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Will eine gute Europäerin sein - auch in der Euro-Krise: Bundeskanzlerin Merkel.

© dpa

Regierungserklärung: Merkel: "Europa steht am Scheideweg"

Mit Pathos in der Stimme verteidigt Bundeskanzlerin Angela Merkel im Bundestag den Rettungsplan für Griechenland. Die Lage ist in ihren Augen dramatisch - nicht nur für die Griechen.

Angela Merkel kommt schnell zur Sache, sie spricht von „ultima ratio“, von einer Notsituation. Zu ungewohnt früher Stunde tagt am Mittwoch der Bundestag, schon um halb neun steht eine Regierungserklärung der Bundeskanzlerin auf der Tagesordnung. Die Zeit drängt, denn bereits am Freitag sollen die Abgeordneten dem Gesetzeswerk zustimmen. Dessen Titel klingt eher nüchtern, er lautet „Maßnahmen zur Erhalt der Währungsunion“. 

Doch von Nüchternheit ist keine Spur. Gleich zu Beginn ihrer Rede lässt Merkel keinen Zweifel daran, dass die Situation dramatisch ist und zwar nicht nur für Griechenland, sondern für ganz Europa. Die Kanzlerin spricht von „Auswirkungen auf die Situation des Euro insgesamt“ und  „von enormer Tragweite für Deutschland und Europa“. Schließlich erklärt sie „es geht um nicht mehr und nicht weniger als um die Zukunft Europas und damit um die Zukunft Deutschlands in Europa“. „Europa steht am Scheideweg“, sagt die Kanzlerin. 

In den letzten Wochen hat Merkel in Sachen Griechenland eher den Eindruck erweckt, als zaudere und zögere sie. Jetzt endlich hat sie die Initiative ergriffen und versucht Handlungsfähigkeit zu demonstrieren und sich als überzeugte Europäerin zu profilieren. Wie schon vor anderthalb Jahren auf der Höhe der Finanzkrise schlüpft Merkel in ihrer Regierungserklärung in die Rolle der Krisenkanzlerin. „Wir schützen unsere Währung, wenn wir handeln“, sagt sie, es gelte eine „Kettenreaktion“ zu verhindern, eine erneute Finanzkrise würde „zu spürbaren Wohlstandsverlusten und zu höherer Arbeitslosigkeit führen“. 

Merkel nennt die Rettung Griechenlands eine Aktion „ohne historisches Vorbild“ und fügt mit Pathos in der Stimme hinzu „Europa schaut heute auf Deutschland“. Die Kanzlerin weiß um die zentrale Rolle Deutschlands bei der Rettung Griechenlands, „ohne uns und gegen uns wird es keine Entscheidung geben, die ökonomisch und rechtlich tragfähig ist.“ Zugleich verteidigt sie in der Regierungserklärung ihre zunächst zögerliche Haltung gegenüber einer finanziellen Hilfe für Griechenland. „Ein guter Europäer ist nicht der, der schnell hilft“, so Merkel, eine frühe Hilfe ohne ausreichende Entscheidungsgrundlage hätte nur die Erwartung gesteigert, dass auch andere Länder ohne eigene umfassende Sparanstrengungen mit Hilfe rechnen könnten. 

Zaudern war gestern. Mittlerweile sind die Kreditzusagen an Griechenland und die Eile bei der Verabschiedung des Gesetzes für die Kanzlerin alternativlos. „Wir schützen unsere Währung“, begründete sie das Notpaket. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Griechenland in den kommenden drei Jahren Kredite in Höhe von insgesamt 22,4 Milliarden Euro der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) erhalten soll, in diesem Jahr sollen zunächst 8,4 Milliarden  fließen. Die Bundesrepublik Deutschland bürgt für diese Kredite und „in letzter Konsequenz der Steuerzahler, also wir alle“, sagt die Kanzlerin. 

Nach dem Willen von Merkel soll der Rettung Griechenlands nun eine Diskussion über neue Regeln für das Euro-Gebiet folgen. Sie kündigte an, zukünftig „schonungslos“ Fehlentwicklungen in Europa anzusprechen. Die EU und die Euro-Länder müssten Lehren aus der Krise ziehen, so die Kanzlerin, Fehler der Vergangenheit dürften sich nicht wiederholen. „Schonungslos“ sollen zukünftig die Probleme in den EU-Staaten analysiert werden. Zu häufig habe in der EU der Weg darin bestanden, „dass Probleme nicht direkt beim Namen genannt wurden“, zu oft habe in Europa gegolten, „gut gemeint war nicht immer gut gemacht“, sagt Merkel. Sie will die Währungsunion langfristig wieder auf stabile Grundlage stellen, wirksame Sanktionen gegen Verstoß gegen Maastricht-Kriterien vereinbaren. So sollen Euro-Sünder zum Beispiel von der EU-Strukturförderung oder den Agrarhilfen ausgeschlossen werden können. Merkel schlägt zu dem vor, „notorischen Sündern“ in der EU das Stimmrecht zu entziehen, selbst Insolvenzverfahren für Staaten sollen möglich werden. 

Nur der Weg zu einer neuen Finanzverfassung für Europa ist weit, eine Änderung der EU-Verträge wäre unumgänglich. Zuletzt hat die zähe und langwierige Diskussion über den Lissabon-Vertrag gezeigt, wie schwer sich Europa damit tut, sich neue Regeln zu geben.

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