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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei der Regierungserklärung.

© dpa/Kay Nietfeld

Mutmacher nur auf dem Papier : Olaf Scholz wird zum Nebendarsteller seiner Regierungserklärung

Der Kanzler will im Bundestag Zuversicht verbreiten und erzählt die „die wirkliche Geschichte dieses Jahres“. Der Funke aber will nicht überspringen.

An harten Formulierungen, die Emotionen wecken könnten, mangelt es seiner Berliner Regierungserklärung vor den nächsten Brüsseler Gipfeltagen nicht. Olaf Scholz verurteilt Russlands „niederträchtige Art der Kriegsführung“ und Wladimir Putins „Strategie der verbrannten Erde“, die mit Angriffen auf die zivile Infrastruktur den Durchhaltewillen der Ukraine brechen will. Unter anderem wegen anhaltender deutscher Hilfe, so der Kanzler, werde das nicht gelingen.

Auf seinem Manuskript steht eine Mutmacherrede, da nicht nur für ihn „ein besonders schweres Jahr“, ja ein „so bitteres Jahr“ zu Ende geht. Scholz will daher „die wirkliche Geschichte dieses Jahres 2022“ erzählen, dass nämlich keiner von Putins Plänen aufgegangen sei, der Kremlherrscher sowohl die Widerstandskraft der Ukraine wie Europas und der Demokratien ganz allgemein fundamental unterschätzt habe.

Der Kanzler listet auf, was aller Unkenrufe zum Trotz gelungen ist: Die EU hat sich unter Druck nicht zerlegt, es gibt gar neue Beitrittskandidaten. Eine große internationale Koalition samt China, die auch Scholz schmiedete, hat unzweideutig zu verstehen gegeben, dass ein Atomwaffeneinsatz für die Weltgemeinschaft die rote Linie ist. Und am Wochenende wird das erste Flüssiggasterminal in Deutschland eingeweiht und die Abhängigkeit von russischem Gas - wenn auch zu hohen Preisen - symbolisch beendet sein.

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Scholz: Die Skeptiker haben sich „gewaltig geirrt“

„Seit Monaten haben mich Leute ungläubig angeguckt und gesagt: ,Noch in diesem Jahr? Das wird doch nie was!’“, berichtet der Kanzler genüsslich - um dann die Arbeiterinnen und Arbeitern zu würdigen, „die im Rekordtempo diese großartige Leistung vollbracht haben“. Deutschland sei an den neuen Aufgaben „gewachsen“, so Scholz, und die Skeptiker hätten sich „gewaltig geirrt“. Seine Regierung, ja das ganze Land, habe „den richtigen Weg eingeschlagen“.

Allein der Funke will diesmal nicht überspringen. Die motivierende Botschaft wird eher trocken vorgetragen, der Applaus aus den Reihen der Ampelkoalition brandet nur selten spontan auf. Der Vortrag gerät eher zu einer Art Impulsreferat, über dessen Inhalt und Leerstellen sich die nachfolgenden Rednerinnen und Redner lautstark in den Haaren liegen. Olaf Scholz wird so fast zum Nebendarsteller seiner eigenen Regierungserklärung.

Oppositionsführer Friedrich Merz, der Unionsfraktionschef, teilt leicht gönnerhaft des Kanzlers Lageanalyse, um sich dann die wunden Punkte der Ampel vorzunehmen. Das Liefern von Kampfpanzern etwa, das in der Ampel auch Unterstützer hätte. „Es liegt vor allem an ihnen ganz persönlich, dass die Ukraine diese Hilfe nicht bekommt“, so Merz zu Scholz.

Dass der Haushaltsausschuss erst an diesem Mittwoch erstmals Geld aus dem Bundeswehr-Sondervermögen für den Kauf von US-Kampfjets freigibt, obwohl Scholz die Opposition im Frühsommer zur Eile gedrängt habe, lastet ihm Merz ebenso an wie die „tiefe Störung“ in den deutsch-französischen Beziehungen.

Es liegt vor allem an Ihnen ganz persönlich, dass die Ukraine diese Hilfe nicht bekommt.

CDU-Chef Friedrich Merz zur Debatte um deutsche Kampfpanzer für die Ukraine .

Dass er auch ein Kanzlerwort zur Lage im Iran vermisst hat, bringt Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge auf. Sie könne Merz sein Lachen „nicht verzeihen“, als im Bundestag zu feministischer Außenpolitik geredet wurde - wie nötig sie sei, habe diese Woche gezeigt: Da votierte Außenministerin Annalena Baerbock für neue EU-Sanktionen gegen das iranische Regime - wegen der brutalen Gewalt unter anderem gegen die aufbegehrenden Frauen.

„Gespalten“ habe Europa zudem nicht die Scholz’-Regierung, sondern der 50-Jahre-im-Bundestag-Jubilar Wolfgang Schäuble (CDU) mit seiner Sparpolitik als Finanzminister. Da ist Stimmung im Saal.

AfD-Fraktionschef Tino Chrupalla wirft Scholz vor, kaum ein Wort über die Sorgen der deutschen Bevölkerung verloren zu haben.

Linksfraktionschef Dietmar Bartsch wird konkreter. „Wann beginnen denn nun endlich die Kontrollen?“ fragt er zum Gesetz der Regierung, dass Preiserhöhungen nur zulässig sind, wenn die Energieversorger tatsächlich höhere Kosten haben. Den Scholz-Satz an die Bevölkerung, die Regierung tue etwa mit dem 200-Milliarden-Abwehrschirm „alles nur Mögliche, um ihre Lage zu erleichtern“, bezeichnet Bartsch als „Maximum an Selbstgerechtigkeit“.

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