bisherigen Senator für Stadtentwicklung? Der Neue sollte sich als ehrlicher Arbeiter im Weinberg der Politik darstellen und von jeglichen Extravaganzen Abstand halten. Müller dürfte das nicht allzu schwer fallen.

Klaus Wowereit hat durch seinen Stil ganz sicher dazu beigetragen, dass Berlin in der Welt als Feierzentrale wahrgenommen wird, aber der Tourismus dürfte inzwischen stabil sein und mit einem weniger auffälligen Sachwalter leben können. Müller sollte im Übrigen überlegen, ob die City-Tax nicht ein bürokratischer Irrweg ist.

Grundsätzlich ist aber kein Geld zum Verteilen vorhanden. Die Großbaustellen existieren unabhängig von Person und Partei des Regierenden Bürgermeisters, es sind die Schulen, die Straßen, die Sozialausgaben und die Mieten. Die Situation insgesamt wird dadurch verschärft, dass Wowereit und sein ebenfalls abgetretener Sparkommissar Ulrich Nußbaum ganz entgegen ihrem Image zu viel Kahlschläge vor allem im Personalbereich angesetzt haben, die in den kommenden Jahren in Gestalt doppelter Folgekosten auf den Landeshaushalt zurückfallen werden. Der neue Finanzsenator wird schnell herausfinden müssen, wo überhaupt noch effektiv und schadlos gekürzt werden darf; es sieht aber so aus, als könne er da lange suchen.

Wowereit hätte beim Flüchtlingsstreit in Kreuzberg eingreifen müssen

Einer der Kardinalfehler Wowereits lag zweifellos darin, dass er schulterzuckend Arbeitsplätze in prekären Dienstleistungsberufen mit jenen Industriearbeitsplätzen gleichgesetzt hat, die nach der Wende im Osten und Westen der Stadt verloren gingen. Denn es bleibt nach wie vor richtig, dass Berlin finanziell nicht nur von Leuten getragen werden kann, die sich gegenseitig die Haare schneiden. Ob die von allen Seiten gestreichelten Start-ups diese Lücke füllen können, ist zweifelhaft, aber an die Ansiedlung dickerer Fische ist wohl ohne neuen Flughafen gar nicht zu denken.

Viel Geld und Arbeit wird sinnlos an der Schnittstelle zwischen Senat und Bezirken verbrannt – einzigartig, wie sich Friedrichshain-Kreuzberg in die Pleite geschossen hat mit dem Versuch, die Flüchtlinge dieser Welt auf eigene Faust zu retten. Solche Manöver verschlechtern letztlich sogar die Verhandlungsposition Berlins beim Länderfinanzausgleich – denn dass Bayern nicht auch noch die Bewachung der Gerhart-Hauptmann-Schule bezahlen möchte, ist schon verständlich. Die Entmachtung der politisierenden Bezirksverordneten wäre das Gebot der Stunde – doch wer wollte sich daran die Finger verbrennen?

Michael Müller muss die neurotischen Gemüter in der SPD streicheln

Als neuer Regierender hat Müller also mehrere Gesichter zu zeigen. Sparsamer Sachwalter im Büßergewand, kontaktfreudig und selbstkritisch – das sollte das offizielle Bild in Richtung Bund sein. Nach innen aber hat er für gute Stimmung zu sorgen, die neurotischen Gemüter zu streicheln und seine Präsenz in der Stadt gleichmäßig auf Berlinale und Suppenküche zu verteilen. Außerdem muss er die Wahlchancen der eigenen Partei im Auge behalten, sich aber ebenso wie die CDU-Verantwortlichen darum sorgen, dass nicht noch mehr Protestwähler in die rechte Ecke abdriften.

Psychologisch ist dabei nichts wichtiger für Müller, als deutlich und gleichmäßig Wertschätzung zu zeigen. Nicht nur den für zwölf glamouröse Stunden eingeflogenen Filmstar, sondern vor allem den Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Gerade die Lehrer, der größte Block, haben ein Recht darauf, nicht immer nur als lästige Kostgänger abgetan zu werden. Und sie haben ein Recht drauf, nicht alle Jahre mit neuen unsinnigen Reformen traktiert zu werden, die dann wenig später – wie von den Praktikern stets vorhergesagt – an der Berliner Realität zerschellen.

Wertschätzung ist auch etwas, was in der Kulturszene vermisst wird, die doch einen ganz entscheidenden Beitrag zur weltweiten Beliebtheit und damit auch zur wirtschaftlichen Stabilität Berlins leistet. Es muss zumindest ein Kultursenator berufen werden, um ein deutliches Zeichen zu setzen. Das ist verfassungsrechtlich wieder möglich, wird aber wie so vieles andere wohl kaum in der halben noch anstehenden Legislaturperiode umgesetzt werden können.

Ohnehin liegt in dieser Situation das Hauptproblem, denn bis zur Wahl 2016 geht es im Grunde nur noch darum, den Bürgern glaubhaft zu machen, dass ihre Probleme vom Senat und seinem neuen Vorsteher, wenn nicht abgestellt, so doch zumindest ernst genommen werden. Jegliche Flapsigkeit („Berlin ist doch nicht Haiti“) ist also ab sofort verboten. Allerdings befindet sich unter den Kandidaten auch keiner, der es mit Klaus Wowereit in dieser Disziplin aufnehmen könnte. Michael Müller erst recht nicht.

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